Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.machen, daß ihr vierhundert Stimmen Gnade riefen, indem 83) In der vor mir liegenden ed. Firenze 1572. 4. ist das Lied
höchst incorrect abgedruckt und an mehrern Stellen dunkel. Hoffentlich hat es Manni in seiner critischen Ausgabe ver- bessert. machen, daß ihr vierhundert Stimmen Gnade riefen, indem 83) In der vor mir liegenden ed. Firenze 1572. 4. iſt das Lied
hoͤchſt incorrect abgedruckt und an mehrern Stellen dunkel. Hoffentlich hat es Manni in ſeiner critiſchen Ausgabe ver- beſſert. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0106" n="96"/> machen, daß ihr vierhundert Stimmen Gnade riefen, indem<lb/> er bloß ein kunſtreiches Lied (in mancherlei romaniſchen Dia-<lb/> lecten) <note place="foot" n="83)">In der vor mir liegenden <hi rendition="#aq">ed. Firenze</hi> 1572. 4. iſt das Lied<lb/> hoͤchſt incorrect abgedruckt und an mehrern Stellen dunkel.<lb/> Hoffentlich hat es <hi rendition="#g">Manni</hi> in ſeiner critiſchen Ausgabe ver-<lb/> beſſert.</note> verfaßte, das Wort <hi rendition="#aq">merces</hi> nicht fehlen ließ und<lb/> die ganze Hofverſammlung leicht zum Mitſingen bewegte. —<lb/> Damals erhoben ſich nach gehaltenem Spiel die Ritter ihres<lb/> Ruhms, oder ihrer Liebe, oder anderer Gluͤcksguͤter, auch<lb/> wurde auf Bitten oͤffentlich geſungen. Unter andern ſtehen<lb/> nun folgende, fuͤr uns wichtige Worte da: <hi rendition="#aq">i cavalieri e don-<lb/> zelli, che erano giulivi e gai, si faceano di belle canzoni<lb/> e’l suono e’l motto,</hi> (nach Wort und Weiſe) <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">e quattro ap-<lb/> provatori</hi></hi> (Merker, Pruͤfer) <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">erano stabiliti, che quelle, che<lb/> haveano valore, ſaceano mettere in conto; e l’altro a chi<lb/> l’havea ſatte, diceano che le migliorasse.</hi></hi> Was ſich hier-<lb/> aus fuͤr den Zuſammenhang der provenzaliſchen mit unſerer<lb/> Dichtkunſt ſchließen laͤßt, werde ich unten eroͤrtern. Hier ge-<lb/> nuͤgt es, daß eine aͤußere Aufſicht, folglich Regel fuͤr den freie-<lb/> ſten Geſang gegolten, und wir finden nicht anders als in un-<lb/> ſern Meiſterſingſchulen des 16ten u. 17ten Jahrhunderts vier<lb/> Merker ſitzen, welche auf die geſungenen Lieder Acht geben,<lb/> die nach ihrer Einſicht geltenden aufzeichnen und dadurch billi-<lb/> gen, den Verfaſſern der ſchlechtern aber anempfehlen, ſie zu<lb/> beſſern. In Deutſchland ſaßen ſpaͤterhin die Merker hinter<lb/> einem Vorhang, der eine hatte die lutheriſche Bibel vor ſich<lb/> liegen, um nach ihr die Sprachreinheit zu urtheilen, der zweite<lb/> achtete auf Weiſe, der dritte auf Reime oder auch wohl ein<lb/> vierter noch auf das Abſingen. Wir wiſſen nicht einmal, ob<lb/> die ſpaͤtern Merker auf einzelne Faͤlle oder laͤngere Zeit beſtellt<lb/> wurden und von wann an das Strafen nach den Silben an-<lb/> gefangen habe, wird noch ſchwerer auszumachen ſeyn. Ich<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [96/0106]
machen, daß ihr vierhundert Stimmen Gnade riefen, indem
er bloß ein kunſtreiches Lied (in mancherlei romaniſchen Dia-
lecten) 83) verfaßte, das Wort merces nicht fehlen ließ und
die ganze Hofverſammlung leicht zum Mitſingen bewegte. —
Damals erhoben ſich nach gehaltenem Spiel die Ritter ihres
Ruhms, oder ihrer Liebe, oder anderer Gluͤcksguͤter, auch
wurde auf Bitten oͤffentlich geſungen. Unter andern ſtehen
nun folgende, fuͤr uns wichtige Worte da: i cavalieri e don-
zelli, che erano giulivi e gai, si faceano di belle canzoni
e’l suono e’l motto, (nach Wort und Weiſe) e quattro ap-
provatori (Merker, Pruͤfer) erano stabiliti, che quelle, che
haveano valore, ſaceano mettere in conto; e l’altro a chi
l’havea ſatte, diceano che le migliorasse. Was ſich hier-
aus fuͤr den Zuſammenhang der provenzaliſchen mit unſerer
Dichtkunſt ſchließen laͤßt, werde ich unten eroͤrtern. Hier ge-
nuͤgt es, daß eine aͤußere Aufſicht, folglich Regel fuͤr den freie-
ſten Geſang gegolten, und wir finden nicht anders als in un-
ſern Meiſterſingſchulen des 16ten u. 17ten Jahrhunderts vier
Merker ſitzen, welche auf die geſungenen Lieder Acht geben,
die nach ihrer Einſicht geltenden aufzeichnen und dadurch billi-
gen, den Verfaſſern der ſchlechtern aber anempfehlen, ſie zu
beſſern. In Deutſchland ſaßen ſpaͤterhin die Merker hinter
einem Vorhang, der eine hatte die lutheriſche Bibel vor ſich
liegen, um nach ihr die Sprachreinheit zu urtheilen, der zweite
achtete auf Weiſe, der dritte auf Reime oder auch wohl ein
vierter noch auf das Abſingen. Wir wiſſen nicht einmal, ob
die ſpaͤtern Merker auf einzelne Faͤlle oder laͤngere Zeit beſtellt
wurden und von wann an das Strafen nach den Silben an-
gefangen habe, wird noch ſchwerer auszumachen ſeyn. Ich
83) In der vor mir liegenden ed. Firenze 1572. 4. iſt das Lied
hoͤchſt incorrect abgedruckt und an mehrern Stellen dunkel.
Hoffentlich hat es Manni in ſeiner critiſchen Ausgabe ver-
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/106>, abgerufen am 16.02.2025. |