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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Zweytes Buch.
ob die Täntzer den Boden einzutretten/ so gewütet/
oder ob ich nur so überredet worden? Jetzt will ich
ferner erzehlen/ wie ich wieder auß dem Gäns-Ker-
cker kame; Drey gantzer Stund/ nemlich biß sich
das Praeludium Veneris (der ehrlich Tantz solt ich
gesagt haben) geendet hatte/ muste ich in meinem
eigenen Unlust sitzen bleiben/ ehe einer herzu schlich/
und an dem Rigel anfieng zu rappeln; Jch lausterte
wie ein San die ins Wasser harnt/ der Kerl aber/
so an der Thür war/ machte solche nicht allein auff/
sondern wischte auch eben so geschwind hinein/ als
gern ich heraussen gewest wäre/ und schleppte noch
darzu ein Weibsbild an der Hand mit sich daher/
gleich wie ich beym Tantz hatte thun sehen: Jch kon-
te nicht wissen/ was es abgeben solte/ weil ich aber
vielen seltzamen Abentheuren/ die meinem närrischen
Sinn denselben Tag begegnet/ schier gewohnt war/
und ich mich drein ergeben hatte/ fürterhin alles mit
Gedult und Stillschweigen zu ertragen/ was mir
mein Verhängnus zuschicken würde; Als schmiegt
ich mich zu der Thür mit Forcht und Zittern/ das
End erwartete; gleich darauff erhub sich zwischen
diesen beyden ein Gelispel/ darauß ich zwar nichts
anders verstunde/ als daß sich das eine Theil über
den bösen Geruch desselben Orts beklagte/ und hin-
gegen der ander Theil das erste hinwiederum tröstete:
Gewißlich schönste Dame/ sagt er/ mir ist versichert
von Hertzen leyd/ daß uns die Früchte der Lieb zu
geniessen/ vom mißgönstigen Glück kein ehrlicher
Ort gegönnet wird; Aber ich kan darneben betheu-
ren/ daß mir ihre holdseelige Gegenwart diesen ver-
ächtlichen Winckel anmutiger macht/ als das lieb-

lichste
F iij

Zweytes Buch.
ob die Taͤntzer den Boden einzutretten/ ſo gewuͤtet/
oder ob ich nur ſo uͤberꝛedet worden? Jetzt will ich
ferner erzehlen/ wie ich wieder auß dem Gaͤns-Ker-
cker kame; Drey gantzer Stund/ nemlich biß ſich
das Præludium Veneris (der ehrlich Tantz ſolt ich
geſagt haben) geendet hatte/ muſte ich in meinem
eigenen Unluſt ſitzen bleiben/ ehe einer herzu ſchlich/
und an dem Rigel anfieng zu rappeln; Jch lauſterte
wie ein San die ins Waſſer harnt/ der Kerl aber/
ſo an der Thuͤr war/ machte ſolche nicht allein auff/
ſondern wiſchte auch eben ſo geſchwind hinein/ als
gern ich herauſſen geweſt waͤre/ und ſchleppte noch
darzu ein Weibsbild an der Hand mit ſich daher/
gleich wie ich beym Tantz hatte thun ſehen: Jch kon-
te nicht wiſſen/ was es abgeben ſolte/ weil ich aber
vielen ſeltzamen Abentheuren/ die meinem naͤrꝛiſchen
Sinn denſelben Tag begegnet/ ſchier gewohnt war/
und ich mich drein ergeben hatte/ fuͤrterhin alles mit
Gedult und Stillſchweigen zu ertragen/ was mir
mein Verhaͤngnus zuſchicken wuͤrde; Als ſchmiegt
ich mich zu der Thuͤr mit Forcht und Zittern/ das
End erwartete; gleich darauff erhub ſich zwiſchen
dieſen beyden ein Geliſpel/ darauß ich zwar nichts
anders verſtunde/ als daß ſich das eine Theil uͤber
den boͤſen Geruch deſſelben Orts beklagte/ und hin-
gegen der ander Theil das erſte hinwiederum troͤſtete:
Gewißlich ſchoͤnſte Dame/ ſagt er/ mir iſt verſichert
von Hertzen leyd/ daß uns die Fruͤchte der Lieb zu
genieſſen/ vom mißgoͤnſtigen Gluͤck kein ehrlicher
Ort gegoͤnnet wird; Aber ich kan darneben betheu-
ren/ daß mir ihre holdſeelige Gegenwart dieſen ver-
aͤchtlichen Winckel anmutiger macht/ als das lieb-

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[123/0129] Zweytes Buch. ob die Taͤntzer den Boden einzutretten/ ſo gewuͤtet/ oder ob ich nur ſo uͤberꝛedet worden? Jetzt will ich ferner erzehlen/ wie ich wieder auß dem Gaͤns-Ker- cker kame; Drey gantzer Stund/ nemlich biß ſich das Præludium Veneris (der ehrlich Tantz ſolt ich geſagt haben) geendet hatte/ muſte ich in meinem eigenen Unluſt ſitzen bleiben/ ehe einer herzu ſchlich/ und an dem Rigel anfieng zu rappeln; Jch lauſterte wie ein San die ins Waſſer harnt/ der Kerl aber/ ſo an der Thuͤr war/ machte ſolche nicht allein auff/ ſondern wiſchte auch eben ſo geſchwind hinein/ als gern ich herauſſen geweſt waͤre/ und ſchleppte noch darzu ein Weibsbild an der Hand mit ſich daher/ gleich wie ich beym Tantz hatte thun ſehen: Jch kon- te nicht wiſſen/ was es abgeben ſolte/ weil ich aber vielen ſeltzamen Abentheuren/ die meinem naͤrꝛiſchen Sinn denſelben Tag begegnet/ ſchier gewohnt war/ und ich mich drein ergeben hatte/ fuͤrterhin alles mit Gedult und Stillſchweigen zu ertragen/ was mir mein Verhaͤngnus zuſchicken wuͤrde; Als ſchmiegt ich mich zu der Thuͤr mit Forcht und Zittern/ das End erwartete; gleich darauff erhub ſich zwiſchen dieſen beyden ein Geliſpel/ darauß ich zwar nichts anders verſtunde/ als daß ſich das eine Theil uͤber den boͤſen Geruch deſſelben Orts beklagte/ und hin- gegen der ander Theil das erſte hinwiederum troͤſtete: Gewißlich ſchoͤnſte Dame/ ſagt er/ mir iſt verſichert von Hertzen leyd/ daß uns die Fruͤchte der Lieb zu genieſſen/ vom mißgoͤnſtigen Gluͤck kein ehrlicher Ort gegoͤnnet wird; Aber ich kan darneben betheu- ren/ daß mir ihre holdſeelige Gegenwart dieſen ver- aͤchtlichen Winckel anmutiger macht/ als das lieb- lichſte F iij

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/129>, abgerufen am 24.11.2024.