Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

Bild:
<< vorherige Seite

Deß Abentheurl. Simplicissimi
Schwester am allerletzten) mit lauter jungen Söh-
nen nider kommen. Weil dann nunmehr mein Vat-
ter und Mutter todt/ ich und mein Mann aber keine
Kinder miteinander zu hoffen/ haben wir meiner
Schwester Kind zum Erben aller unser Verlassen-
schafft angenommen/ und mit Hülff deß hiestgen Herrn
Commandanten seines Vattern Haab zu Cöln erho-
ben/ welches sich ungefähr auff 3000. fl. belauffen
möchte/ daß also dieser junge Knab/ wenn er einmal
zu seinen Jahren kompt/ sich unter die Arme zu rech-
nen keine Ursach haben wird; Jch und mein Mann
lieben das Kind auch so sehr/ daß wirs seinem Vatter
nicht liessen/ wenn er schon selbst käme/ und ihn ab-
holen wolte/ über das so ist er der Schönste unter al-
len seinen Stieffbrüdern/ und sihet seinem Vatter so
gleich/ als wenn er ihm auß den Augen geschnitten
wäre; und ich weiß/ wenn mein Schwager wüste/
was er vor einen schönen Sohn hier hätte/ daß er ihm
nicht abbrechen könte hieher zu kommen (da er schon
seine übrige Hurenkinder scheuen möchte) nur das
liebt Hertzgen zu sehen.

Solche und dergleichen Sachen brachte mir mei-
ne Schwägerin vor/ worauß ich ihre Lieb gegen mei-
nem Kind leicht spüren können/ welches dann dort in
seinen ersten Hosen herumb lieffe/ und mich im Her-
tzen erfreute/ derhalben suchte ich die Cleinoder her-
für/ die mir Hertzbruder geben/ solche seinetwegen
meinem Weib zu verehren/ dieselbige (sagte ich) hät-
te mir Herr Simplicius mit geben/ seiner Liebsten zum
Gruß einzuhändigen/ weil aber selbige todt wäre/
schätzte ich/ es wäre billich/ daß ich sie seinem Kind
hinderliesse/ welche mein Schwager und seine Frau

mit

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
Schweſter am allerletzten) mit lauter jungen Soͤh-
nen nider kommen. Weil dann nunmehr mein Vat-
ter und Mutter todt/ ich und mein Mann aber keine
Kinder miteinander zu hoffen/ haben wir meiner
Schweſter Kind zum Erben aller unſer Verlaſſen-
ſchafft angenom̃en/ und mit Huͤlff deß hieſtgen Herꝛn
Commandanten ſeines Vattern Haab zu Coͤln erho-
ben/ welches ſich ungefaͤhr auff 3000. fl. belauffen
moͤchte/ daß alſo dieſer junge Knab/ wenn er einmal
zu ſeinen Jahren kompt/ ſich unter die Arme zu rech-
nen keine Urſach haben wird; Jch und mein Mann
lieben das Kind auch ſo ſehr/ daß wirs ſeinem Vatter
nicht lieſſen/ wenn er ſchon ſelbſt kaͤme/ und ihn ab-
holen wolte/ uͤber das ſo iſt er der Schoͤnſte unter al-
len ſeinen Stieffbruͤdern/ und ſihet ſeinem Vatter ſo
gleich/ als wenn er ihm auß den Augen geſchnitten
waͤre; und ich weiß/ wenn mein Schwager wuͤſte/
was er vor einen ſchoͤnen Sohn hier haͤtte/ daß er ihm
nicht abbrechen koͤnte hieher zu kommen (da er ſchon
ſeine uͤbrige Hurenkinder ſcheuen moͤchte) nur das
liebt Hertzgen zu ſehen.

Solche und dergleichen Sachen brachte mir mei-
ne Schwaͤgerin vor/ worauß ich ihre Lieb gegen mei-
nem Kind leicht ſpuͤren koͤnnen/ welches dann dort in
ſeinen erſten Hoſen herumb lieffe/ und mich im Her-
tzen erfreute/ derhalben ſuchte ich die Cleinoder her-
fuͤr/ die mir Hertzbruder geben/ ſolche ſeinetwegen
meinem Weib zu verehren/ dieſelbige (ſagte ich) haͤt-
te mir Herꝛ Simplicius mit geben/ ſeiner Liebſten zum
Gruß einzuhaͤndigen/ weil aber ſelbige todt waͤre/
ſchaͤtzte ich/ es waͤre billich/ daß ich ſie ſeinem Kind
hinderlieſſe/ welche mein Schwager und ſeine Frau

