Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweytes Buch.
mit allen Lineamenten so subtil und zart daher mah-
let/ daß sich auch die Junggesellen darein verliebten.
Plutarchus schreibet/ daß Archimedes ein groß Schiff
mit Kauffmanns-Wahren beladen/ mitten über den
Marckt zu Syracusis nur mit einer Hand/ an einem
einzigen Sail daher gezogen/ gleich als ob er ein
Saumthier an einem Zaum geführt/ welches 20.
Ochsen/ geschweige 200. deines/ gleichen Kälber/
nicht hätten zu thun vermöcht. Solte nun dieser
rechtschaffene Meister nicht mit einem besondern Eh-
ren-titul/ seiner Kunst gemäß/ zu begaben seyn? Wer
wolte nicht vor andern Menschen preisen den jeni-
gen/ der dem Persischen König Sapor ein gläsernes
Werck machte/ welches so weit und groß war/ daß
er mitten in demselben auff dessen Centro sitzen/ und
unter seinen Füssen das Gestirn auff und nider gehen
sehen konte? Archimedes machte einen Spiegel/
damit er der Feinde Kriegs-Schiff mitten im Meer
anzündet: So gedencket auch Ptolomeus eine wun-
derliche Art Spiegel/ die so viel Angesichter zeigten/
als Stund im Tag waren. Welcher wolte den nicht
preisen/ der die Buchstaben zu erst erfunden? ja wer
wolte nicht vielmehr den über alle Künstler erheben/
welcher die Edle und der gantzen Welt höchst nutz-
bare Kunst der Buchdruckerey erfunden? Jst
Ceres, weil sie den Ackerbau und das Mühlwerck er-
funden haben solle/ vor eine Göttin gehalten worden/
warumb solte dann unbillich seyn/ wenn man an-
dern/ ihren Qualitäten gemäß/ ihr Lob mit Ehren-
Tituln berühmt? Zwar ist wenig daran gelegen/ ob
du grobes Kalb solches in deinem unvernünfftigen
Ochsenhirn fassest oder nicht: Es gehet dir eben wie

jenem

Zweytes Buch.
mit allen Lineamenten ſo ſubtil und zart daher mah-
let/ daß ſich auch die Junggeſellen darein verliebten.
Plutarchus ſchreibet/ daß Archimedes ein groß Schiff
mit Kauffmanns-Wahren beladen/ mitten uͤber den
Marckt zu Syracuſis nur mit einer Hand/ an einem
einzigen Sail daher gezogen/ gleich als ob er ein
Saumthier an einem Zaum gefuͤhrt/ welches 20.
Ochſen/ geſchweige 200. deines/ gleichen Kaͤlber/
nicht haͤtten zu thun vermoͤcht. Solte nun dieſer
rechtſchaffene Meiſter nicht mit einem beſondern Eh-
ren-titul/ ſeiner Kunſt gemaͤß/ zu begaben ſeyn? Wer
wolte nicht vor andern Menſchen preiſen den jeni-
gen/ der dem Perſiſchen Koͤnig Sapor ein glaͤſernes
Werck machte/ welches ſo weit und groß war/ daß
er mitten in demſelben auff deſſen Centro ſitzen/ und
unter ſeinen Fuͤſſen das Geſtirn auff und nider gehen
ſehen konte? Archimedes machte einen Spiegel/
damit er der Feinde Kriegs-Schiff mitten im Meer
anzuͤndet: So gedencket auch Ptolomeus eine wun-
derliche Art Spiegel/ die ſo viel Angeſichter zeigten/
als Stund im Tag waren. Welcher wolte den nicht
preiſen/ der die Buchſtaben zu erſt erfunden? ja wer
wolte nicht vielmehr den uͤber alle Kuͤnſtler erheben/
welcher die Edle und der gantzen Welt hoͤchſt nutz-
bare Kunſt der Buchdruckerey erfunden? Jſt
Ceres, weil ſie den Ackerbau und das Muͤhlwerck er-
funden haben ſolle/ vor eine Goͤttin gehalten worden/
warumb ſolte dann unbillich ſeyn/ wenn man an-
dern/ ihren Qualitaͤten gemaͤß/ ihr Lob mit Ehren-
Tituln beruͤhmt? Zwar iſt wenig daran gelegen/ ob
du grobes Kalb ſolches in deinem unvernuͤnfftigen
Ochſenhirn faſſeſt oder nicht: Es gehet dir eben wie

