Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

Bild:
<< vorherige Seite

Drittes Buch.
der sich befunden) auch solcher gestalt tractirt hätte.
Da nun der Abend kam/ fanden sich unterschiedliche
Officier, so wol Soldaten von Fortun als geborne
Cavallier, beym Cornet ein/ der mich und den Corpo-
ral auch holen liesse; da wurde ich/ die Warheit zu
bekennen/ von ihnen überauß höflich tractirt: Jch
machte mich so lustig/ als ob ich nichts verloren ge-
habt/ und liesse mich so vertreulich und offenhertzig
vernehmen/ als ob ich bey keinem Feind gefangen/
sondern bey meinen allerbesten Freunden wäre/ dar-
bey beflisse ich mich der Bescheidenheit/ so viel mir
immer müglich war/ denn ich konte mir leicht ein-
bilden/ daß dem Commandanten mein Verhalten
wieder notificirt würde/ so auch geschehen/ massen
ich nachmals erfahren.

Den andern Tag wurden wir Gefangene/ und
zwar einer nach dem andern vor deu Regim. Schul-
tzen geführt/ welcher uns examinirte; der Corporal
war der erste/ und ich der ander. So bald ich in den
Saal trat/ verwundert er sich auch über meine Ju-
gend/ und sagte/ mir solche vorzurucken: Mein Kind/
was hat dir der Schwed gethan/ daß du wider ihn
kriegest? Das verdroß mich/ vornemlich da ich eben
so junge Soldaten bey ihnen gesehen/ als ich war/
antwortet derhalben: Die Schwedische Krieger ha-
ben mir meine Schnellkugeln oder Klicker genommen/
die wolte ich gern wieder holen; Da ich ihn nun der-
gestalt bezahlte/ schämten sich seine beysitzende Offi-
cier,
massen einer anfieng auff Latein zu sagen: Er
solte von ernstlichen Sachen mit mir reden/ er hörte
wol/ daß er kein Kind vor sich hätte. Da merckte ich/
daß er Eusebius hiesse/ weil ihn derselbige Officier so

nenute

Drittes Buch.
der ſich befunden) auch ſolcher geſtalt tractirt haͤtte.
Da nun der Abend kam/ fanden ſich unterſchiedliche
Officier, ſo wol Soldaten von Fortun als geborne
Cavallier, beym Cornet ein/ der mich und den Corpo-
ral auch holen lieſſe; da wurde ich/ die Warheit zu
bekennen/ von ihnen uͤberauß hoͤflich tractirt: Jch
machte mich ſo luſtig/ als ob ich nichts verloren ge-
habt/ und lieſſe mich ſo vertreulich und offenhertzig
vernehmen/ als ob ich bey keinem Feind gefangen/
ſondern bey meinen allerbeſten Freunden waͤre/ dar-
bey befliſſe ich mich der Beſcheidenheit/ ſo viel mir
immer muͤglich war/ denn ich konte mir leicht ein-
bilden/ daß dem Commandanten mein Verhalten
wieder notificirt wuͤrde/ ſo auch geſchehen/ maſſen
ich nachmals erfahren.

Den andern Tag wurden wir Gefangene/ und
zwar einer nach dem andern vor deu Regim. Schul-
tzen gefuͤhrt/ welcher uns examinirte; der Corporal
war der erſte/ und ich der ander. So bald ich in den
Saal trat/ verwundert er ſich auch uͤber meine Ju-
gend/ und ſagte/ mir ſolche vorzurucken: Mein Kind/
was hat dir der Schwed gethan/ daß du wider ihn
kriegeſt? Das verdroß mich/ vornemlich da ich eben
ſo junge Soldaten bey ihnen geſehen/ als ich war/
antwortet derhalben: Die Schwediſche Krieger ha-
ben mir meine Schnellkugeln oder Klicker genom̃en/
die wolte ich gern wieder holen; Da ich ihn nun der-
geſtalt bezahlte/ ſchaͤmten ſich ſeine beyſitzende Offi-
cier,
maſſen einer anfieng auff Latein zu ſagen: Er
ſolte von ernſtlichen Sachen mit mir reden/ er hoͤrte
wol/ daß er kein Kind vor ſich haͤtte. Da merckte ich/
daß er Euſebius hieſſe/ weil ihn derſelbige Officier ſo

