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Grimm, Albert Ludwig: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes. Darmstadt, 1843.

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ersten Mai fällt, - diess Alles führt zu der Vermuthung, dass diese Gegend schon vor der Ausbreitung des Christenthums, ja schon vor dem Aufenthalte der Römer ein heilig geachteter Ort gewesen. Vielleicht wurden die Römer selbst durch die frühere Heilighaltung desselben zur Errichtung eines Altares für den Flussgott Visucius veranlasst.

Von ihrem Ursprunge fliesst die Weschnitz in einem nördlichen Bogen an Brombach und Kreckelbach vorbei nach dem Hessischen Flecken Fürth, dem Sitze eines Landgerichts, wo sich die beiden von der Bergstrasse über Heppenheim und über Weinheim in den Odenwald ziehenden Landstrassen kreuzen und dann östlich und nördlich weiter ziehen. Hier erweitert sich das Thal durch mehrere an dieser Stelle einmündende Seitenthälchen, und wird auch fruchtbarer als weiter oben. In dem alten Zinsbuche von 1369 heisst es Förte, in der Heppenheimer Markbeschreibung aber Furte.

Durch eines dieser Thälchen kommt das Kamsbächlein über Crumbach herab, durch das andere die Schlierbach, die eigentlich Thalbach heisst und von Breitenwiesen über Glattbach, Winkel, Schlierbach und Eulsbach herabkommt. Zwischen diesen Thälern erhebt sich allmählig ein hoher Bergrücken, an dessen westlichem Abhange, eine Stunde in nordnordwestlicher Richtung von Fürth, das kleine Städtchen Lindenfels und über demselben die Trümmer der gleichnamigen Burg liegen.

Dass auf der Stelle der Burg Lindenfels in den ersten Jahrhunderten ein Römerkastell gestanden, ist wohl möglich, doch ist die Vermuthung durch keine Gründe bestätigt. Die Gegend kam wohl unter den Frankenkönigen an das Kloster Lorsch, welches sie zu Lehen gab. Zuerst kommt in den noch vorhandenen Urkunden im Jahre 1123 ein Graf Bertolf von Lindenfels mit seinem Enkel Konrad vor; auch erschienen in den Jahren 1148 und 1165 noch Billung und Magenes von Lindenfels als Freye. Jener Graf Bertolf starb ohne Leibeserben, und Lindenfels kam an die Nachkommen seiner älteren Schwester und durch diese in der Folge an den Pfalzgrafen Konrad von Hohenstaufen. Mit Agnes, der Tochter dieses Pfalzgrafen, erheirathete es der Herzog Heinrich von Sachsen, der es ums Jahr 1211 bewohnte. Seine Tochter Irmgard brachte es ihrem Gemahle Herrmann zu, einem Markgrafen

ersten Mai fällt, – diess Alles führt zu der Vermuthung, dass diese Gegend schon vor der Ausbreitung des Christenthums, ja schon vor dem Aufenthalte der Römer ein heilig geachteter Ort gewesen. Vielleicht wurden die Römer selbst durch die frühere Heilighaltung desselben zur Errichtung eines Altares für den Flussgott Visucius veranlasst.

Von ihrem Ursprunge fliesst die Weschnitz in einem nördlichen Bogen an Brombach und Kreckelbach vorbei nach dem Hessischen Flecken Fürth, dem Sitze eines Landgerichts, wo sich die beiden von der Bergstrasse über Heppenheim und über Weinheim in den Odenwald ziehenden Landstrassen kreuzen und dann östlich und nördlich weiter ziehen. Hier erweitert sich das Thal durch mehrere an dieser Stelle einmündende Seitenthälchen, und wird auch fruchtbarer als weiter oben. In dem alten Zinsbuche von 1369 heisst es Förte, in der Heppenheimer Markbeschreibung aber Furte.

Durch eines dieser Thälchen kommt das Kamsbächlein über Crumbach herab, durch das andere die Schlierbach, die eigentlich Thalbach heisst und von Breitenwiesen über Glattbach, Winkel, Schlierbach und Eulsbach herabkommt. Zwischen diesen Thälern erhebt sich allmählig ein hoher Bergrücken, an dessen westlichem Abhange, eine Stunde in nordnordwestlicher Richtung von Fürth, das kleine Städtchen Lindenfels und über demselben die Trümmer der gleichnamigen Burg liegen.

