Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.wandt, als mit sich selbst, sein späteres mit seinem früheren, Dieß ist meine Ansicht von Minne- und Meistergesang, 202) Da ich oben Note 1. der Abhandlung v. d. Hagens über den
Meistergesang gedacht habe, so finde auch hier sein dem unse- ren ganz entgegen stehender Schluß einen Platz: "der Meister- gesang war und ist ganz etwas neues und eigenes; der frühere Minnegesang war schon ganz verschollen und für jenen so gut, wie gar nicht vorhanden und ist und bedeutet in der That und Wahrheit im innersten Geist und Form, so wie in der äußeren Erscheinung und Umgebung, durchaus etwas Anderes, Höheres." wandt, als mit ſich ſelbſt, ſein ſpaͤteres mit ſeinem fruͤheren, Dieß iſt meine Anſicht von Minne- und Meiſtergeſang, 202) Da ich oben Note 1. der Abhandlung v. d. Hagens uͤber den
Meiſtergeſang gedacht habe, ſo finde auch hier ſein dem unſe- ren ganz entgegen ſtehender Schluß einen Platz: „der Meiſter- geſang war und iſt ganz etwas neues und eigenes; der fruͤhere Minnegeſang war ſchon ganz verſchollen und fuͤr jenen ſo gut, wie gar nicht vorhanden und iſt und bedeutet in der That und Wahrheit im innerſten Geiſt und Form, ſo wie in der aͤußeren Erſcheinung und Umgebung, durchaus etwas Anderes, Hoͤheres.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0181" n="171"/> wandt, als mit ſich ſelbſt, ſein ſpaͤteres mit ſeinem fruͤheren,<lb/> ſein fruͤheres mit ſeinem ſpaͤteren. In der Haͤrte und Be-<lb/> ſtimmtheit ſpaͤterer Regel und Terminologie mag faſt noch<lb/> uͤberall die fruͤhere Weichheit und Allgemeinheit wieder gefun-<lb/> den werden. Minne- und Meiſtergeſang ſind <hi rendition="#g">eine</hi> Pflanze,<lb/> die erſt ſuͤß war, hernach im Alter herb, und die verholzen<lb/> mußte; aber wo wir nicht zum Saft ihrer Jugend zuruͤckgehen,<lb/> verſtehen wir nimmer die Zweige und Aeſte, die daraus ge-<lb/> trieben haben <note place="foot" n="202)">Da ich oben Note 1. der Abhandlung v. d. <hi rendition="#g">Hagens</hi> uͤber den<lb/> Meiſtergeſang gedacht habe, ſo finde auch hier ſein dem unſe-<lb/> ren ganz entgegen ſtehender Schluß einen Platz: „der Meiſter-<lb/> geſang war und iſt ganz etwas neues und eigenes; der fruͤhere<lb/> Minnegeſang war ſchon ganz verſchollen und fuͤr jenen ſo gut,<lb/> wie gar nicht vorhanden und iſt und bedeutet in der That und<lb/> Wahrheit im innerſten Geiſt und Form, ſo wie in der aͤußeren<lb/> Erſcheinung und Umgebung, durchaus etwas Anderes, Hoͤheres.“</note>. Dieſe Dichter ſtifteten eine Schule,<lb/> menſchliches Fachwerk in eine himmliſche Gabe; als der Zau-<lb/> ber von den Banden gewichen, als nichts mehr da war, wie<lb/> ein leeres Geruͤſt, ließ ſich jene nicht laͤnger halten. Wann<lb/> das Haus ausgewohnt iſt, geht es zuſammen, waͤhrend mit-<lb/> ten in Schutt und warmer Aſche die ſinnenden Menſchen Ge-<lb/> danken und Kraft zu dem neuen Bau geſammelt haben.</p><lb/> <p>Dieß iſt meine Anſicht von Minne- und Meiſtergeſang,<lb/> man hat mir geſagt, zuerſt Herr <hi rendition="#g">Docen</hi> und (nach ihm) ein<lb/> Recenſent des altdeutſchen Muſeums in der Halliſchen Lit. Z.,<lb/> daß ſie nicht neu waͤre, wenn ich ſie auch nirgends geborgt<lb/> haͤtte. Daran laͤge nichts, wenn nur die Beweiſe neu ſind<lb/> fuͤr eine Sache, deren anfaͤngliche Erwaͤhnung <hi rendition="#g">Docen</hi> nur<lb/> mittelſt eines „ſogar“ einleiten mochte. Er ſcheint alſo ſchon<lb/> damals auf ein Paar Worte Adelungs nicht viel gegeben zu<lb/> haben, die er mir in der Folge nachgewieſen (Seite 100.)<lb/> In der That, ſo beruht auch Adelungs ganze Aeußerung<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [171/0181]
wandt, als mit ſich ſelbſt, ſein ſpaͤteres mit ſeinem fruͤheren,
ſein fruͤheres mit ſeinem ſpaͤteren. In der Haͤrte und Be-
ſtimmtheit ſpaͤterer Regel und Terminologie mag faſt noch
uͤberall die fruͤhere Weichheit und Allgemeinheit wieder gefun-
den werden. Minne- und Meiſtergeſang ſind eine Pflanze,
die erſt ſuͤß war, hernach im Alter herb, und die verholzen
mußte; aber wo wir nicht zum Saft ihrer Jugend zuruͤckgehen,
verſtehen wir nimmer die Zweige und Aeſte, die daraus ge-
trieben haben 202). Dieſe Dichter ſtifteten eine Schule,
menſchliches Fachwerk in eine himmliſche Gabe; als der Zau-
ber von den Banden gewichen, als nichts mehr da war, wie
ein leeres Geruͤſt, ließ ſich jene nicht laͤnger halten. Wann
das Haus ausgewohnt iſt, geht es zuſammen, waͤhrend mit-
ten in Schutt und warmer Aſche die ſinnenden Menſchen Ge-
danken und Kraft zu dem neuen Bau geſammelt haben.
Dieß iſt meine Anſicht von Minne- und Meiſtergeſang,
man hat mir geſagt, zuerſt Herr Docen und (nach ihm) ein
Recenſent des altdeutſchen Muſeums in der Halliſchen Lit. Z.,
daß ſie nicht neu waͤre, wenn ich ſie auch nirgends geborgt
haͤtte. Daran laͤge nichts, wenn nur die Beweiſe neu ſind
fuͤr eine Sache, deren anfaͤngliche Erwaͤhnung Docen nur
mittelſt eines „ſogar“ einleiten mochte. Er ſcheint alſo ſchon
damals auf ein Paar Worte Adelungs nicht viel gegeben zu
haben, die er mir in der Folge nachgewieſen (Seite 100.)
In der That, ſo beruht auch Adelungs ganze Aeußerung
202) Da ich oben Note 1. der Abhandlung v. d. Hagens uͤber den
Meiſtergeſang gedacht habe, ſo finde auch hier ſein dem unſe-
ren ganz entgegen ſtehender Schluß einen Platz: „der Meiſter-
geſang war und iſt ganz etwas neues und eigenes; der fruͤhere
Minnegeſang war ſchon ganz verſchollen und fuͤr jenen ſo gut,
wie gar nicht vorhanden und iſt und bedeutet in der That und
Wahrheit im innerſten Geiſt und Form, ſo wie in der aͤußeren
Erſcheinung und Umgebung, durchaus etwas Anderes, Hoͤheres.“
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