Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.Es scheint, daß der proponirende Theil auch befugt war, Es ist hier gar nicht der Ort, meine Meinung über den 63) Wenigstens früher. Cf. Reinmar v. Zw. 2. 129. Str.
"Turniren was" etc. Es ſcheint, daß der proponirende Theil auch befugt war, Es iſt hier gar nicht der Ort, meine Meinung uͤber den 63) Wenigſtens fruͤher. Cf. Reinmar v. Zw. 2. 129. Str.
„Turniren was“ ꝛc. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0088" n="78"/> <p>Es ſcheint, daß der proponirende Theil auch befugt war,<lb/> die Richter des Streits zu waͤhlen, ſie werden hier Kieſer oder<lb/> Merker genannt, und daß ſie ihre Wuͤrde geltend gemacht,<lb/> erhellt z. B. aus der 48ſten Str. des Jen. Cod., wo es heißt:<lb/> „da wurde geklagt, er haͤtte ſich verſprochen“, auch der Gries-<lb/> wart fehlte nicht. Alles das erinnert an die Ritterſpiele uͤber-<lb/> haupt. Was an einem Tag nicht ausgeſungen wurde, konnte<lb/> an einem andern fortgeſetzt werden, unſer ganzer Krieg geht<lb/> zu verſchiedenen Zeiten vor, und einmal liegt ein langer Raum<lb/> dazwiſchen. Beſonders merkwuͤrdig iſt endlich die Bedingung<lb/> des Streits, nicht dem Sieger waren Kraͤnze oder Preiſe aus-<lb/> geſetzt, ſondern dem Beſiegten Strafen, der Kampf ging auf<lb/> Tod oder Leben, der Unterliegende ſollte in Henkershaͤnde kom-<lb/> men, allmaͤlig wuchs die Erbitterung der Parteien ſo, daß<lb/> „ohne Friede“ ſollte geſungen werden. Die Bedingung des<lb/> Kampfs mag mithin weniger in der Sitte gegeben geweſen,<lb/> als jedesmal fuͤr die einzelnen Faͤlle von den Streitenden ſelbſt<lb/> beſtimmt worden ſeyn. Der Ernſt aber, welcher hier in die<lb/> Kunſt der Poeſie gelegt wird, iſt ſo ſtreng und hart, daß man<lb/> um deswillen an der Wirklichkeit des Ereigniſſes zweifeln<lb/> moͤchte, zumal da es bei den Turnieren gewoͤhnlich nur auf<lb/> ein erluſtigendes Spiel abgeſehen wurde <note place="foot" n="63)">Wenigſtens fruͤher. <hi rendition="#aq">Cf.</hi> <hi rendition="#g">Reinmar</hi> v. Zw. 2. 129. Str.<lb/> „Turniren was“ ꝛc.</note>.</p><lb/> <p>Es iſt hier gar nicht der Ort, meine Meinung uͤber den<lb/> Wartburger Krieg, und uͤber Klinſors geheimnißvolles Dazwi-<lb/> ſchentreten, vollſtaͤndig darzulegen, ich kann nur erklaͤren, daß<lb/> ſie derjenigen vermuthlich ganz entgegenſteht, welche darin der<lb/> Sache nach bloße Allegorie, der Form nach, die Arbeit eines<lb/> einzigen Dichters erblickt. Ich gebe zu, daß manche Stellen<lb/> ſpaͤter und anderwaͤrts interpolirt worden, allein annehmen,<lb/> Eſchenbach habe das Ganze verfaßt, hieße faſt das Factum<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0088]
Es ſcheint, daß der proponirende Theil auch befugt war,
die Richter des Streits zu waͤhlen, ſie werden hier Kieſer oder
Merker genannt, und daß ſie ihre Wuͤrde geltend gemacht,
erhellt z. B. aus der 48ſten Str. des Jen. Cod., wo es heißt:
„da wurde geklagt, er haͤtte ſich verſprochen“, auch der Gries-
wart fehlte nicht. Alles das erinnert an die Ritterſpiele uͤber-
haupt. Was an einem Tag nicht ausgeſungen wurde, konnte
an einem andern fortgeſetzt werden, unſer ganzer Krieg geht
zu verſchiedenen Zeiten vor, und einmal liegt ein langer Raum
dazwiſchen. Beſonders merkwuͤrdig iſt endlich die Bedingung
des Streits, nicht dem Sieger waren Kraͤnze oder Preiſe aus-
geſetzt, ſondern dem Beſiegten Strafen, der Kampf ging auf
Tod oder Leben, der Unterliegende ſollte in Henkershaͤnde kom-
men, allmaͤlig wuchs die Erbitterung der Parteien ſo, daß
„ohne Friede“ ſollte geſungen werden. Die Bedingung des
Kampfs mag mithin weniger in der Sitte gegeben geweſen,
als jedesmal fuͤr die einzelnen Faͤlle von den Streitenden ſelbſt
beſtimmt worden ſeyn. Der Ernſt aber, welcher hier in die
Kunſt der Poeſie gelegt wird, iſt ſo ſtreng und hart, daß man
um deswillen an der Wirklichkeit des Ereigniſſes zweifeln
moͤchte, zumal da es bei den Turnieren gewoͤhnlich nur auf
ein erluſtigendes Spiel abgeſehen wurde 63).
Es iſt hier gar nicht der Ort, meine Meinung uͤber den
Wartburger Krieg, und uͤber Klinſors geheimnißvolles Dazwi-
ſchentreten, vollſtaͤndig darzulegen, ich kann nur erklaͤren, daß
ſie derjenigen vermuthlich ganz entgegenſteht, welche darin der
Sache nach bloße Allegorie, der Form nach, die Arbeit eines
einzigen Dichters erblickt. Ich gebe zu, daß manche Stellen
ſpaͤter und anderwaͤrts interpolirt worden, allein annehmen,
Eſchenbach habe das Ganze verfaßt, hieße faſt das Factum
63) Wenigſtens fruͤher. Cf. Reinmar v. Zw. 2. 129. Str.
„Turniren was“ ꝛc.
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