nenute
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0339" n="333"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Drittes Buch.</hi></fw><lb/>
der &#x017F;ich befunden) auch &#x017F;olcher ge&#x017F;talt <hi rendition="#aq">tracti</hi>rt ha&#x0364;tte.<lb/>
Da nun der Abend kam/ fanden &#x017F;ich unter&#x017F;chiedliche<lb/><hi rendition="#aq">Officier,</hi> &#x017F;o wol Soldaten von <hi rendition="#aq">Fortun</hi> als geborne<lb/><hi rendition="#aq">Cavallier,</hi> beym Cornet ein/ der mich und den Corpo-<lb/>
ral auch holen lie&#x017F;&#x017F;e; da wurde ich/ die Warheit zu<lb/>
bekennen/ von ihnen u&#x0364;berauß ho&#x0364;flich <hi rendition="#aq">tracti</hi>rt: Jch<lb/>
machte mich &#x017F;o lu&#x017F;tig/ als ob ich nichts verloren ge-<lb/>
habt/ und lie&#x017F;&#x017F;e mich &#x017F;o vertreulich und offenhertzig<lb/>
vernehmen/ als ob ich bey keinem Feind gefangen/<lb/>
&#x017F;ondern bey meinen allerbe&#x017F;ten Freunden wa&#x0364;re/ dar-<lb/>
bey befli&#x017F;&#x017F;e ich mich der Be&#x017F;cheidenheit/ &#x017F;o viel mir<lb/>
immer mu&#x0364;glich war/ denn ich konte mir leicht ein-<lb/>
bilden/ daß dem <hi rendition="#aq">Commandant</hi>en mein Verhalten<lb/>
wieder <hi rendition="#aq">notifici</hi>rt wu&#x0364;rde/ &#x017F;o auch ge&#x017F;chehen/ ma&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ich nachmals erfahren.</p><lb/>
        <p>Den andern Tag wurden wir Gefangene/ und<lb/>
zwar einer nach dem andern vor deu Regim. Schul-<lb/>
tzen gefu&#x0364;hrt/ welcher uns <hi rendition="#aq">examini</hi>rte; der Corporal<lb/>
war der er&#x017F;te/ und ich der ander. So bald ich in den<lb/>
Saal trat/ verwundert er &#x017F;ich auch u&#x0364;ber meine Ju-<lb/>
gend/ und &#x017F;agte/ mir &#x017F;olche vorzurucken: Mein Kind/<lb/>
was hat dir der Schwed gethan/ daß du wider ihn<lb/>
kriege&#x017F;t? Das verdroß mich/ vornemlich da ich eben<lb/>
&#x017F;o junge Soldaten bey ihnen ge&#x017F;ehen/ als ich war/<lb/>
antwortet derhalben: Die Schwedi&#x017F;che Krieger ha-<lb/>
ben mir meine Schnellkugeln oder Klicker genom&#x0303;en/<lb/>
die wolte ich gern wieder holen; Da ich ihn nun der-<lb/>
ge&#x017F;talt bezahlte/ &#x017F;cha&#x0364;mten &#x017F;ich &#x017F;eine bey&#x017F;itzende <hi rendition="#aq">Offi-<lb/>
cier,</hi> ma&#x017F;&#x017F;en einer anfieng auff Latein zu &#x017F;agen: Er<lb/>
&#x017F;olte von ern&#x017F;tlichen Sachen mit mir reden/ er ho&#x0364;rte<lb/>
wol/ daß er kein Kind vor &#x017F;ich ha&#x0364;tte. Da merckte ich/<lb/>
daß er <hi rendition="#aq">Eu&#x017F;ebius</hi> hie&#x017F;&#x017F;e/ weil ihn der&#x017F;elbige <hi rendition="#aq">Officier</hi> &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nenute</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[333/0339] Drittes Buch. der ſich befunden) auch ſolcher geſtalt tractirt haͤtte. Da nun der Abend kam/ fanden ſich unterſchiedliche Officier, ſo wol Soldaten von Fortun als geborne Cavallier, beym Cornet ein/ der mich und den Corpo- ral auch holen lieſſe; da wurde ich/ die Warheit zu bekennen/ von ihnen uͤberauß hoͤflich tractirt: Jch machte mich ſo luſtig/ als ob ich nichts verloren ge- habt/ und lieſſe mich ſo vertreulich und offenhertzig vernehmen/ als ob ich bey keinem Feind gefangen/ ſondern bey meinen allerbeſten Freunden waͤre/ dar- bey befliſſe ich mich der Beſcheidenheit/ ſo viel mir immer muͤglich war/ denn ich konte mir leicht ein- bilden/ daß dem Commandanten mein Verhalten wieder notificirt wuͤrde/ ſo auch geſchehen/ maſſen ich nachmals erfahren. Den andern Tag wurden wir Gefangene/ und zwar einer nach dem andern vor deu Regim. Schul- tzen gefuͤhrt/ welcher uns examinirte; der Corporal war der erſte/ und ich der ander. So bald ich in den Saal trat/ verwundert er ſich auch uͤber meine Ju- gend/ und ſagte/ mir ſolche vorzurucken: Mein Kind/ was hat dir der Schwed gethan/ daß du wider ihn kriegeſt? Das verdroß mich/ vornemlich da ich eben ſo junge Soldaten bey ihnen geſehen/ als ich war/ antwortet derhalben: Die Schwediſche Krieger ha- ben mir meine Schnellkugeln oder Klicker genom̃en/ die wolte ich gern wieder holen; Da ich ihn nun der- geſtalt bezahlte/ ſchaͤmten ſich ſeine beyſitzende Offi- cier, maſſen einer anfieng auff Latein zu ſagen: Er ſolte von ernſtlichen Sachen mit mir reden/ er hoͤrte wol/ daß er kein Kind vor ſich haͤtte. Da merckte ich/ daß er Euſebius hieſſe/ weil ihn derſelbige Officier ſo nenute

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der angegebene Verlag (Fillion) ist fiktiv. Die k… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/339
Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/339>, abgerufen am 22.11.2024.