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Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.

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Noch wären aus den hier abgedruckten Liedern und dem Ha-
genschen Commentar für die Namen und Abtheilungen mehrerer
Meistertöne interessante Nachrichten zu nehmen, der abgespitzte Ton
Conrads (110. m. Abh.) muß offenbar in "Aspiston" hergestellt
werden, auch wird vielleicht Wagenseil S. 161. gegen meine Note
95. entschuldigt, und daß innere Erweiterungen den Ton nicht ge-
rade abändern (N. 97. m. Abh.) neu belegt. Ich enthalte mich
aber in diesen Theil des Gegenstands weiter einzugehen; ist erst
einmal der Meistergesang anerkannt, so kann sicherer und unbefan-
gener über die Geschichte gewisser Meistertöne gehandelt werden;
von der Richtigkeit der hier im Druck beibehaltenen Abtheilungen
bin ich um so weniger überzeugt, als dabei offenbare Nachlässig-
keiten mitunter laufen, z. B. in der zweiten Strophe des letzten
Lieds ist der deutliche zweite Reim des Abgesangs auszurücken
vergessen worden.

Docen hat in demselben Heft des Mus. S. 18 -- 29. einen an-
dern, für mich nicht weniger zeugenden Meistergesang Hornburgs
edirt. Vorerst ein neuer Beleg zur sagenhaften Anwendung der
Zwölfmeisterzahl. Dann wieder die dem Ton nicht schadende Va-
rietät im langen Marner. Die Anrede: Gesangesfreund (S. 92.
m. A.) und die unleugbare Meisterversammlung. Warum wun-
dert sich Herr Docen nicht ein wenig über den Meistersinger Nit-
hart? Das "parat" kommt zu der vorhin gemachten Anmerkung;
auch Wizlau gebraucht "parteren" (CCCLX.). Das "fundelen"
gehört zu meiner Note 146, auch bei Frauenlob im Weim. Codex
(mihi Nr. 65.) steht "fundelern." S. 23. wird die von mir (S.
84. 85.) widerlegte Interpretation von "zwigenge" versucht, wenn
es nur "zwigengen" hieße, so wäre es scheinbarer. Die Aeuße-
rung, daß Walter, Eschenbach u. a. durchgängig den Minnesang
geübt, Reimar v. Zw. aber seine Ansprüche (!) auf Erfindung
reizender Lieder und musikalische Composition aufgegeben, und sich
zuerst (?) auf moralischen lehrenden Inhalt beschränkt habe"
(S. 26.), wird mir Docen mit nichts wahrmachen können.

Es gehört noch viel dazu, und die bisherigen Arbeiten zeigen
das überall, bis wir die Geschichte unserer Meisterkunst in das ver-
diente Licht setzen; statt, daß ich hier einige flüchtige Zusätze ge-
macht, hätte ich freilich den Reichthum des neuen Materials lie-
ber reiflich in meine Abhandlung verarbeitet; wenn man dieser die
Quellen, worauf ich beschränkt war, ansieht, so ist es mir gewisser-
maßen ein erfreulicher Verdienst, daß ich die Wahrheit, von An-
fang an gegen meine beiden Widerstreiter, denen bessere Hülfs-
mittel zu Gebot standen, erkannt und vertheidigt habe.



Noch waͤren aus den hier abgedruckten Liedern und dem Ha-
genſchen Commentar fuͤr die Namen und Abtheilungen mehrerer
Meiſtertoͤne intereſſante Nachrichten zu nehmen, der abgeſpitzte Ton
Conrads (110. m. Abh.) muß offenbar in „Aſpiston“ hergeſtellt
werden, auch wird vielleicht Wagenſeil S. 161. gegen meine Note
95. entſchuldigt, und daß innere Erweiterungen den Ton nicht ge-
rade abaͤndern (N. 97. m. Abh.) neu belegt. Ich enthalte mich
aber in dieſen Theil des Gegenſtands weiter einzugehen; iſt erſt
einmal der Meiſtergeſang anerkannt, ſo kann ſicherer und unbefan-
gener uͤber die Geſchichte gewiſſer Meiſtertoͤne gehandelt werden;
von der Richtigkeit der hier im Druck beibehaltenen Abtheilungen
bin ich um ſo weniger uͤberzeugt, als dabei offenbare Nachlaͤſſig-
keiten mitunter laufen, z. B. in der zweiten Strophe des letzten
Lieds iſt der deutliche zweite Reim des Abgeſangs auszuruͤcken
vergeſſen worden.

