Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweytes Buch.
Sohn einen grossen bevorstehenden Spott progno-
stici
rte/ und dahero Ursach zu haben vermeynte/ desto
vorsichtiger und behutsamer zu leben; Als wolte er
sich umb so viel desto weniger in einer Person Sa-
chen mischen/ deren künfftige grosse Gefahr er vor
Augen sehen konte/ dann er besorgte/ er möchte mei-
nes künfftigen Unglücks theilhafftig werden/ wenn
ich mich offenbarte/ weil er bereits vorlängst meine
Heimlichkeit gewust/ und mich gleichsam in- und
außwendig gekant/ meine Beschaffenheit aber dem
Obristen nicht kund gethan hatte.

Kurtz hernach merckte ich noch besser/ daß meines
Obristen Schreiber meinen neuen Bruder schröcklich
neidete/ weil er besorgte/ er möchte vor ihme zu der
Secretariat-Stell erhoben werden/ dann ich sahe wol/
wie er zu Zeiten grißgramete/ wie ihm die Mißgunst
so getrang thät/ und daß er in schweren Gedancken
allezeit seufftzete/ wenn er entweder den Alten oder
den Jungen Hertzbruder ansahe; Darauß urtheilte
ich/ und glaubte ohn allen Zweiffel/ daß er Calender
machte/ wie er ihm ein Bein vorsetzen/ und zu Fall
bringen möchte. Jch communicirte meinem Bru-
der/ beydes auß getreuer Affection und tragender
Schuldigkeit/ das jenige/ was ich argwohnete/
damit er sich vor diesem Judas-Bruder ein wenig
vorsehen solte; Er aber nam es auff die leichte Ach-
sel/ Ursach/ weil er dem Schreiber so wol mit der
Feder/ als mit dem Degen/ mehr als genug überle-
gen war/ und darzu noch deß Obristen grosse
Gunst und Gnad hinweg
hatte.

Das

Zweytes Buch.
Sohn einen groſſen bevorſtehenden Spott progno-
ſtici
rte/ und dahero Urſach zu haben vermeynte/ deſto
vorſichtiger und behutſamer zu leben; Als wolte er
ſich umb ſo viel deſto weniger in einer Perſon Sa-
chen miſchen/ deren kuͤnfftige groſſe Gefahr er vor
Augen ſehen konte/ dann er beſorgte/ er moͤchte mei-
nes kuͤnfftigen Ungluͤcks theilhafftig werden/ wenn
ich mich offenbarte/ weil er bereits vorlaͤngſt meine
Heimlichkeit gewuſt/ und mich gleichſam in- und
außwendig gekant/ meine Beſchaffenheit aber dem
Obriſten nicht kund gethan hatte.

Kurtz hernach merckte ich noch beſſer/ daß meines
Obriſten Schreiber meinen neuen Bruder ſchroͤcklich
neidete/ weil er beſorgte/ er moͤchte vor ihme zu der
Secretariat-Stell erhoben werden/ dann ich ſahe wol/
wie er zu Zeiten grißgramete/ wie ihm die Mißgunſt
ſo getrang thaͤt/ und daß er in ſchweren Gedancken
allezeit ſeufftzete/ wenn er entweder den Alten oder
den Jungen Hertzbruder anſahe; Darauß urtheilte
ich/ und glaubte ohn allen Zweiffel/ daß er Calender
machte/ wie er ihm ein Bein vorſetzen/ und zu Fall
bringen moͤchte. Jch communicirte meinem Bru-
der/ beydes auß getreuer Affection und tragender
Schuldigkeit/ das jenige/ was ich argwohnete/
damit er ſich vor dieſem Judas-Bruder ein wenig
vorſehen ſolte; Er aber nam es auff die leichte Ach-
ſel/ Urſach/ weil er dem Schreiber ſo wol mit der
Feder/ als mit dem Degen/ mehr als genug uͤberle-
gen war/ und darzu noch deß Obriſten groſſe
Gunſt und Gnad hinweg
hatte.

