Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

Bild:
<< vorherige Seite

Deß Abentheurl. Simplicissimi
mehr vermögen/ als etwas rechtschaffenes/ und da-
hin hatten auch ihre Geschenck das Absehen/ weil mir
etliche darumb gaben/ daß ich sie nicht versuchs.
schwäntzen solte/ andere aber eben deßwegen/ daß
ich ihrentwegen solches thun solte; Auff welche
Weis ich zimlich Geld zu wegen brachte/ welches
ich mehrentheils dem Pfarrer wieder zusteckte/ weil
ich noch nicht wuste/ worzu es nutzete. Und gleich
wie mich niemand scheel ansehen donrffte/ also hatte
ich auch von nirgends her keine Anfechtung/ Sorg
oder Bekümmernus; Alle meine Gedancken legte
ich auff die Music/ und wie ich dem einen und dem
andern seine Mängel artlich verweisen möchte/ da-
her wuchse ich auff wie ein Narr im Zwibel-Land/
und meine Leibs. kräfften namen Handgreifflich zu;
man sahe mir in Bälde an/ daß ich mich nicht mehr
im Wald mit Wasser/ Eicheln/ Buchen/ Wurtzeln
und Kräutern mortificirte/ sondern daß mir bey gu-
ten Bißlein der Rheinische Wein und das Hanaui-
sche Doppelbier wol zuschlug/ welches in so elender
Zeit vor ein grosse Gnad von Gott zu schätzen war/
denn damals stunde gantz Teutschland in völligen
Kriegsflammen/ Hunger und Pestilentz/ und Hanau
selbst war mit Feinden umblagert/ welches alles mich
im geringsten nicht kräncken konte. Nach auffge-
schlagener Belägerung nam ihme mein Herr vor/
mich entweder dem Cardinal Richelieu oder Hertzog
Bernhard von Weymar zu schencken/ dann ohne
daß er hoffte einen grossen Danck mit mir zu ver die-
nen/ gab er auch vor/ daß ihm schier ohnmüglich
wäre/ länger zu ertragen/ weil ich ihm seiner ver-
lornen Schwester Gestalt/ deren ich je länger je äbn-

licher

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
mehr vermoͤgen/ als etwas rechtſchaffenes/ und da-
hin hatten auch ihre Geſchenck das Abſehen/ weil mir
etliche darumb gaben/ daß ich ſie nicht verſuchs.
ſchwaͤntzen ſolte/ andere aber eben deßwegen/ daß
ich ihrentwegen ſolches thun ſolte; Auff welche
Weis ich zimlich Geld zu wegen brachte/ welches
ich mehrentheils dem Pfarꝛer wieder zuſteckte/ weil
ich noch nicht wuſte/ worzu es nutzete. Und gleich
wie mich niemand ſcheel anſehen dõrffte/ alſo hatte
ich auch von nirgends her keine Anfechtung/ Sorg
oder Bekuͤmmernus; Alle meine Gedancken legte
ich auff die Muſic/ und wie ich dem einen und dem
andern ſeine Maͤngel artlich verweiſen moͤchte/ da-
her wuchſe ich auff wie ein Narꝛ im Zwibel-Land/
und meine Leibs. kraͤfften namen Handgreifflich zu;
man ſahe mir in Baͤlde an/ daß ich mich nicht mehr
im Wald mit Waſſer/ Eicheln/ Buchen/ Wurtzeln
und Kraͤutern mortificirte/ ſondern daß mir bey gu-
ten Bißlein der Rheiniſche Wein und das Hanaui-
ſche Doppelbier wol zuſchlug/ welches in ſo elender
Zeit vor ein groſſe Gnad von Gott zu ſchaͤtzen war/
denn damals ſtunde gantz Teutſchland in voͤlligen
Kriegsflammen/ Hunger und Peſtilentz/ und Hanau
ſelbſt war mit Feinden umblagert/ welches alles mich
im geringſten nicht kraͤncken konte. Nach auffge-
ſchlagener Belaͤgerung nam ihme mein Herꝛ vor/
mich entweder dem Cardinal Richelieu oder Hertzog
Bernhard von Weymar zu ſchencken/ dann ohne
daß er hoffte einen groſſen Danck mit mir zu ver die-
nen/ gab er auch vor/ daß ihm ſchier ohnmuͤglich
waͤre/ laͤnger zu ertragen/ weil ich ihm ſeiner ver-
lornen Schweſter Geſtalt/ deren ich je laͤnger je aͤbn-

