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Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Schweigen gegen Jedermann, wer es immer sei -- auch gegen die Frau Conrectorin, hören Sie wohl? Jetzt bleiben Sie hier. Mich rufen meine Pflichten. Adieu auf morgen!

Mit einem Anfall ritterlicher Galanterie wollte der entzückte Vetter die junge, schöne Frau umarmen; sie aber wich ihm gewandt aus und entschlüpfte. Einen Augenblick später war der Vetter Isidor allein in einem Sturm von Empfindungen und Gedanken, den keine sterbliche Feder auch nur annähernd würde beschreiben können.

Die Frau Conrectorin hatte Julien davoneilen sehen.

Neugierig eilte sie zum Gartenhäuschen, aber ehe sie noch öffnete, that sich die Thür auf, und Vetter Isidor erschien auf der Schwelle. Sein Antlitz strahlte von innerer Verklärung; daneben hatte es auch den Ausdruck kühner Entschlossenheit, und jede seiner Bewegungen war von einer Wichtigthuerei und Feierlichkeit, daß die Conrectorin auf den ersten Blick merkte, etwas Entscheidendes müsse geschehen sein. -- Den Knopf des Regenschirms unter das Kinn gestützt, die Rechte weit von sich gestreckt, den Hut mit trotziger Entschlossenheit tief in die Stirn gedrückt -- so erschien er auf der Schwelle des Gartenhauses.

Nun, Vetterchen, was giebt's? haben Sie geworben? fragte die Frau Conrectorin.

Vetter Isidor nickte stumm und legte zur Bekräftigung noch den Finger auf den Mund.

Schweigen gegen Jedermann, wer es immer sei — auch gegen die Frau Conrectorin, hören Sie wohl? Jetzt bleiben Sie hier. Mich rufen meine Pflichten. Adieu auf morgen!

Mit einem Anfall ritterlicher Galanterie wollte der entzückte Vetter die junge, schöne Frau umarmen; sie aber wich ihm gewandt aus und entschlüpfte. Einen Augenblick später war der Vetter Isidor allein in einem Sturm von Empfindungen und Gedanken, den keine sterbliche Feder auch nur annähernd würde beschreiben können.

Die Frau Conrectorin hatte Julien davoneilen sehen.

Neugierig eilte sie zum Gartenhäuschen, aber ehe sie noch öffnete, that sich die Thür auf, und Vetter Isidor erschien auf der Schwelle. Sein Antlitz strahlte von innerer Verklärung; daneben hatte es auch den Ausdruck kühner Entschlossenheit, und jede seiner Bewegungen war von einer Wichtigthuerei und Feierlichkeit, daß die Conrectorin auf den ersten Blick merkte, etwas Entscheidendes müsse geschehen sein. — Den Knopf des Regenschirms unter das Kinn gestützt, die Rechte weit von sich gestreckt, den Hut mit trotziger Entschlossenheit tief in die Stirn gedrückt — so erschien er auf der Schwelle des Gartenhauses.

Nun, Vetterchen, was giebt's? haben Sie geworben? fragte die Frau Conrectorin.

Vetter Isidor nickte stumm und legte zur Bekräftigung noch den Finger auf den Mund.

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[0100] Schweigen gegen Jedermann, wer es immer sei — auch gegen die Frau Conrectorin, hören Sie wohl? Jetzt bleiben Sie hier. Mich rufen meine Pflichten. Adieu auf morgen! Mit einem Anfall ritterlicher Galanterie wollte der entzückte Vetter die junge, schöne Frau umarmen; sie aber wich ihm gewandt aus und entschlüpfte. Einen Augenblick später war der Vetter Isidor allein in einem Sturm von Empfindungen und Gedanken, den keine sterbliche Feder auch nur annähernd würde beschreiben können. Die Frau Conrectorin hatte Julien davoneilen sehen. Neugierig eilte sie zum Gartenhäuschen, aber ehe sie noch öffnete, that sich die Thür auf, und Vetter Isidor erschien auf der Schwelle. Sein Antlitz strahlte von innerer Verklärung; daneben hatte es auch den Ausdruck kühner Entschlossenheit, und jede seiner Bewegungen war von einer Wichtigthuerei und Feierlichkeit, daß die Conrectorin auf den ersten Blick merkte, etwas Entscheidendes müsse geschehen sein. — Den Knopf des Regenschirms unter das Kinn gestützt, die Rechte weit von sich gestreckt, den Hut mit trotziger Entschlossenheit tief in die Stirn gedrückt — so erschien er auf der Schwelle des Gartenhauses. Nun, Vetterchen, was giebt's? haben Sie geworben? fragte die Frau Conrectorin. Vetter Isidor nickte stumm und legte zur Bekräftigung noch den Finger auf den Mund.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:31:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:31:15Z)

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Zitationshilfe: Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/100>, abgerufen am 14.05.2024.