Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

Bild:
<< vorherige Seite

Drittes Buch.
ren unterwiesen/ mit demselben exercirte ich mich/
umb noch perfecter zu werden. So erlangte ich auch
beym Commandanten/ daß mich einer von seinen
Constablen die Büchsenmeisterey Kunst/ und etwas
mit dem Feurwerck umbzugehen/ umb die Gebühr
lernete. Jm übrigen hielte ich mich sehr still und ein-
gezogen/ also daß sich die Leut verwunderten/ wann
sie sahen/ daß ich stets über den Büchern sasse wie ein
Student/ da ich doch Raubens und Blutvergiessens
gewohnt gewesen.

Mein Haußvatter war deß Commandanten Spür-
hund und mein Hüter/ massen ich merckte/ daß er all
mein Thun und Lassen demselben hinderbracht/ ich
konte mich aber artlich darein schicken/ dann ich ge-
dachte deß Kriegswesens kein einig mal/ und wann
man darvon redte/ thät ich/ als ob ich niemals kein
Soldat gewesen/ und nur darumb da wäre/ meinen
täglichen Exercitien/ deren ich erst gedacht/ abzuwar-
ten. Jch wünschte zwar/ daß meine 6. Monat bald
herumb wären/ es konte aber niemand abnehmen/
welchem Theil ich alsdann dienen wolte. So offt
ich dem Obristen auffwartete/ behielt er mich auch an
seiner Tafel/ da setzt es dann jezuweiln solche Discurs,
dardurch mein Vorsatz außgeholt werden solte/ ich
antwortet aber jederzeit so vorstchtig/ daß man nicht
wissen konte/ was Sinns ich seye. Einsmals sagte
er zu mir: Wie stehts Jäger/ wolt ihr noch nicht
Schwedisch werden/ gestern ist mir ein Fähnrich ge-
storben? Jch antwortet/ Hochg. Herr Obrist/ stehet
doch einem Weib wol an/ wenn sie nach ihres Manns
Todt nicht gleich wieder heurat/ warumb solte ich
mich dann nicht 6. Monat patientiren: Dergestalt

ent-
P vj

Drittes Buch.
ren unterwieſen/ mit demſelben exercirte ich mich/
umb noch perfecter zu werden. So erlangte ich auch
beym Commandanten/ daß mich einer von ſeinen
Conſtablen die Buͤchſenmeiſterey Kunſt/ und etwas
mit dem Feurwerck umbzugehen/ umb die Gebuͤhr
lernete. Jm uͤbrigen hielte ich mich ſehr ſtill und ein-
gezogen/ alſo daß ſich die Leut verwunderten/ wann
ſie ſahen/ daß ich ſtets uͤber den Buͤchern ſaſſe wie ein
Student/ da ich doch Raubens und Blutvergieſſens
gewohnt geweſen.

Mein Haußvatter war deß Commandanten Spuͤr-
hund und mein Huͤter/ maſſen ich merckte/ daß er all
mein Thun und Laſſen demſelben hinderbracht/ ich
konte mich aber artlich darein ſchicken/ dann ich ge-
dachte deß Kriegsweſens kein einig mal/ und wann
man darvon redte/ thaͤt ich/ als ob ich niemals kein
Soldat geweſen/ und nur darumb da waͤre/ meinen
taͤglichen Exercitien/ deren ich erſt gedacht/ abzuwar-
ten. Jch wuͤnſchte zwar/ daß meine 6. Monat bald
herumb waͤren/ es konte aber niemand abnehmen/
welchem Theil ich alsdann dienen wolte. So offt
ich dem Obriſten auffwartete/ behielt er mich auch an
ſeiner Tafel/ da ſetzt es dann jezuweiln ſolche Diſcurs,
dardurch mein Vorſatz außgeholt werden ſolte/ ich
antwortet aber jederzeit ſo vorſtchtig/ daß man nicht
wiſſen konte/ was Sinns ich ſeye. Einsmals ſagte
er zu mir: Wie ſtehts Jaͤger/ wolt ihr noch nicht
Schwediſch werden/ geſtern iſt mir ein Faͤhnrich ge-
ſtorben? Jch antwortet/ Hochg. Herꝛ Obriſt/ ſtehet
doch einem Weib wol an/ weñ ſie nach ihres Manns
Todt nicht gleich wieder heurat/ warumb ſolte ich
mich dann nicht 6. Monat patientiren: Dergeſtalt

