Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samuel Greifnson vom Hirschfeld [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Exempel Der unveränderlichen Vorsehung Gottes. [Nürnberg], 1667.

Bild:
<< vorherige Seite

daß wir ihn aus dem Weg raumen;
uns selbsten Sicherheit vor ihm ver-
schaffen/ und also durch sein Verderben
unserem eignen Unglück vorkommen;
Jch werde keinem unter euch rahten/ daß
er ein gifftige Schlang im Busen auff-
erziehe/ damit sie ihn hernach erwürgen
solle/ weil jeder unter euch mein lieber
Bruder ist! Warum wolte ich dann
den gäntzlichen Untergang unser aller
Freyheit hägen/ wann ich Mittel und
Gelegenheit sehe/ uns samtlich solcher
Gefahr zuentreissen? Daß ich aber ge-
rahten habe/ man soll kein Hand anle-
gen: solches ist noch mein Meinung!
Aber man muß mich recht verstehen:
Dann tödten wir ihn selbsten/ so begehen
wir ein Bruder-Mord mit eignen Hän-
den/ und wird das unschuldig Blut über
uns gen Himmel schreyen; Jn dem wir
aber der Gestalt unsern Vattern seines
liebsten Kinds berauben/ so nemmen wir
[ihm]e auch zugleich sein Leben/ in dem wir
ihn durch solche That in grosses Hertzen-
leyd: und durch solches Hertzenleyd sein

Ehr-

daß wir ihn aus dem Weg raumen;
uns ſelbſten Sicherheit vor ihm ver-
ſchaffen/ und alſo durch ſein Verderben
unſerem eignen Ungluͤck vorkommen;
Jch werde keinem unter euch rahten/ daß
er ein gifftige Schlang im Buſen auff-
erziehe/ damit ſie ihn hernach erwuͤrgen
ſolle/ weil jeder unter euch mein lieber
Bruder iſt! Warum wolte ich dann
den gaͤntzlichen Untergang unſer aller
Freyheit haͤgen/ wann ich Mittel und
Gelegenheit ſehe/ uns ſamtlich ſolcher
Gefahr zuentreiſſen? Daß ich aber ge-
rahten habe/ man ſoll kein Hand anle-
gen: ſolches iſt noch mein Meinung!
Aber man muß mich recht verſtehen:
Dann toͤdten wir ihn ſelbſten/ ſo begehen
wir ein Bruder-Mord mit eignen Haͤn-
den/ und wird das unſchuldig Blut uͤber
uns gen Himmel ſchreyen; Jn dem wir
aber der Geſtalt unſern Vattern ſeines
liebſten Kinds berauben/ ſo nemmen wir
[ihm]e auch zugleich ſein Leben/ in dem wir
ihn durch ſolche That in groſſes Hertzen-
leyd: und durch ſolches Hertzenleyd ſein

Ehr-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0036" n="32.[32]"/>
daß wir ihn aus dem Weg raumen;<lb/>
uns &#x017F;elb&#x017F;ten Sicherheit vor ihm ver-<lb/>
&#x017F;chaffen/ und al&#x017F;o durch &#x017F;ein Verderben<lb/>
un&#x017F;erem eignen Unglu&#x0364;ck vorkommen;<lb/>
Jch werde keinem unter euch rahten/ daß<lb/>
er ein gifftige Schlang im Bu&#x017F;en auff-<lb/>
erziehe/ damit &#x017F;ie ihn hernach erwu&#x0364;rgen<lb/>
&#x017F;olle/ weil jeder unter euch mein lieber<lb/>
Bruder i&#x017F;t! Warum wolte ich dann<lb/>
den ga&#x0364;ntzlichen Untergang un&#x017F;er aller<lb/>
Freyheit ha&#x0364;gen/ wann ich Mittel und<lb/>
Gelegenheit &#x017F;ehe/ uns &#x017F;amtlich &#x017F;olcher<lb/>
Gefahr zuentrei&#x017F;&#x017F;en? Daß ich aber ge-<lb/>
rahten habe/ man &#x017F;oll kein Hand anle-<lb/>
gen: &#x017F;olches i&#x017F;t noch mein Meinung!<lb/>
Aber man muß mich recht ver&#x017F;tehen:<lb/>
Dann to&#x0364;dten wir ihn &#x017F;elb&#x017F;ten/ &#x017F;o begehen<lb/>
wir ein Bruder-Mord mit eignen Ha&#x0364;n-<lb/>
den/ und wird das un&#x017F;chuldig Blut u&#x0364;ber<lb/>
uns gen Himmel &#x017F;chreyen; Jn dem wir<lb/>
aber der Ge&#x017F;talt un&#x017F;ern Vattern &#x017F;eines<lb/>
lieb&#x017F;ten Kinds berauben/ &#x017F;o nemmen wir<lb/><supplied>ihm</supplied>e auch zugleich &#x017F;ein Leben/ in dem wir<lb/>
ihn durch &#x017F;olche That in gro&#x017F;&#x017F;es Hertzen-<lb/>
leyd: und durch &#x017F;olches Hertzenleyd &#x017F;ein<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ehr-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32.[32]/0036] daß wir ihn aus dem Weg raumen; uns ſelbſten Sicherheit vor ihm ver- ſchaffen/ und alſo durch ſein Verderben unſerem eignen Ungluͤck vorkommen; Jch werde keinem unter euch rahten/ daß er ein gifftige Schlang im Buſen auff- erziehe/ damit ſie ihn hernach erwuͤrgen ſolle/ weil jeder unter euch mein lieber Bruder iſt! Warum wolte ich dann den gaͤntzlichen Untergang unſer aller Freyheit haͤgen/ wann ich Mittel und Gelegenheit ſehe/ uns ſamtlich ſolcher Gefahr zuentreiſſen? Daß ich aber ge- rahten habe/ man ſoll kein Hand anle- gen: ſolches iſt noch mein Meinung! Aber man muß mich recht verſtehen: Dann toͤdten wir ihn ſelbſten/ ſo begehen wir ein Bruder-Mord mit eignen Haͤn- den/ und wird das unſchuldig Blut uͤber uns gen Himmel ſchreyen; Jn dem wir aber der Geſtalt unſern Vattern ſeines liebſten Kinds berauben/ ſo nemmen wir ihme auch zugleich ſein Leben/ in dem wir ihn durch ſolche That in groſſes Hertzen- leyd: und durch ſolches Hertzenleyd ſein Ehr-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_vorsehung_1667
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_vorsehung_1667/36
Zitationshilfe: Samuel Greifnson vom Hirschfeld [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Exempel Der unveränderlichen Vorsehung Gottes. [Nürnberg], 1667, S. 32.[32]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_vorsehung_1667/36>, abgerufen am 03.12.2024.