Dass auf der Stelle der Burg Lindenfels in den ersten Jahrhunderten ein Römerkastell gestanden, ist wohl möglich, doch ist die Vermuthung durch keine Gründe bestätigt. Die Gegend kam wohl unter den Frankenkönigen an das Kloster Lorsch, welches sie zu Lehen gab. Zuerst kommt in den noch vorhandenen Urkunden im Jahre 1123 ein Graf Bertolf von Lindenfels mit seinem Enkel Konrad vor; auch erschienen in den Jahren 1148 und 1165 noch Billung und Magenes von Lindenfels als Freye. Jener Graf Bertolf starb ohne Leibeserben, und Lindenfels kam an die Nachkommen seiner älteren Schwester und durch diese in der Folge an den Pfalzgrafen Konrad von Hohenstaufen. Mit Agnes, der Tochter dieses Pfalzgrafen, erheirathete es der Herzog Heinrich von Sachsen, der es ums Jahr 1211 bewohnte. Seine Tochter Irmgard brachte es ihrem Gemahle Herrmann zu, einem Markgrafen

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[54/0054] ersten Mai fällt, – diess Alles führt zu der Vermuthung, dass diese Gegend schon vor der Ausbreitung des Christenthums, ja schon vor dem Aufenthalte der Römer ein heilig geachteter Ort gewesen. Vielleicht wurden die Römer selbst durch die frühere Heilighaltung desselben zur Errichtung eines Altares für den Flussgott Visucius veranlasst. Von ihrem Ursprunge fliesst die Weschnitz in einem nördlichen Bogen an Brombach und Kreckelbach vorbei nach dem Hessischen Flecken Fürth, dem Sitze eines Landgerichts, wo sich die beiden von der Bergstrasse über Heppenheim und über Weinheim in den Odenwald ziehenden Landstrassen kreuzen und dann östlich und nördlich weiter ziehen. Hier erweitert sich das Thal durch mehrere an dieser Stelle einmündende Seitenthälchen, und wird auch fruchtbarer als weiter oben. In dem alten Zinsbuche von 1369 heisst es Förte, in der Heppenheimer Markbeschreibung aber Furte. Durch eines dieser Thälchen kommt das Kamsbächlein über Crumbach herab, durch das andere die Schlierbach, die eigentlich Thalbach heisst und von Breitenwiesen über Glattbach, Winkel, Schlierbach und Eulsbach herabkommt. Zwischen diesen Thälern erhebt sich allmählig ein hoher Bergrücken, an dessen westlichem Abhange, eine Stunde in nordnordwestlicher Richtung von Fürth, das kleine Städtchen Lindenfels und über demselben die Trümmer der gleichnamigen Burg liegen. Dass auf der Stelle der Burg Lindenfels in den ersten Jahrhunderten ein Römerkastell gestanden, ist wohl möglich, doch ist die Vermuthung durch keine Gründe bestätigt. Die Gegend kam wohl unter den Frankenkönigen an das Kloster Lorsch, welches sie zu Lehen gab. Zuerst kommt in den noch vorhandenen Urkunden im Jahre 1123 ein Graf Bertolf von Lindenfels mit seinem Enkel Konrad vor; auch erschienen in den Jahren 1148 und 1165 noch Billung und Magenes von Lindenfels als Freye. Jener Graf Bertolf starb ohne Leibeserben, und Lindenfels kam an die Nachkommen seiner älteren Schwester und durch diese in der Folge an den Pfalzgrafen Konrad von Hohenstaufen. Mit Agnes, der Tochter dieses Pfalzgrafen, erheirathete es der Herzog Heinrich von Sachsen, der es ums Jahr 1211 bewohnte. Seine Tochter Irmgard brachte es ihrem Gemahle Herrmann zu, einem Markgrafen

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Zitationshilfe: Grimm, Albert Ludwig: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes. Darmstadt, 1843, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_odenwald_1843/54>, abgerufen am 25.05.2024.