ent-
P vj
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0351" n="345"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Drittes Buch.</hi></fw><lb/>
ren unterwie&#x017F;en/ mit dem&#x017F;elben <hi rendition="#aq">exerci</hi>rte ich mich/<lb/>
umb noch <hi rendition="#aq">perfect</hi>er zu werden. So erlangte ich auch<lb/>
beym <hi rendition="#aq">Commandant</hi>en/ daß mich einer von &#x017F;einen<lb/>
Con&#x017F;tablen die Bu&#x0364;ch&#x017F;enmei&#x017F;terey Kun&#x017F;t/ und etwas<lb/>
mit dem Feurwerck umbzugehen/ umb die Gebu&#x0364;hr<lb/>
lernete. Jm u&#x0364;brigen hielte ich mich &#x017F;ehr &#x017F;till und ein-<lb/>
gezogen/ al&#x017F;o daß &#x017F;ich die Leut verwunderten/ wann<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ahen/ daß ich &#x017F;tets u&#x0364;ber den Bu&#x0364;chern &#x017F;a&#x017F;&#x017F;e wie ein<lb/>
Student/ da ich doch Raubens und Blutvergie&#x017F;&#x017F;ens<lb/>
gewohnt gewe&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Mein Haußvatter war deß <hi rendition="#aq">Commandant</hi>en Spu&#x0364;r-<lb/>
hund und mein Hu&#x0364;ter/ ma&#x017F;&#x017F;en ich merckte/ daß er all<lb/>
mein Thun und La&#x017F;&#x017F;en dem&#x017F;elben hinderbracht/ ich<lb/>
konte mich aber artlich darein &#x017F;chicken/ dann ich ge-<lb/>
dachte deß Kriegswe&#x017F;ens kein einig mal/ und wann<lb/>
man darvon redte/ tha&#x0364;t ich/ als ob ich niemals kein<lb/>
Soldat gewe&#x017F;en/ und nur darumb da wa&#x0364;re/ meinen<lb/>
ta&#x0364;glichen <hi rendition="#aq">Exerciti</hi>en/ deren ich er&#x017F;t gedacht/ abzuwar-<lb/>
ten. Jch wu&#x0364;n&#x017F;chte zwar/ daß meine 6. Monat bald<lb/>
herumb wa&#x0364;ren/ es konte aber niemand abnehmen/<lb/>
welchem Theil ich alsdann dienen wolte. So offt<lb/>
ich dem Obri&#x017F;ten auffwartete/ behielt er mich auch an<lb/>
&#x017F;einer Tafel/ da &#x017F;etzt es dann jezuweiln &#x017F;olche <hi rendition="#aq">Di&#x017F;curs,</hi><lb/>
dardurch mein Vor&#x017F;atz außgeholt werden &#x017F;olte/ ich<lb/>
antwortet aber jederzeit &#x017F;o vor&#x017F;tchtig/ daß man nicht<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en konte/ was Sinns ich &#x017F;eye. Einsmals &#x017F;agte<lb/>
er zu mir: Wie &#x017F;tehts Ja&#x0364;ger/ wolt ihr noch nicht<lb/>
Schwedi&#x017F;ch werden/ ge&#x017F;tern i&#x017F;t mir ein Fa&#x0364;hnrich ge-<lb/>
&#x017F;torben? Jch antwortet/ Hochg. Her&#xA75B; Obri&#x017F;t/ &#x017F;tehet<lb/>
doch einem Weib wol an/ wen&#x0303; &#x017F;ie nach ihres Manns<lb/>
Todt nicht gleich wieder heurat/ warumb &#x017F;olte ich<lb/>
mich dann nicht 6. Monat <hi rendition="#aq">patienti</hi>ren: Derge&#x017F;talt<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P vj</fw><fw place="bottom" type="catch">ent-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[345/0351] Drittes Buch. ren unterwieſen/ mit demſelben exercirte ich mich/ umb noch perfecter zu werden. So erlangte ich auch beym Commandanten/ daß mich einer von ſeinen Conſtablen die Buͤchſenmeiſterey Kunſt/ und etwas mit dem Feurwerck umbzugehen/ umb die Gebuͤhr lernete. Jm uͤbrigen hielte ich mich ſehr ſtill und ein- gezogen/ alſo daß ſich die Leut verwunderten/ wann ſie ſahen/ daß ich ſtets uͤber den Buͤchern ſaſſe wie ein Student/ da ich doch Raubens und Blutvergieſſens gewohnt geweſen. Mein Haußvatter war deß Commandanten Spuͤr- hund und mein Huͤter/ maſſen ich merckte/ daß er all mein Thun und Laſſen demſelben hinderbracht/ ich konte mich aber artlich darein ſchicken/ dann ich ge- dachte deß Kriegsweſens kein einig mal/ und wann man darvon redte/ thaͤt ich/ als ob ich niemals kein Soldat geweſen/ und nur darumb da waͤre/ meinen taͤglichen Exercitien/ deren ich erſt gedacht/ abzuwar- ten. Jch wuͤnſchte zwar/ daß meine 6. Monat bald herumb waͤren/ es konte aber niemand abnehmen/ welchem Theil ich alsdann dienen wolte. So offt ich dem Obriſten auffwartete/ behielt er mich auch an ſeiner Tafel/ da ſetzt es dann jezuweiln ſolche Diſcurs, dardurch mein Vorſatz außgeholt werden ſolte/ ich antwortet aber jederzeit ſo vorſtchtig/ daß man nicht wiſſen konte/ was Sinns ich ſeye. Einsmals ſagte er zu mir: Wie ſtehts Jaͤger/ wolt ihr noch nicht Schwediſch werden/ geſtern iſt mir ein Faͤhnrich ge- ſtorben? Jch antwortet/ Hochg. Herꝛ Obriſt/ ſtehet doch einem Weib wol an/ weñ ſie nach ihres Manns Todt nicht gleich wieder heurat/ warumb ſolte ich mich dann nicht 6. Monat patientiren: Dergeſtalt ent- P vj

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der angegebene Verlag (Fillion) ist fiktiv. Die k… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/351
Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/351>, abgerufen am 22.11.2024.