Docen hat in demſelben Heft des Muſ. S. 18 — 29. einen an-
dern, fuͤr mich nicht weniger zeugenden Meiſtergeſang Hornburgs
edirt. Vorerſt ein neuer Beleg zur ſagenhaften Anwendung der
Zwoͤlfmeiſterzahl. Dann wieder die dem Ton nicht ſchadende Va-
rietaͤt im langen Marner. Die Anrede: Geſangesfreund (S. 92.
m. A.) und die unleugbare Meiſterverſammlung. Warum wun-
dert ſich Herr Docen nicht ein wenig uͤber den Meiſterſinger Nit-
hart? Das „parat“ kommt zu der vorhin gemachten Anmerkung;
auch Wizlau gebraucht „parteren“ (CCCLX.). Das „fundelen“
gehoͤrt zu meiner Note 146, auch bei Frauenlob im Weim. Codex
(mihi Nr. 65.) ſteht „fundelern.“ S. 23. wird die von mir (S.
84. 85.) widerlegte Interpretation von „zwigenge“ verſucht, wenn
es nur „zwigengen“ hieße, ſo waͤre es ſcheinbarer. Die Aeuße-
rung, daß Walter, Eſchenbach u. a. durchgaͤngig den Minneſang
geuͤbt, Reimar v. Zw. aber ſeine Anſpruͤche (!) auf Erfindung
reizender Lieder und muſikaliſche Compoſition aufgegeben, und ſich
zuerſt (?) auf moraliſchen lehrenden Inhalt beſchraͤnkt habe“
(S. 26.), wird mir Docen mit nichts wahrmachen koͤnnen.

Es gehoͤrt noch viel dazu, und die bisherigen Arbeiten zeigen
das uͤberall, bis wir die Geſchichte unſerer Meiſterkunſt in das ver-
diente Licht ſetzen; ſtatt, daß ich hier einige fluͤchtige Zuſaͤtze ge-
macht, haͤtte ich freilich den Reichthum des neuen Materials lie-
ber reiflich in meine Abhandlung verarbeitet; wenn man dieſer die
Quellen, worauf ich beſchraͤnkt war, anſieht, ſo iſt es mir gewiſſer-
maßen ein erfreulicher Verdienſt, daß ich die Wahrheit, von An-
fang an gegen meine beiden Widerſtreiter, denen beſſere Huͤlfs-
mittel zu Gebot ſtanden, erkannt und vertheidigt habe.



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[194/0204] Noch waͤren aus den hier abgedruckten Liedern und dem Ha- genſchen Commentar fuͤr die Namen und Abtheilungen mehrerer Meiſtertoͤne intereſſante Nachrichten zu nehmen, der abgeſpitzte Ton Conrads (110. m. Abh.) muß offenbar in „Aſpiston“ hergeſtellt werden, auch wird vielleicht Wagenſeil S. 161. gegen meine Note 95. entſchuldigt, und daß innere Erweiterungen den Ton nicht ge- rade abaͤndern (N. 97. m. Abh.) neu belegt. Ich enthalte mich aber in dieſen Theil des Gegenſtands weiter einzugehen; iſt erſt einmal der Meiſtergeſang anerkannt, ſo kann ſicherer und unbefan- gener uͤber die Geſchichte gewiſſer Meiſtertoͤne gehandelt werden; von der Richtigkeit der hier im Druck beibehaltenen Abtheilungen bin ich um ſo weniger uͤberzeugt, als dabei offenbare Nachlaͤſſig- keiten mitunter laufen, z. B. in der zweiten Strophe des letzten Lieds iſt der deutliche zweite Reim des Abgeſangs auszuruͤcken vergeſſen worden. Docen hat in demſelben Heft des Muſ. S. 18 — 29. einen an- dern, fuͤr mich nicht weniger zeugenden Meiſtergeſang Hornburgs edirt. Vorerſt ein neuer Beleg zur ſagenhaften Anwendung der Zwoͤlfmeiſterzahl. Dann wieder die dem Ton nicht ſchadende Va- rietaͤt im langen Marner. Die Anrede: Geſangesfreund (S. 92. m. A.) und die unleugbare Meiſterverſammlung. Warum wun- dert ſich Herr Docen nicht ein wenig uͤber den Meiſterſinger Nit- hart? Das „parat“ kommt zu der vorhin gemachten Anmerkung; auch Wizlau gebraucht „parteren“ (CCCLX.). Das „fundelen“ gehoͤrt zu meiner Note 146, auch bei Frauenlob im Weim. Codex (mihi Nr. 65.) ſteht „fundelern.“ S. 23. wird die von mir (S. 84. 85.) widerlegte Interpretation von „zwigenge“ verſucht, wenn es nur „zwigengen“ hieße, ſo waͤre es ſcheinbarer. Die Aeuße- rung, daß Walter, Eſchenbach u. a. durchgaͤngig den Minneſang geuͤbt, Reimar v. Zw. aber ſeine Anſpruͤche (!) auf Erfindung reizender Lieder und muſikaliſche Compoſition aufgegeben, und ſich zuerſt (?) auf moraliſchen lehrenden Inhalt beſchraͤnkt habe“ (S. 26.), wird mir Docen mit nichts wahrmachen koͤnnen. Es gehoͤrt noch viel dazu, und die bisherigen Arbeiten zeigen das uͤberall, bis wir die Geſchichte unſerer Meiſterkunſt in das ver- diente Licht ſetzen; ſtatt, daß ich hier einige fluͤchtige Zuſaͤtze ge- macht, haͤtte ich freilich den Reichthum des neuen Materials lie- ber reiflich in meine Abhandlung verarbeitet; wenn man dieſer die Quellen, worauf ich beſchraͤnkt war, anſieht, ſo iſt es mir gewiſſer- maßen ein erfreulicher Verdienſt, daß ich die Wahrheit, von An- fang an gegen meine beiden Widerſtreiter, denen beſſere Huͤlfs- mittel zu Gebot ſtanden, erkannt und vertheidigt habe.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/204>, abgerufen am 22.11.2024.