jenem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0165" n="159"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zweytes Buch.</hi></fw><lb/>
mit allen <hi rendition="#aq">Lineament</hi>en &#x017F;o &#x017F;ubtil und zart daher mah-<lb/>
let/ daß &#x017F;ich auch die Jungge&#x017F;ellen darein verliebten.<lb/><hi rendition="#aq">Plutarchus</hi> &#x017F;chreibet/ daß <hi rendition="#aq">Archimedes</hi> ein groß Schiff<lb/>
mit Kauffmanns-Wahren beladen/ mitten u&#x0364;ber den<lb/>
Marckt zu <hi rendition="#aq">Syracu&#x017F;is</hi> nur mit einer Hand/ an einem<lb/>
einzigen Sail daher gezogen/ gleich als ob er ein<lb/>
Saumthier an einem Zaum gefu&#x0364;hrt/ welches 20.<lb/>
Och&#x017F;en/ ge&#x017F;chweige 200. deines/ gleichen Ka&#x0364;lber/<lb/>
nicht ha&#x0364;tten zu thun vermo&#x0364;cht. Solte nun die&#x017F;er<lb/>
recht&#x017F;chaffene Mei&#x017F;ter nicht mit einem be&#x017F;ondern Eh-<lb/>
ren-titul/ &#x017F;einer Kun&#x017F;t gema&#x0364;ß/ zu begaben &#x017F;eyn? Wer<lb/>
wolte nicht vor andern Men&#x017F;chen prei&#x017F;en den jeni-<lb/>
gen/ der dem Per&#x017F;i&#x017F;chen Ko&#x0364;nig <hi rendition="#aq">Sapor</hi> ein gla&#x0364;&#x017F;ernes<lb/>
Werck machte/ welches &#x017F;o weit und groß war/ daß<lb/>
er mitten in dem&#x017F;elben auff de&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">Centro</hi> &#x017F;itzen/ und<lb/>
unter &#x017F;einen Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en das Ge&#x017F;tirn auff und nider gehen<lb/>
&#x017F;ehen konte? <hi rendition="#aq">Archimedes</hi> machte einen Spiegel/<lb/>
damit er der Feinde Kriegs-Schiff mitten im Meer<lb/>
anzu&#x0364;ndet: So gedencket auch <hi rendition="#aq">Ptolomeus</hi> eine wun-<lb/>
derliche Art Spiegel/ die &#x017F;o viel Ange&#x017F;ichter zeigten/<lb/>
als Stund im Tag waren. Welcher wolte den nicht<lb/>
prei&#x017F;en/ der die Buch&#x017F;taben zu er&#x017F;t erfunden? ja wer<lb/>
wolte nicht vielmehr den u&#x0364;ber alle Ku&#x0364;n&#x017F;tler erheben/<lb/>
welcher die Edle und der gantzen Welt ho&#x0364;ch&#x017F;t nutz-<lb/>
bare <hi rendition="#fr">Kun&#x017F;t der Buchdruckerey</hi> erfunden? J&#x017F;t<lb/><hi rendition="#aq">Ceres,</hi> weil &#x017F;ie den Ackerbau und das Mu&#x0364;hlwerck er-<lb/>
funden haben &#x017F;olle/ vor eine Go&#x0364;ttin gehalten worden/<lb/>
warumb &#x017F;olte dann unbillich &#x017F;eyn/ wenn man an-<lb/>
dern/ ihren <hi rendition="#aq">Qualit</hi>a&#x0364;ten gema&#x0364;ß/ ihr Lob mit Ehren-<lb/>
Tituln beru&#x0364;hmt? Zwar i&#x017F;t wenig daran gelegen/ ob<lb/>
du grobes Kalb &#x017F;olches in deinem unvernu&#x0364;nfftigen<lb/>
Och&#x017F;enhirn fa&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t oder nicht: Es gehet dir eben wie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">jenem</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0165] Zweytes Buch. mit allen Lineamenten ſo ſubtil und zart daher mah- let/ daß ſich auch die Junggeſellen darein verliebten. Plutarchus ſchreibet/ daß Archimedes ein groß Schiff mit Kauffmanns-Wahren beladen/ mitten uͤber den Marckt zu Syracuſis nur mit einer Hand/ an einem einzigen Sail daher gezogen/ gleich als ob er ein Saumthier an einem Zaum gefuͤhrt/ welches 20. Ochſen/ geſchweige 200. deines/ gleichen Kaͤlber/ nicht haͤtten zu thun vermoͤcht. Solte nun dieſer rechtſchaffene Meiſter nicht mit einem beſondern Eh- ren-titul/ ſeiner Kunſt gemaͤß/ zu begaben ſeyn? Wer wolte nicht vor andern Menſchen preiſen den jeni- gen/ der dem Perſiſchen Koͤnig Sapor ein glaͤſernes Werck machte/ welches ſo weit und groß war/ daß er mitten in demſelben auff deſſen Centro ſitzen/ und unter ſeinen Fuͤſſen das Geſtirn auff und nider gehen ſehen konte? Archimedes machte einen Spiegel/ damit er der Feinde Kriegs-Schiff mitten im Meer anzuͤndet: So gedencket auch Ptolomeus eine wun- derliche Art Spiegel/ die ſo viel Angeſichter zeigten/ als Stund im Tag waren. Welcher wolte den nicht preiſen/ der die Buchſtaben zu erſt erfunden? ja wer wolte nicht vielmehr den uͤber alle Kuͤnſtler erheben/ welcher die Edle und der gantzen Welt hoͤchſt nutz- bare Kunſt der Buchdruckerey erfunden? Jſt Ceres, weil ſie den Ackerbau und das Muͤhlwerck er- funden haben ſolle/ vor eine Goͤttin gehalten worden/ warumb ſolte dann unbillich ſeyn/ wenn man an- dern/ ihren Qualitaͤten gemaͤß/ ihr Lob mit Ehren- Tituln beruͤhmt? Zwar iſt wenig daran gelegen/ ob du grobes Kalb ſolches in deinem unvernuͤnfftigen Ochſenhirn faſſeſt oder nicht: Es gehet dir eben wie jenem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der angegebene Verlag (Fillion) ist fiktiv. Die k… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/165
Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/165>, abgerufen am 23.11.2024.