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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Zweytes Buch.
Solches ängstigte den Pfarrer und seine Köchin
auff das höchste/ ich aber machte mir ein Gewissen/
daß ich mich vor den Teuffel beschwören liesse/ vor
welchen er mich eigentlich hielte/ weil er etwan ge-
lesen oder gehöret hatte/ daß sich der Teuffel gern in
grünen Kleidern sehen lasse.

Mitten in solchen Aengsten/ die uns beyderseits
umbgeben hatte/ wurde ich zu allem Glück gewahr/
daß das Nacht-Schloß an der Thür/ die auff den
Kirch-Hof gienge/ nicht eingeschlagen/ sondern der
Rigel nur vorgeschoben war: Jch schob denselben
geschwind zurück/ wischte zur Thur hinauß auff den
Kirch-Hof (da ich dann meine Gesellen mit auffge-
zogenen Hanen stehen fande) und ließ den Pfaffen
Teuffel beschwören/ so lang er immer wolte. Und
demnach Spring-ins-feld mir meinen Hut von dem
Dach gebracht/ wir auch unser Proviant auffge-
sackt hatten/ giengen wir zu unserer Bursch/ weil
wir im Dorff nichts mehr zu verrichten hatten/ als
daß wir die entlehnte Laiter sampt dem Sail wieder
hätten heim liefern sollen.

Die gantze Partey erquickte sich mit dem jeni-
gen das wir gestolen hatten/ und bekam doch kein ei-
niger den Klucksen darvon/ so gesegnete Leut waren
wir! Auch hatten alle über diese meine Farth genug-
sam zu lachen/ nur dem Studenten wolte es nicht
gefallen/ daß ich den Pfaffen bestolen/ der ihm das
Münckelspiel so grandig besteckt hatte/ ja er schwur
auch hoch und theur/ daß er ihm seinen Speck gern
bezahlen wolte/ wenn er die Mittel nur bey der Hand
hätte/ und frasse doch nichts desto weniger mit/ als
ob ers verdingt hätte. Also lagen wir noch zween

Tag

Zweytes Buch.
Solches aͤngſtigte den Pfarꝛer und ſeine Koͤchin
auff das hoͤchſte/ ich aber machte mir ein Gewiſſen/
daß ich mich vor den Teuffel beſchwoͤren lieſſe/ vor
welchen er mich eigentlich hielte/ weil er etwan ge-
leſen oder gehoͤret hatte/ daß ſich der Teuffel gern in
gruͤnen Kleidern ſehen laſſe.

Mitten in ſolchen Aengſten/ die uns beyderſeits
umbgeben hatte/ wurde ich zu allem Gluͤck gewahr/
daß das Nacht-Schloß an der Thuͤr/ die auff den
Kirch-Hof gienge/ nicht eingeſchlagen/ ſondern der
Rigel nur vorgeſchoben war: Jch ſchob denſelben
geſchwind zuruͤck/ wiſchte zur Thůr hinauß auff den
Kirch-Hof (da ich dann meine Geſellen mit auffge-
zogenen Hanen ſtehen fande) und ließ den Pfaffen
Teuffel beſchwoͤren/ ſo lang er immer wolte. Und
demnach Spring-ins-feld mir meinen Hut von dem
Dach gebracht/ wir auch unſer Proviant auffge-
ſackt hatten/ giengen wir zu unſerer Burſch/ weil
wir im Dorff nichts mehr zu verꝛichten hatten/ als
daß wir die entlehnte Laiter ſampt dem Sail wieder
haͤtten heim liefern ſollen.

Die gantze Partey erquickte ſich mit dem jeni-
gen das wir geſtolen hatten/ und bekam doch kein ei-
niger den Kluckſen darvon/ ſo geſegnete Leut waren
wir! Auch hatten alle uͤber dieſe meine Farth genug-
ſam zu lachen/ nur dem Studenten wolte es nicht
gefallen/ daß ich den Pfaffen beſtolen/ der ihm das
Muͤnckelſpiel ſo grandig beſteckt hatte/ ja er ſchwur
auch hoch und theur/ daß er ihm ſeinen Speck gern
bezahlen wolte/ wenn er die Mittel nur bey der Hand
haͤtte/ und fraſſe doch nichts deſto weniger mit/ als
ob ers verdingt haͤtte. Alſo lagen wir noch zween

Tag
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[257/0263] Zweytes Buch. Solches aͤngſtigte den Pfarꝛer und ſeine Koͤchin auff das hoͤchſte/ ich aber machte mir ein Gewiſſen/ daß ich mich vor den Teuffel beſchwoͤren lieſſe/ vor welchen er mich eigentlich hielte/ weil er etwan ge- leſen oder gehoͤret hatte/ daß ſich der Teuffel gern in gruͤnen Kleidern ſehen laſſe. Mitten in ſolchen Aengſten/ die uns beyderſeits umbgeben hatte/ wurde ich zu allem Gluͤck gewahr/ daß das Nacht-Schloß an der Thuͤr/ die auff den Kirch-Hof gienge/ nicht eingeſchlagen/ ſondern der Rigel nur vorgeſchoben war: Jch ſchob denſelben geſchwind zuruͤck/ wiſchte zur Thůr hinauß auff den Kirch-Hof (da ich dann meine Geſellen mit auffge- zogenen Hanen ſtehen fande) und ließ den Pfaffen Teuffel beſchwoͤren/ ſo lang er immer wolte. Und demnach Spring-ins-feld mir meinen Hut von dem Dach gebracht/ wir auch unſer Proviant auffge- ſackt hatten/ giengen wir zu unſerer Burſch/ weil wir im Dorff nichts mehr zu verꝛichten hatten/ als daß wir die entlehnte Laiter ſampt dem Sail wieder haͤtten heim liefern ſollen. Die gantze Partey erquickte ſich mit dem jeni- gen das wir geſtolen hatten/ und bekam doch kein ei- niger den Kluckſen darvon/ ſo geſegnete Leut waren wir! Auch hatten alle uͤber dieſe meine Farth genug- ſam zu lachen/ nur dem Studenten wolte es nicht gefallen/ daß ich den Pfaffen beſtolen/ der ihm das Muͤnckelſpiel ſo grandig beſteckt hatte/ ja er ſchwur auch hoch und theur/ daß er ihm ſeinen Speck gern bezahlen wolte/ wenn er die Mittel nur bey der Hand haͤtte/ und fraſſe doch nichts deſto weniger mit/ als ob ers verdingt haͤtte. Alſo lagen wir noch zween Tag

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/263>, abgerufen am 22.11.2024.