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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Viertes Buch.
cken/ im Frühling grasete sie Salat/ im Sommer nam
sie Vogelnester auß/ und im Herbst wuste sie sonst
tausenderley Schnabelwaid zu kriegen; etliche tru-
gen Holtz zu verkauffen/ wie die Esel; und andere
handelten auch mit etwas anders. Solcher gestalt
nun meine Nahrung zu haben/ war nicht vor mich/
dann ich hatte schon ein Weib. Etliche Kerl ernähr-
ten sich mit spielen/ weil sie es besser als Spitzbuben
konten/ und ihren einfältigen Cameraden das ihrige
mit falschen Würffeln und Karten abzuzwacken wu-
sten/ solche Profession aber war mir ein Eckel. Andere
arbeiteten auff der Schantz/ und sonsten wie die Be-
stien/ aber hierzu war ich zu faul; etliche konten und
trieben etwan ein Handwerck/ ich Tropff aber hatte
keines gelernt/ zwar wenn man einen Musicanten von-
nöthen gehabt hätte/ so wär ich wol bestanden/ aber
dasselbe Hungerland behalffe sich nur mit Trommeln
und Pfeiffen/ etliche schillerten vor andere/ und ka-
men Tag und Nacht niemal von der Wacht/ Jch
aber wolte lieber hungern/ als meinen Leib so ab-
mergeln; etliche brachten sich mit Partey gehen
durch/ mir aber wurde nicht einmal vor das Thor zu
gehen vertraut; etliche konten besser mausen als Ka-
tzen/ ich aber haßte solche Handierung wie die Pest.
Jn Summa/ wo ich mich nur hin kehrte/ da konte ich
nichts ergreiffen/ das meinen Magen hätte stillen
mögen. Und was mich am aller meisten verdroß/ war
dieses/ daß ich mich noch darzu muste foppen lassen/
wenn die Bursch sagten/ soltest du ein Doctor seyn/
und kanst anders keine Kunst/ als Hunger leiden?
Endlich zwang mich die Noth/ daß ich etlich schöne
Karpffen auß dem Graben zu mir auff den Wall gau-

ckelte

Viertes Buch.
cken/ im Fruͤhling graſete ſie Salat/ im Som̃er nam
ſie Vogelneſter auß/ und im Herbſt wuſte ſie ſonſt
tauſenderley Schnabelwaid zu kriegen; etliche tru-
gen Holtz zu verkauffen/ wie die Eſel; und andere
handelten auch mit etwas anders. Solcher geſtalt
nun meine Nahrung zu haben/ war nicht vor mich/
dann ich hatte ſchon ein Weib. Etliche Kerl ernaͤhr-
ten ſich mit ſpielen/ weil ſie es beſſer als Spitzbuben
konten/ und ihren einfaͤltigen Cameraden das ihrige
mit falſchen Wuͤrffeln und Karten abzuzwacken wu-
ſten/ ſolche Profeſſion aber war mir ein Eckel. Andere
arbeiteten auff der Schantz/ und ſonſten wie die Be-
ſtien/ aber hierzu war ich zu faul; etliche konten und
trieben etwan ein Handwerck/ ich Tropff aber hatte
keines gelernt/ zwar weñ man einen Muſicanten von-
noͤthen gehabt haͤtte/ ſo waͤr ich wol beſtanden/ aber
daſſelbe Hungerland behalffe ſich nur mit Trom̃eln
und Pfeiffen/ etliche ſchillerten vor andere/ und ka-
men Tag und Nacht niemal von der Wacht/ Jch
aber wolte lieber hungern/ als meinen Leib ſo ab-
mergeln; etliche brachten ſich mit Partey gehen
durch/ mir aber wurde nicht einmal vor das Thor zu
gehen vertraut; etliche konten beſſer mauſen als Ka-
tzen/ ich aber haßte ſolche Handierung wie die Peſt.
Jn Sum̃a/ wo ich mich nur hin kehrte/ da konte ich
nichts ergreiffen/ das meinen Magen haͤtte ſtillen
moͤgen. Und was mich am aller meiſten verdroß/ war
dieſes/ daß ich mich noch darzu muſte foppen laſſen/
wenn die Burſch ſagten/ ſolteſt du ein Doctor ſeyn/
und kanſt anders keine Kunſt/ als Hunger leiden?
Endlich zwang mich die Noth/ daß ich etlich ſchoͤne
Karpffen auß dem Graben zu mir auff den Wall gau-

ckelte
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[423/0429] Viertes Buch. cken/ im Fruͤhling graſete ſie Salat/ im Som̃er nam ſie Vogelneſter auß/ und im Herbſt wuſte ſie ſonſt tauſenderley Schnabelwaid zu kriegen; etliche tru- gen Holtz zu verkauffen/ wie die Eſel; und andere handelten auch mit etwas anders. Solcher geſtalt nun meine Nahrung zu haben/ war nicht vor mich/ dann ich hatte ſchon ein Weib. Etliche Kerl ernaͤhr- ten ſich mit ſpielen/ weil ſie es beſſer als Spitzbuben konten/ und ihren einfaͤltigen Cameraden das ihrige mit falſchen Wuͤrffeln und Karten abzuzwacken wu- ſten/ ſolche Profeſſion aber war mir ein Eckel. Andere arbeiteten auff der Schantz/ und ſonſten wie die Be- ſtien/ aber hierzu war ich zu faul; etliche konten und trieben etwan ein Handwerck/ ich Tropff aber hatte keines gelernt/ zwar weñ man einen Muſicanten von- noͤthen gehabt haͤtte/ ſo waͤr ich wol beſtanden/ aber daſſelbe Hungerland behalffe ſich nur mit Trom̃eln und Pfeiffen/ etliche ſchillerten vor andere/ und ka- men Tag und Nacht niemal von der Wacht/ Jch aber wolte lieber hungern/ als meinen Leib ſo ab- mergeln; etliche brachten ſich mit Partey gehen durch/ mir aber wurde nicht einmal vor das Thor zu gehen vertraut; etliche konten beſſer mauſen als Ka- tzen/ ich aber haßte ſolche Handierung wie die Peſt. Jn Sum̃a/ wo ich mich nur hin kehrte/ da konte ich nichts ergreiffen/ das meinen Magen haͤtte ſtillen moͤgen. Und was mich am aller meiſten verdroß/ war dieſes/ daß ich mich noch darzu muſte foppen laſſen/ wenn die Burſch ſagten/ ſolteſt du ein Doctor ſeyn/ und kanſt anders keine Kunſt/ als Hunger leiden? Endlich zwang mich die Noth/ daß ich etlich ſchoͤne Karpffen auß dem Graben zu mir auff den Wall gau- ckelte

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/429>, abgerufen am 25.11.2024.