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Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.

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darunter eine bessere, ruhigere Zeit verstehen? Den Gedan-
ken hat übrigens Marner nachgesungen 2. 173 a. oben.


Derselbe Walter (1. 106.):
Dis bispel ist zemerkene blint
swas nu davon geschehe, meister, das vint 74).

7. Singenberg (1. 152.): könnte ich singen, das unter sechsen
zweien daüchte gut. Sollte das darauf deuten, daß die Billi-
gung anderer Meister ein Lied besonders gut gemacht hätte? so
wünscht auch Walter (1. 105.) ein untadelhaftes, ungehaßtes
Lied zu Stand zu bringen, er könne den Redereichen nicht in
allem zu Dank singen. Frauenlob am Schluß eines Lieds
(Docen Misc. 2. 280) ruft aus: "besiegelt mir dieß Lied,
es sollens die besten sehen," man mag nun hierbei an ein
schriftliches Eintragen oder bloß mündliche Billigung der übri-
gen gegenwärtigen Meister denken. Siehe auch Helleviur v. 61.

8. Besondere Aufmerksamkeit verdienen hier die Erwähnun-
gen älterer Meister. Walter in dem schon angeführten Lied
1. 120. sagt, die Zweifler klagten es sey alles todt, (also
schon so frühe!) auf den Gesangtag werde man aber schon sin-
gen hören. Selbst kleinmüthig klagt er in einem andern Liede
über den verdorbenen Gesang und des Reimars Tod (1. 105.)

Marner (2. 173.): "lebte sein Meister Herr Walter von
der Vogelweide, der Venis, der von Rugge, die zwei Reimar,
Heinrich Veldeck, Wachsmut, Rubin und Neithart, welche von
Minne, Heide, Blumen und Vögeln sangen, aus deren Gar-
ten und Sprüchen er Blumen lese, so wollte er sie zu Zeugen
nehmen. Doch lebten noch andere Sangesmeister und so möge
ihm sein Herr von Heinberg, dem Rede, Wort und Reim in
Sprüchen kund seyen, zeugen, daß er mit Sange niemand

74) Gerade so der Sunnenburg CCCCIV., nachdem er ein Räthsel
von einem wunderbaren Frauenbild vorgelegt:
"der vrouwen namen meyster untrat!"

darunter eine beſſere, ruhigere Zeit verſtehen? Den Gedan-
ken hat uͤbrigens Marner nachgeſungen 2. 173 a. oben.


Derſelbe Walter (1. 106.):
Dis biſpel iſt zemerkene blint
ſwas nu davon geſchehe, meiſter, das vint 74).

7. Singenberg (1. 152.): koͤnnte ich ſingen, das unter ſechſen
zweien dauͤchte gut. Sollte das darauf deuten, daß die Billi-
gung anderer Meiſter ein Lied beſonders gut gemacht haͤtte? ſo
wuͤnſcht auch Walter (1. 105.) ein untadelhaftes, ungehaßtes
Lied zu Stand zu bringen, er koͤnne den Redereichen nicht in
allem zu Dank ſingen. Frauenlob am Schluß eines Lieds
(Docen Miſc. 2. 280) ruft aus: „beſiegelt mir dieß Lied,
es ſollens die beſten ſehen,“ man mag nun hierbei an ein
ſchriftliches Eintragen oder bloß muͤndliche Billigung der uͤbri-
gen gegenwaͤrtigen Meiſter denken. Siehe auch Helleviur v. 61.

8. Beſondere Aufmerkſamkeit verdienen hier die Erwaͤhnun-
gen aͤlterer Meiſter. Walter in dem ſchon angefuͤhrten Lied
1. 120. ſagt, die Zweifler klagten es ſey alles todt, (alſo
ſchon ſo fruͤhe!) auf den Geſangtag werde man aber ſchon ſin-
gen hoͤren. Selbſt kleinmuͤthig klagt er in einem andern Liede
uͤber den verdorbenen Geſang und des Reimars Tod (1. 105.)

Marner (2. 173.): „lebte ſein Meiſter Herr Walter von
der Vogelweide, der Venis, der von Rugge, die zwei Reimar,
Heinrich Veldeck, Wachsmut, Rubin und Neithart, welche von
Minne, Heide, Blumen und Voͤgeln ſangen, aus deren Gar-
ten und Spruͤchen er Blumen leſe, ſo wollte er ſie zu Zeugen
nehmen. Doch lebten noch andere Sangesmeiſter und ſo moͤge
ihm ſein Herr von Heinberg, dem Rede, Wort und Reim in
Spruͤchen kund ſeyen, zeugen, daß er mit Sange niemand

74) Gerade ſo der Sunnenburg CCCCIV., nachdem er ein Raͤthſel
von einem wunderbaren Frauenbild vorgelegt:
„der vrouwen namen meyſter untrat!“
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[88/0098] darunter eine beſſere, ruhigere Zeit verſtehen? Den Gedan- ken hat uͤbrigens Marner nachgeſungen 2. 173 a. oben. Derſelbe Walter (1. 106.): Dis biſpel iſt zemerkene blint ſwas nu davon geſchehe, meiſter, das vint 74). 7. Singenberg (1. 152.): koͤnnte ich ſingen, das unter ſechſen zweien dauͤchte gut. Sollte das darauf deuten, daß die Billi- gung anderer Meiſter ein Lied beſonders gut gemacht haͤtte? ſo wuͤnſcht auch Walter (1. 105.) ein untadelhaftes, ungehaßtes Lied zu Stand zu bringen, er koͤnne den Redereichen nicht in allem zu Dank ſingen. Frauenlob am Schluß eines Lieds (Docen Miſc. 2. 280) ruft aus: „beſiegelt mir dieß Lied, es ſollens die beſten ſehen,“ man mag nun hierbei an ein ſchriftliches Eintragen oder bloß muͤndliche Billigung der uͤbri- gen gegenwaͤrtigen Meiſter denken. Siehe auch Helleviur v. 61. 8. Beſondere Aufmerkſamkeit verdienen hier die Erwaͤhnun- gen aͤlterer Meiſter. Walter in dem ſchon angefuͤhrten Lied 1. 120. ſagt, die Zweifler klagten es ſey alles todt, (alſo ſchon ſo fruͤhe!) auf den Geſangtag werde man aber ſchon ſin- gen hoͤren. Selbſt kleinmuͤthig klagt er in einem andern Liede uͤber den verdorbenen Geſang und des Reimars Tod (1. 105.) Marner (2. 173.): „lebte ſein Meiſter Herr Walter von der Vogelweide, der Venis, der von Rugge, die zwei Reimar, Heinrich Veldeck, Wachsmut, Rubin und Neithart, welche von Minne, Heide, Blumen und Voͤgeln ſangen, aus deren Gar- ten und Spruͤchen er Blumen leſe, ſo wollte er ſie zu Zeugen nehmen. Doch lebten noch andere Sangesmeiſter und ſo moͤge ihm ſein Herr von Heinberg, dem Rede, Wort und Reim in Spruͤchen kund ſeyen, zeugen, daß er mit Sange niemand 74) Gerade ſo der Sunnenburg CCCCIV., nachdem er ein Raͤthſel von einem wunderbaren Frauenbild vorgelegt: „der vrouwen namen meyſter untrat!“

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/98>, abgerufen am 21.11.2024.