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Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669.

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gangen/ mir selbsten vor Augen stellte/ und zu Ge-
müth führete/ daß gleichwohl der barmhertzige
GOtt unangesehen aller solchen groben Sünden/
mich bißher nit allein vor der ewigen Verdambnuß
bewahrt/ sonder Zeit und Gelegenheit geben hat
mich zu bessern/ zubekehren/ Jhn umb Verzeyhung
zu bitten/ und umb seine Gutthaten zudancken/ be-
schriebe ich alles was mir noch eingefallen/ in dieses
Buch so ich von obgemelten Blättern gemacht/ und
legte es sambt obgedachten meines Cammeraden
hinderlassenen Ducaten an diesen Orth/ damit wann
vielleicht über kurtz oder lang Leuth hieher kommen
solten/ sie solches finden und darauß abnehmen kön-
ten/ wer etwan hiebevor diese Jnsul bewohnet;
wird nun heut oder Morgen entweder vor oder nach
meinem Todt jemand diß finden und lesen/ denselben
bitte ich/ dafern er etwann Wörter darinn antrifft/
die einem/ der sich gern besserte/ nit zureden ge-
schweige zuschreiben wohl anstehen/ er wolle sich da-
rum nit ärgern; sondern gedencken/ daß die Erzeh-
lung leichter Händel und Geschichten auch bequeme
Wort erfordern solche an Tag zugeben; und gleich
wie die Maur-Rauth von keinem Regen leichtlich
naß wird/ also kan auch ein rechtschaffnes gottseliges
Gemüth nicht so gleich von einem jedwedern Di-
scurs,
er scheine auch leichtfertig als er wolle/ ange-
steckt/ vergifftet und verderbt werden; ein ehrlich ge-
sinnter Christlicher Leser/ wird sich vilmehr verwun-
dern und die Göttliche Barmhertzigkeit preysen/
wann er findet/ daß so ein schlimer Gesell wie ich
gewesen/ dannoch die Gnad von GOtt gehabt/ der
Welt zu resignirn, und in einem solchen Standt zu-

leben/

gangen/ mir ſelbſten vor Augen ſtellte/ und zu Ge-
muͤth fuͤhrete/ daß gleichwohl der barmhertzige
GOtt unangeſehen aller ſolchen groben Suͤnden/
mich bißher nit allein vor der ewigen Verdambnuß
bewahrt/ ſonder Zeit und Gelegenheit geben hat
mich zu beſſern/ zubekehren/ Jhn umb Verzeyhung
zu bitten/ und umb ſeine Gutthaten zudancken/ be-
ſchriebe ich alles was mir noch eingefallen/ in dieſes
Buch ſo ich von obgemelten Blaͤttern gemacht/ und
legte es ſambt obgedachten meines Cammeraden
hinderlaſſenen Ducaten an dieſen Orth/ damit wañ
vielleicht uͤber kurtz oder lang Leuth hieher kommen
ſolten/ ſie ſolches finden und darauß abnehmen koͤn-
ten/ wer etwan hiebevor dieſe Jnſul bewohnet;
wird nun heut oder Morgen entweder vor oder nach
meinem Todt jemand diß finden und leſen/ denſelben
bitte ich/ dafern er etwann Woͤrter darinn antrifft/
die einem/ der ſich gern beſſerte/ nit zureden ge-
ſchweige zuſchreiben wohl anſtehen/ er wolle ſich da-
rum nit aͤrgern; ſondern gedencken/ daß die Erzeh-
lung leichter Haͤndel und Geſchichten auch bequeme
Wort erfordern ſolche an Tag zugeben; und gleich
wie die Maur-Rauth von keinem Regen leichtlich
naß wird/ alſo kan auch ein rechtſchaffnes gottſeliges
Gemuͤth nicht ſo gleich von einem jedwedern Di-
ſcurs,
er ſcheine auch leichtfertig als er wolle/ ange-
ſteckt/ vergifftet und verderbt werden; ein ehrlich ge-
ſinnter Chriſtlicher Leſer/ wird ſich vilmehr verwun-
dern und die Goͤttliche Barmhertzigkeit preyſen/
wann er findet/ daß ſo ein ſchlimer Geſell wie ich
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Zitationshilfe: Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669/142>, abgerufen am 17.05.2024.