Das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0215" n="209"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zweytes Buch.</hi></fw><lb/>
Sohn einen gro&#x017F;&#x017F;en bevor&#x017F;tehenden Spott <hi rendition="#aq">progno-<lb/>
&#x017F;tici</hi>rte/ und dahero Ur&#x017F;ach zu haben vermeynte/ de&#x017F;to<lb/>
vor&#x017F;ichtiger und behut&#x017F;amer zu leben; Als wolte er<lb/>
&#x017F;ich umb &#x017F;o viel de&#x017F;to weniger in einer Per&#x017F;on Sa-<lb/>
chen mi&#x017F;chen/ deren ku&#x0364;nfftige gro&#x017F;&#x017F;e Gefahr er vor<lb/>
Augen &#x017F;ehen konte/ dann er be&#x017F;orgte/ er mo&#x0364;chte mei-<lb/>
nes ku&#x0364;nfftigen Unglu&#x0364;cks theilhafftig werden/ wenn<lb/>
ich mich offenbarte/ weil er bereits vorla&#x0364;ng&#x017F;t meine<lb/>
Heimlichkeit gewu&#x017F;t/ und mich gleich&#x017F;am in- und<lb/>
außwendig gekant/ meine Be&#x017F;chaffenheit aber dem<lb/>
Obri&#x017F;ten nicht kund gethan hatte.</p><lb/>
        <p>Kurtz hernach merckte ich noch be&#x017F;&#x017F;er/ daß meines<lb/>
Obri&#x017F;ten Schreiber meinen neuen Bruder &#x017F;chro&#x0364;cklich<lb/>
neidete/ weil er be&#x017F;orgte/ er mo&#x0364;chte vor ihme zu der<lb/><hi rendition="#aq">Secretariat-</hi>Stell erhoben werden/ dann ich &#x017F;ahe wol/<lb/>
wie er zu Zeiten grißgramete/ wie ihm die Mißgun&#x017F;t<lb/>
&#x017F;o getrang tha&#x0364;t/ und daß er in &#x017F;chweren Gedancken<lb/>
allezeit &#x017F;eufftzete/ wenn er entweder den Alten oder<lb/>
den Jungen Hertzbruder an&#x017F;ahe; Darauß urtheilte<lb/>
ich/ und glaubte ohn allen Zweiffel/ daß er Calender<lb/>
machte/ wie er ihm ein Bein vor&#x017F;etzen/ und zu Fall<lb/>
bringen mo&#x0364;chte. Jch <hi rendition="#aq">communici</hi>rte meinem Bru-<lb/>
der/ beydes auß getreuer <hi rendition="#aq">Affection</hi> und tragender<lb/>
Schuldigkeit/ das jenige/ was ich argwohnete/<lb/>
damit er &#x017F;ich vor die&#x017F;em Judas-Bruder ein wenig<lb/>
vor&#x017F;ehen &#x017F;olte; Er aber nam es auff die leichte Ach-<lb/>
&#x017F;el/ Ur&#x017F;ach/ weil er dem Schreiber &#x017F;o wol mit der<lb/>
Feder/ als mit dem Degen/ mehr als genug u&#x0364;berle-<lb/><hi rendition="#c">gen war/ und darzu noch deß Obri&#x017F;ten gro&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Gun&#x017F;t und Gnad hinweg<lb/>
hatte.</hi></p>
      </div><lb/>
      <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Das</hi> </fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[209/0215] Zweytes Buch. Sohn einen groſſen bevorſtehenden Spott progno- ſticirte/ und dahero Urſach zu haben vermeynte/ deſto vorſichtiger und behutſamer zu leben; Als wolte er ſich umb ſo viel deſto weniger in einer Perſon Sa- chen miſchen/ deren kuͤnfftige groſſe Gefahr er vor Augen ſehen konte/ dann er beſorgte/ er moͤchte mei- nes kuͤnfftigen Ungluͤcks theilhafftig werden/ wenn ich mich offenbarte/ weil er bereits vorlaͤngſt meine Heimlichkeit gewuſt/ und mich gleichſam in- und außwendig gekant/ meine Beſchaffenheit aber dem Obriſten nicht kund gethan hatte. Kurtz hernach merckte ich noch beſſer/ daß meines Obriſten Schreiber meinen neuen Bruder ſchroͤcklich neidete/ weil er beſorgte/ er moͤchte vor ihme zu der Secretariat-Stell erhoben werden/ dann ich ſahe wol/ wie er zu Zeiten grißgramete/ wie ihm die Mißgunſt ſo getrang thaͤt/ und daß er in ſchweren Gedancken allezeit ſeufftzete/ wenn er entweder den Alten oder den Jungen Hertzbruder anſahe; Darauß urtheilte ich/ und glaubte ohn allen Zweiffel/ daß er Calender machte/ wie er ihm ein Bein vorſetzen/ und zu Fall bringen moͤchte. Jch communicirte meinem Bru- der/ beydes auß getreuer Affection und tragender Schuldigkeit/ das jenige/ was ich argwohnete/ damit er ſich vor dieſem Judas-Bruder ein wenig vorſehen ſolte; Er aber nam es auff die leichte Ach- ſel/ Urſach/ weil er dem Schreiber ſo wol mit der Feder/ als mit dem Degen/ mehr als genug uͤberle- gen war/ und darzu noch deß Obriſten groſſe Gunſt und Gnad hinweg hatte. Das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der angegebene Verlag (Fillion) ist fiktiv. Die k… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/215
Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/215>, abgerufen am 27.11.2024.