mit
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0524" n="518"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Deß Abentheurl. <hi rendition="#aq">Simplici&#x017F;&#x017F;imi</hi></hi></fw><lb/>
Schwe&#x017F;ter am allerletzten) mit lauter jungen So&#x0364;h-<lb/>
nen nider kommen. Weil dann nunmehr mein Vat-<lb/>
ter und Mutter todt/ ich und mein Mann aber keine<lb/>
Kinder miteinander zu hoffen/ haben wir meiner<lb/>
Schwe&#x017F;ter Kind zum Erben aller un&#x017F;er Verla&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chafft angenom&#x0303;en/ und mit Hu&#x0364;lff deß hie&#x017F;tgen Her&#xA75B;n<lb/><hi rendition="#aq">Commandant</hi>en &#x017F;eines Vattern Haab zu Co&#x0364;ln erho-<lb/>
ben/ welches &#x017F;ich ungefa&#x0364;hr auff 3000. fl. belauffen<lb/>
mo&#x0364;chte/ daß al&#x017F;o die&#x017F;er junge Knab/ wenn er einmal<lb/>
zu &#x017F;einen Jahren kompt/ &#x017F;ich unter die Arme zu rech-<lb/>
nen keine Ur&#x017F;ach haben wird; Jch und mein Mann<lb/>
lieben das Kind auch &#x017F;o &#x017F;ehr/ daß wirs &#x017F;einem Vatter<lb/>
nicht lie&#x017F;&#x017F;en/ wenn er &#x017F;chon &#x017F;elb&#x017F;t ka&#x0364;me/ und ihn ab-<lb/>
holen wolte/ u&#x0364;ber das &#x017F;o i&#x017F;t er der Scho&#x0364;n&#x017F;te unter al-<lb/>
len &#x017F;einen Stieffbru&#x0364;dern/ und &#x017F;ihet &#x017F;einem Vatter &#x017F;o<lb/>
gleich/ als wenn er ihm auß den Augen ge&#x017F;chnitten<lb/>
wa&#x0364;re; und ich weiß/ wenn mein Schwager wu&#x0364;&#x017F;te/<lb/>
was er vor einen &#x017F;cho&#x0364;nen Sohn hier ha&#x0364;tte/ daß er ihm<lb/>
nicht abbrechen ko&#x0364;nte hieher zu kommen (da er &#x017F;chon<lb/>
&#x017F;eine u&#x0364;brige Hurenkinder &#x017F;cheuen mo&#x0364;chte) nur das<lb/>
liebt Hertzgen zu &#x017F;ehen.</p><lb/>
        <p>Solche und dergleichen Sachen brachte mir mei-<lb/>
ne Schwa&#x0364;gerin vor/ worauß ich ihre Lieb gegen mei-<lb/>
nem Kind leicht &#x017F;pu&#x0364;ren ko&#x0364;nnen/ welches dann dort in<lb/>
&#x017F;einen er&#x017F;ten Ho&#x017F;en herumb lieffe/ und mich im Her-<lb/>
tzen erfreute/ derhalben &#x017F;uchte ich die Cleinoder her-<lb/>
fu&#x0364;r/ die mir Hertzbruder geben/ &#x017F;olche &#x017F;einetwegen<lb/>
meinem Weib zu verehren/ die&#x017F;elbige (&#x017F;agte ich) ha&#x0364;t-<lb/>
te mir Her&#xA75B; <hi rendition="#aq">Simplicius</hi> mit geben/ &#x017F;einer Lieb&#x017F;ten zum<lb/>
Gruß einzuha&#x0364;ndigen/ weil aber &#x017F;elbige todt wa&#x0364;re/<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;tzte ich/ es wa&#x0364;re billich/ daß ich &#x017F;ie &#x017F;einem Kind<lb/>
hinderlie&#x017F;&#x017F;e/ welche mein Schwager und &#x017F;eine Frau<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mit</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[518/0524] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi Schweſter am allerletzten) mit lauter jungen Soͤh- nen nider kommen. Weil dann nunmehr mein Vat- ter und Mutter todt/ ich und mein Mann aber keine Kinder miteinander zu hoffen/ haben wir meiner Schweſter Kind zum Erben aller unſer Verlaſſen- ſchafft angenom̃en/ und mit Huͤlff deß hieſtgen Herꝛn Commandanten ſeines Vattern Haab zu Coͤln erho- ben/ welches ſich ungefaͤhr auff 3000. fl. belauffen moͤchte/ daß alſo dieſer junge Knab/ wenn er einmal zu ſeinen Jahren kompt/ ſich unter die Arme zu rech- nen keine Urſach haben wird; Jch und mein Mann lieben das Kind auch ſo ſehr/ daß wirs ſeinem Vatter nicht lieſſen/ wenn er ſchon ſelbſt kaͤme/ und ihn ab- holen wolte/ uͤber das ſo iſt er der Schoͤnſte unter al- len ſeinen Stieffbruͤdern/ und ſihet ſeinem Vatter ſo gleich/ als wenn er ihm auß den Augen geſchnitten waͤre; und ich weiß/ wenn mein Schwager wuͤſte/ was er vor einen ſchoͤnen Sohn hier haͤtte/ daß er ihm nicht abbrechen koͤnte hieher zu kommen (da er ſchon ſeine uͤbrige Hurenkinder ſcheuen moͤchte) nur das liebt Hertzgen zu ſehen. Solche und dergleichen Sachen brachte mir mei- ne Schwaͤgerin vor/ worauß ich ihre Lieb gegen mei- nem Kind leicht ſpuͤren koͤnnen/ welches dann dort in ſeinen erſten Hoſen herumb lieffe/ und mich im Her- tzen erfreute/ derhalben ſuchte ich die Cleinoder her- fuͤr/ die mir Hertzbruder geben/ ſolche ſeinetwegen meinem Weib zu verehren/ dieſelbige (ſagte ich) haͤt- te mir Herꝛ Simplicius mit geben/ ſeiner Liebſten zum Gruß einzuhaͤndigen/ weil aber ſelbige todt waͤre/ ſchaͤtzte ich/ es waͤre billich/ daß ich ſie ſeinem Kind hinderlieſſe/ welche mein Schwager und ſeine Frau mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der angegebene Verlag (Fillion) ist fiktiv. Die k… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/524
Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/524>, abgerufen am 25.11.2024.