licher
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0182" n="176"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Deß Abentheurl. <hi rendition="#aq">Simplici&#x017F;&#x017F;imi</hi></hi></fw><lb/>
mehr vermo&#x0364;gen/ als etwas recht&#x017F;chaffenes/ und da-<lb/>
hin hatten auch ihre Ge&#x017F;chenck das Ab&#x017F;ehen/ weil mir<lb/>
etliche darumb gaben/ daß ich &#x017F;ie nicht ver&#x017F;uchs.<lb/>
&#x017F;chwa&#x0364;ntzen &#x017F;olte/ andere aber eben deßwegen/ daß<lb/>
ich ihrentwegen &#x017F;olches thun &#x017F;olte; Auff welche<lb/>
Weis ich zimlich Geld zu wegen brachte/ welches<lb/>
ich mehrentheils dem Pfar&#xA75B;er wieder zu&#x017F;teckte/ weil<lb/>
ich noch nicht wu&#x017F;te/ worzu es nutzete. Und gleich<lb/>
wie mich niemand &#x017F;cheel an&#x017F;ehen do&#x0303;rffte/ al&#x017F;o hatte<lb/>
ich auch von nirgends her keine Anfechtung/ Sorg<lb/>
oder Beku&#x0364;mmernus; Alle meine Gedancken legte<lb/>
ich auff die Mu&#x017F;ic/ und wie ich dem einen und dem<lb/>
andern &#x017F;eine Ma&#x0364;ngel artlich verwei&#x017F;en mo&#x0364;chte/ da-<lb/>
her wuch&#x017F;e ich auff wie ein Nar&#xA75B; im Zwibel-Land/<lb/>
und meine Leibs. kra&#x0364;fften namen Handgreifflich zu;<lb/>
man &#x017F;ahe mir in Ba&#x0364;lde an/ daß ich mich nicht mehr<lb/>
im Wald mit Wa&#x017F;&#x017F;er/ Eicheln/ Buchen/ Wurtzeln<lb/>
und Kra&#x0364;utern <hi rendition="#aq">mortifici</hi>rte/ &#x017F;ondern daß mir bey gu-<lb/>
ten Bißlein der Rheini&#x017F;che Wein und das Hanaui-<lb/>
&#x017F;che Doppelbier wol zu&#x017F;chlug/ welches in &#x017F;o elender<lb/>
Zeit vor ein gro&#x017F;&#x017F;e Gnad von Gott zu &#x017F;cha&#x0364;tzen war/<lb/>
denn damals &#x017F;tunde gantz Teut&#x017F;chland in vo&#x0364;lligen<lb/>
Kriegsflammen/ Hunger und Pe&#x017F;tilentz/ und Hanau<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t war mit Feinden umblagert/ welches alles mich<lb/>
im gering&#x017F;ten nicht kra&#x0364;ncken konte. Nach auffge-<lb/>
&#x017F;chlagener Bela&#x0364;gerung nam ihme mein Her&#xA75B; vor/<lb/>
mich entweder dem Cardinal <hi rendition="#aq">Richelieu</hi> oder Hertzog<lb/>
Bernhard von Weymar zu &#x017F;chencken/ dann ohne<lb/>
daß er hoffte einen gro&#x017F;&#x017F;en Danck mit mir zu ver die-<lb/>
nen/ gab er auch vor/ daß ihm &#x017F;chier ohnmu&#x0364;glich<lb/>
wa&#x0364;re/ la&#x0364;nger zu ertragen/ weil ich ihm &#x017F;einer ver-<lb/>
lornen Schwe&#x017F;ter Ge&#x017F;talt/ deren ich je la&#x0364;nger je a&#x0364;bn-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">licher</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0182] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi mehr vermoͤgen/ als etwas rechtſchaffenes/ und da- hin hatten auch ihre Geſchenck das Abſehen/ weil mir etliche darumb gaben/ daß ich ſie nicht verſuchs. ſchwaͤntzen ſolte/ andere aber eben deßwegen/ daß ich ihrentwegen ſolches thun ſolte; Auff welche Weis ich zimlich Geld zu wegen brachte/ welches ich mehrentheils dem Pfarꝛer wieder zuſteckte/ weil ich noch nicht wuſte/ worzu es nutzete. Und gleich wie mich niemand ſcheel anſehen dõrffte/ alſo hatte ich auch von nirgends her keine Anfechtung/ Sorg oder Bekuͤmmernus; Alle meine Gedancken legte ich auff die Muſic/ und wie ich dem einen und dem andern ſeine Maͤngel artlich verweiſen moͤchte/ da- her wuchſe ich auff wie ein Narꝛ im Zwibel-Land/ und meine Leibs. kraͤfften namen Handgreifflich zu; man ſahe mir in Baͤlde an/ daß ich mich nicht mehr im Wald mit Waſſer/ Eicheln/ Buchen/ Wurtzeln und Kraͤutern mortificirte/ ſondern daß mir bey gu- ten Bißlein der Rheiniſche Wein und das Hanaui- ſche Doppelbier wol zuſchlug/ welches in ſo elender Zeit vor ein groſſe Gnad von Gott zu ſchaͤtzen war/ denn damals ſtunde gantz Teutſchland in voͤlligen Kriegsflammen/ Hunger und Peſtilentz/ und Hanau ſelbſt war mit Feinden umblagert/ welches alles mich im geringſten nicht kraͤncken konte. Nach auffge- ſchlagener Belaͤgerung nam ihme mein Herꝛ vor/ mich entweder dem Cardinal Richelieu oder Hertzog Bernhard von Weymar zu ſchencken/ dann ohne daß er hoffte einen groſſen Danck mit mir zu ver die- nen/ gab er auch vor/ daß ihm ſchier ohnmuͤglich waͤre/ laͤnger zu ertragen/ weil ich ihm ſeiner ver- lornen Schweſter Geſtalt/ deren ich je laͤnger je aͤbn- licher

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der angegebene Verlag (Fillion) ist fiktiv. Die k… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/182
Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/182>, abgerufen am 23.11.2024.