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Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669.

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anders etwas prosperiren wolte; weßwegen er dann
keine Gelegenheit verüber lauffen lieste/ seinem Herrn/
der ohne das sein Geld so unnützlich hinauß schlau-
terte/ abzuzwacken was er konte; im wenigsten be-
zahlte er keine Näherin oder Wäscherin/ deren er
ihren gewohnlichen Lohn nicht ringerte/ und was
er denen abbrach/ heimlich in seinen Beutel steckte;
kein Kleidflicker: oder Schuhschmirerlohn war so
klein den er seinen Herrn nicht vergrösserte und den
Uberfluß zu sich schobe; geschweige wie er in grossen
Außgaben per fas & nefas zu sich rapte und sackte/
wo er nur kont und möchte; die Sässelträger/ mit
denen sein Herr vil Geld hinrichtete/ verändert er
gleich/ wann sie ihm nit Part an ihren Verdienst
gaben/ der Bastedenbeck/ der Garkoch/ der Wein-
schänck/ der Holtzhändler/ der Fischverkauffer/ der
Beck und also andere Victualisten musten beynahe
ihren Gewinn mit ihm theilen/ wolten sie anders an
dem Iulo länger einen guten Kundten behalten;
dann er war dergestalt eingenommen/ seinem Her-
ren durch besitzung viles Gelds und Guts gleich zu-
werden/ als etwan hiebevor Lucifer/ da er wegen
seiner vom allerhöchsten verlihenen Gaben erkühnete/
seinem Stul an den mächtigen Thron des grossen
GOttes zusetzen; alfo lebten beyde Jüngling ohne
alle andere Anfechtungen zwar dahin/ ehe sie wahr-
namen wie sie lebten; dann Iulus war an zeitlicher
Haab ja so Reich als Avarus bedörfftig/ und deß-
wegen vermeinte jeder er verfahre seinen Stand
nach gar recht und wol/ ich wil sagen/ wie es eines
jeden Stand und Gelegenheit erfordere; jener zwar
seinen Reichtumb gemäß sich herrlich und prächtig
zuerzaigen/ dieser aber seiner Armuth zuhülff zu-

kom-

anders etwas proſperiren wolte; weßwegen er dañ
keine Gelegenheit veruͤber lauffẽ lieſte/ ſeinem Herꝛn/
der ohne das ſein Geld ſo unnuͤtzlich hinauß ſchlau-
terte/ abzuzwacken was er konte; im wenigſten be-
zahlte er keine Naͤherin oder Waͤſcherin/ deren er
ihren gewohnlichen Lohn nicht ringerte/ und was
er denen abbrach/ heimlich in ſeinen Beutel ſteckte;
kein Kleidflicker: oder Schuhſchmirerlohn war ſo
klein den er ſeinen Herꝛn nicht vergroͤſſerte und den
Uberfluß zu ſich ſchobe; geſchweige wie er in groſſen
Außgaben per fas & nefas zu ſich rapte und ſackte/
wo er nur kont und moͤchte; die Saͤſſeltraͤger/ mit
denen ſein Herꝛ vil Geld hinrichtete/ veraͤndert er
gleich/ wann ſie ihm nit Part an ihren Verdienſt
gaben/ der Baſtedenbeck/ der Garkoch/ der Wein-
ſchaͤnck/ der Holtzhaͤndler/ der Fiſchverkauffer/ der
Beck und alſo andere Victualiſten muſten beynahe
ihren Gewinn mit ihm theilen/ wolten ſie anders an
dem Iulo laͤnger einen guten Kundten behalten;
dann er war dergeſtalt eingenommen/ ſeinem Her-
ꝛen durch beſitzung viles Gelds und Guts gleich zu-
werden/ als etwan hiebevor Lucifer/ da er wegen
ſeiner vom allerhoͤchſten verlihenẽ Gaben erkuͤhnete/
ſeinem Stul an den maͤchtigen Thron des groſſen
GOttes zuſetzen; alfo lebten beyde Juͤngling ohne
alle andere Anfechtungen zwar dahin/ ehe ſie wahr-
namen wie ſie lebten; dann Iulus war an zeitlicher
Haab ja ſo Reich als Avarus bedoͤrfftig/ und deß-
wegen vermeinte jeder er verfahre ſeinen Stand
nach gar recht und wol/ ich wil ſagen/ wie es eines
jeden Stand und Gelegenheit erfordere; jener zwar
ſeinen Reichtumb gemaͤß ſich herꝛlich und praͤchtig
zuerzaigen/ dieſer aber ſeiner Armuth zuhuͤlff zu-

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Zitationshilfe: Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669/40>, abgerufen am 03.12.2024.