German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.Deß Abentheurl. Simplicissimi Christlichen Kirchen widerwertigen ketzerischen Mei-nung nicht weren verwickelt und vertiefft gewesen/ ich mich von freyen stücken zu ihnen geschlagen/ oder wenigst ihr Leben vor das seeligste in der gantzen Welt geschetzt hätte/ dann sie kamen mir in ihrem Thun und Leben allerdings für wie Josephus und andere mehr/ die Jüdische Esseer beschrieben; Sie hatten erstlich grosse Schätze und überflüssige Nah- rung/ die sie aber keines Wegs verschwendeten/ kein Fluch/ Murmelung noch Ungedult würde bey ihnen gespürt/ ja man hörete kein unnützes Wort/ da sahe ich die Handwercker in ihren Werckstätten ar- beiten/ als wann sie es verdingt hätten/ ihr Schul- meister instruirte die Jugend/ als wann sie alle seine leibliche Kinder gewest wären/ nirgends sahe ich Manns- und Weibsbilder untereinander vermischt/ sondern an jedem bestimbten Ort auch jedes Geschlecht absonderlich seine obligende Arbeit verrichten; Jch fande Zimmer/ in welchen nur Kindtbetterinnen wa- ren/ die ohne Obsorg ihrer Männer durch ihre Mitschwestern mit aller nothwendigen Pfleg sampt ihren Kindern reichlich versehen wurden/ andere sonderbahre Säl hatten nichts anders in sich/ als viel Wiegen mit Säuglingen/ die von hierzu bestim- ten Weibern mit Wischen und Speisen beobachtet wurden/ daß sich deren Mütter ferners nicht umb sie bekümmern dorfften/ als wann sie täglich zu dreyen gewissen Zeiten kamen/ ihnen ihre milchreiche Brü- ste zu bieten: und dieses Geschäffte den Kindbetterin und Kindern abzuwarten war allein den Wittiben anbefohlen/ anderswo sahe ich das Weibliche Ge- schlecht sonst nichts thun als spinnen/ also daß man über
Deß Abentheurl. Simpliciſſimi Chriſtlichen Kirchen widerwertigen ketzeꝛiſchen Mei-nung nicht weren verwickelt und vertiefft geweſen/ ich mich von freyen ſtuͤcken zu ihnen geſchlagen/ oder wenigſt ihr Leben vor das ſeeligſte in der gantzen Welt geſchetzt haͤtte/ dann ſie kamen mir in ihrem Thun und Leben allerdings fuͤr wie Joſephus und andere mehr/ die Juͤdiſche Eſſeer beſchrieben; Sie hatten erſtlich groſſe Schaͤtze und uͤberfluͤſſige Nah- rung/ die ſie aber keines Wegs verſchwendeten/ kein Fluch/ Murmelung noch Ungedult wuͤrde bey ihnen geſpuͤrt/ ja man hoͤrete kein unnuͤtzes Wort/ da ſahe ich die Handwercker in ihren Werckſtaͤtten ar- beiten/ als wann ſie es verdingt haͤtten/ ihr Schul- meiſter inſtruirte die Jugend/ als wann ſie alle ſeine leibliche Kinder geweſt waͤren/ nirgends ſahe ich Manns- und Weibsbilder untereinander vermiſcht/ ſondern an jedem beſtimbtẽ Ort auch jedes Geſchlecht abſonderlich ſeine obligende Arbeit verꝛichten; Jch fande Zimmer/ in welchen nur Kindtbetterinnen wa- ren/ die ohne Obſorg ihrer Maͤnner durch ihre Mitſchweſtern mit aller nothwendigen Pfleg ſampt ihren Kindern reichlich verſehen wurden/ andere ſonderbahre Saͤl hatten nichts anders in ſich/ als viel Wiegen mit Saͤuglingen/ die von hierzu beſtim- ten Weibern mit Wiſchen und Speiſen beobachtet wurden/ daß ſich deren Muͤtter ferners nicht umb ſie bekuͤmmern dorfften/ als wann ſie taͤglich zu dreyen gewiſſen Zeiten kamen/ ihnen ihre milchreiche Bruͤ- ſte zu bieten: und dieſes Geſchaͤffte den Kindbetterin und Kindern abzuwarten war allein den Wittiben anbefohlen/ anderswo ſahe ich das Weibliche Ge- ſchlecht ſonſt nichts thun als ſpinnen/ alſo daß man uͤber
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Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
Chriſtlichen Kirchen widerwertigen ketzeꝛiſchen Mei-
nung nicht weren verwickelt und vertiefft geweſen/
ich mich von freyen ſtuͤcken zu ihnen geſchlagen/ oder
wenigſt ihr Leben vor das ſeeligſte in der gantzen
Welt geſchetzt haͤtte/ dann ſie kamen mir in ihrem
Thun und Leben allerdings fuͤr wie Joſephus und
andere mehr/ die Juͤdiſche Eſſeer beſchrieben; Sie
hatten erſtlich groſſe Schaͤtze und uͤberfluͤſſige Nah-
rung/ die ſie aber keines Wegs verſchwendeten/
kein Fluch/ Murmelung noch Ungedult wuͤrde bey
ihnen geſpuͤrt/ ja man hoͤrete kein unnuͤtzes Wort/
da ſahe ich die Handwercker in ihren Werckſtaͤtten ar-
beiten/ als wann ſie es verdingt haͤtten/ ihr Schul-
meiſter inſtruirte die Jugend/ als wann ſie alle ſeine
leibliche Kinder geweſt waͤren/ nirgends ſahe ich
Manns- und Weibsbilder untereinander vermiſcht/
ſondern an jedem beſtimbtẽ Ort auch jedes Geſchlecht
abſonderlich ſeine obligende Arbeit verꝛichten; Jch
fande Zimmer/ in welchen nur Kindtbetterinnen wa-
ren/ die ohne Obſorg ihrer Maͤnner durch ihre
Mitſchweſtern mit aller nothwendigen Pfleg ſampt
ihren Kindern reichlich verſehen wurden/ andere
ſonderbahre Saͤl hatten nichts anders in ſich/ als
viel Wiegen mit Saͤuglingen/ die von hierzu beſtim-
ten Weibern mit Wiſchen und Speiſen beobachtet
wurden/ daß ſich deren Muͤtter ferners nicht umb ſie
bekuͤmmern dorfften/ als wann ſie taͤglich zu dreyen
gewiſſen Zeiten kamen/ ihnen ihre milchreiche Bruͤ-
ſte zu bieten: und dieſes Geſchaͤffte den Kindbetterin
und Kindern abzuwarten war allein den Wittiben
anbefohlen/ anderswo ſahe ich das Weibliche Ge-
ſchlecht ſonſt nichts thun als ſpinnen/ alſo daß man
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