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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
Thal/ und kamen zu dem Mummelsee/ ehe wir 6.
Stund gegangen hatten/ dann mein Petter war
noch so kefermässig und so wol zu Fuß als ein Jun-
ger; Wir verzehrten daselbst was wir von Speiß
und Tranck mit uns genommen/ dann der weite Weg
und die Höhe deß Bergs/ auff welchem der See
ligt/ hatte uns hungerig und hellig gemacht; Nach-
dem wir sich aber erquickt/ beschauete ich den See/
und fande gleich etliche gezimmerte Höltzer darinn
ligen/ die ich und mein Knan vor rudera deß Wür-
tenbergischen Flosses hielten; ich nahm oder masse
die Länge und Breite deß Wassers vermittelst der
Geometriae, weil gar beschwerlich war umb den See
zu gehen/ und denselben mit Schritten oder Schuhen
zu messen/ und brachte seine Beschaffenheit vermit-
telsi deß verjüngten Maaßstabs in mein Schreibtäfe-
lein/ und als ich damit fertig/ zumaln der Himmel
durchauß hell/ und die Lufft gantz windstill/ und wol
temperirt war/ wolte ich auch probiren was War-
heit an der Sagmehr wäre/ daß ein Ungewitter ent-
stehe/ wann man einen Stein in den See werffe;
sintemal ich albereit die Hörsag/ daß der See keine
Forellen leide/ am Mineralischen Geschmack deß
Wassers wahr zu seyn befunden.

Solche Prob nun ins Werck zu setzen/ gieng ich
gegen der lincken Hand am See hin/ an den jenigen
Ort/ da das Wasser (welches sonst so hell ist als
ein Crystall) wegen der abscheulichen Tieffe deß Sees
gleichsam kohlschwartz zu seyn scheinet/ und deßwe-
gen so forchterlich außsihet/ daß man sich auch nur
vorm Anblick entsetzt/ daselbst fieng ich an so grosse
Stein hinein zu werffen/ als ich sie immermehr er-

tragen

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
Thal/ und kamen zu dem Mummelſee/ ehe wir 6.
Stund gegangen hatten/ dann mein Petter war
noch ſo kefermaͤſſig und ſo wol zu Fuß als ein Jun-
ger; Wir verzehrten daſelbſt was wir von Speiß
und Tranck mit uns genommen/ dann der weite Weg
und die Hoͤhe deß Bergs/ auff welchem der See
ligt/ hatte uns hungerig und hellig gemacht; Nach-
dem wir ſich aber erquickt/ beſchauete ich den See/
und fande gleich etliche gezimmerte Hoͤltzer darinn
ligen/ die ich und mein Knan vor rudera deß Wuͤr-
tenbergiſchen Floſſes hielten; ich nahm oder maſſe
die Laͤnge und Breite deß Waſſers vermittelſt der
Geometriæ, weil gar beſchwerlich war umb den See
zu gehen/ und denſelben mit Schritten oder Schuhẽ
zu meſſen/ und brachte ſeine Beſchaffenheit vermit-
telſi deß verjuͤngten Maaßſtabs in mein Schreibtaͤfe-
lein/ und als ich damit fertig/ zumaln der Himmel
durchauß hell/ und die Lufft gantz windſtill/ und wol
temperirt war/ wolte ich auch probiren was War-
heit an der Sagmehr waͤre/ daß ein Ungewitter ent-
ſtehe/ wann man einen Stein in den See werffe;
ſintemal ich albereit die Hoͤrſag/ daß der See keine
Forellen leide/ am Mineraliſchen Geſchmack deß
Waſſers wahr zu ſeyn befunden.

Solche Prob nun ins Werck zu ſetzen/ gieng ich
gegen der lincken Hand am See hin/ an den jenigen
Ort/ da das Waſſer (welches ſonſt ſo hell iſt als
ein Cryſtall) wegen der abſcheulichen Tieffe deß Sees
gleichſam kohlſchwartz zu ſeyn ſcheinet/ und deßwe-
gen ſo forchterlich außſihet/ daß man ſich auch nur
vorm Anblick entſetzt/ daſelbſt fieng ich an ſo groſſe
Stein hinein zu werffen/ als ich ſie immermehr er-

tragen
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[546/0552] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi Thal/ und kamen zu dem Mummelſee/ ehe wir 6. Stund gegangen hatten/ dann mein Petter war noch ſo kefermaͤſſig und ſo wol zu Fuß als ein Jun- ger; Wir verzehrten daſelbſt was wir von Speiß und Tranck mit uns genommen/ dann der weite Weg und die Hoͤhe deß Bergs/ auff welchem der See ligt/ hatte uns hungerig und hellig gemacht; Nach- dem wir ſich aber erquickt/ beſchauete ich den See/ und fande gleich etliche gezimmerte Hoͤltzer darinn ligen/ die ich und mein Knan vor rudera deß Wuͤr- tenbergiſchen Floſſes hielten; ich nahm oder maſſe die Laͤnge und Breite deß Waſſers vermittelſt der Geometriæ, weil gar beſchwerlich war umb den See zu gehen/ und denſelben mit Schritten oder Schuhẽ zu meſſen/ und brachte ſeine Beſchaffenheit vermit- telſi deß verjuͤngten Maaßſtabs in mein Schreibtaͤfe- lein/ und als ich damit fertig/ zumaln der Himmel durchauß hell/ und die Lufft gantz windſtill/ und wol temperirt war/ wolte ich auch probiren was War- heit an der Sagmehr waͤre/ daß ein Ungewitter ent- ſtehe/ wann man einen Stein in den See werffe; ſintemal ich albereit die Hoͤrſag/ daß der See keine Forellen leide/ am Mineraliſchen Geſchmack deß Waſſers wahr zu ſeyn befunden. Solche Prob nun ins Werck zu ſetzen/ gieng ich gegen der lincken Hand am See hin/ an den jenigen Ort/ da das Waſſer (welches ſonſt ſo hell iſt als ein Cryſtall) wegen der abſcheulichen Tieffe deß Sees gleichſam kohlſchwartz zu ſeyn ſcheinet/ und deßwe- gen ſo forchterlich außſihet/ daß man ſich auch nur vorm Anblick entſetzt/ daſelbſt fieng ich an ſo groſſe Stein hinein zu werffen/ als ich ſie immermehr er- tragen

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/552>, abgerufen am 22.11.2024.