Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.hab' erst eine Reise machen wollen in der Vacanz, aber du hast Recht, ein Landaufenthalt in der Nähe der Stadt ist viel gesünder und empfehlenswerther. Ich war dir damals sehr dankbar, daß du mich in deinem Hause aufgenommen. Könnte man jetzt diesen Aufenthalt nicht verlängern? Ich würde recht schön darum gebeten haben. Die Conrectorin musterte einen Augenblick den Vetter, dessen Kühnheit ihr durchaus nicht zu mißfallen schien. Wird das aber auch gehen? sagte sie langsam. Der Herr Nachbar ist wüthend auf dich als den Entführer seiner Enkelin. Er schießt dich nieder, wenn er dich zu Gesicht bekommt. O, dagegen gäbe es wohl ein Mittel, ihn zu überzeugen, daß ich keinen Theil an seiner Enkelin habe. Und dies Mittel wäre? Hm, ich meine -- der Vetter machte eine Pause und nahm dann einen neuen Anlauf. Wie wär's, wenn wir ihm weiß machen, wir wären verheirathet. Der Schein wäre nur für uns. Ich habe die Stadt ohnehin satt und könnte hier in der ländlichen Ruhe meine wissenschaftlichen Werke zu Ende bringen. Wenn wir es ihm weißmachten? -- die Frau Conrectorin mußte wirklich laut auflachen. Vetterchen, Sie sind über alle Maßen komisch. Ich meine nur deinethalben, Emilie, sagte er mit hab' erst eine Reise machen wollen in der Vacanz, aber du hast Recht, ein Landaufenthalt in der Nähe der Stadt ist viel gesünder und empfehlenswerther. Ich war dir damals sehr dankbar, daß du mich in deinem Hause aufgenommen. Könnte man jetzt diesen Aufenthalt nicht verlängern? Ich würde recht schön darum gebeten haben. Die Conrectorin musterte einen Augenblick den Vetter, dessen Kühnheit ihr durchaus nicht zu mißfallen schien. Wird das aber auch gehen? sagte sie langsam. Der Herr Nachbar ist wüthend auf dich als den Entführer seiner Enkelin. Er schießt dich nieder, wenn er dich zu Gesicht bekommt. O, dagegen gäbe es wohl ein Mittel, ihn zu überzeugen, daß ich keinen Theil an seiner Enkelin habe. Und dies Mittel wäre? Hm, ich meine — der Vetter machte eine Pause und nahm dann einen neuen Anlauf. Wie wär's, wenn wir ihm weiß machen, wir wären verheirathet. Der Schein wäre nur für uns. Ich habe die Stadt ohnehin satt und könnte hier in der ländlichen Ruhe meine wissenschaftlichen Werke zu Ende bringen. Wenn wir es ihm weißmachten? — die Frau Conrectorin mußte wirklich laut auflachen. Vetterchen, Sie sind über alle Maßen komisch. Ich meine nur deinethalben, Emilie, sagte er mit <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <p><pb facs="#f0135"/> hab' erst eine Reise machen wollen in der Vacanz, aber du hast Recht, ein Landaufenthalt in der Nähe der Stadt ist viel gesünder und empfehlenswerther. Ich war dir damals sehr dankbar, daß du mich in deinem Hause aufgenommen. Könnte man jetzt diesen Aufenthalt nicht verlängern? Ich würde recht schön darum gebeten haben.</p><lb/> <p>Die Conrectorin musterte einen Augenblick den Vetter, dessen Kühnheit ihr durchaus nicht zu mißfallen schien.</p><lb/> <p>Wird das aber auch gehen? sagte sie langsam. Der Herr Nachbar ist wüthend auf dich als den Entführer seiner Enkelin. Er schießt dich nieder, wenn er dich zu Gesicht bekommt.</p><lb/> <p>O, dagegen gäbe es wohl ein Mittel, ihn zu überzeugen, daß ich keinen Theil an seiner Enkelin habe.</p><lb/> <p>Und dies Mittel wäre?</p><lb/> <p>Hm, ich meine — der Vetter machte eine Pause und nahm dann einen neuen Anlauf. Wie wär's, wenn wir ihm weiß machen, wir wären verheirathet. Der Schein wäre nur für uns. Ich habe die Stadt ohnehin satt und könnte hier in der ländlichen Ruhe meine wissenschaftlichen Werke zu Ende bringen.</p><lb/> <p>Wenn wir es ihm weißmachten? — die Frau Conrectorin mußte wirklich laut auflachen. Vetterchen, Sie sind über alle Maßen komisch.</p><lb/> <p>Ich meine nur deinethalben, Emilie, sagte er mit<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0135]
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Die Conrectorin musterte einen Augenblick den Vetter, dessen Kühnheit ihr durchaus nicht zu mißfallen schien.
Wird das aber auch gehen? sagte sie langsam. Der Herr Nachbar ist wüthend auf dich als den Entführer seiner Enkelin. Er schießt dich nieder, wenn er dich zu Gesicht bekommt.
O, dagegen gäbe es wohl ein Mittel, ihn zu überzeugen, daß ich keinen Theil an seiner Enkelin habe.
Und dies Mittel wäre?
Hm, ich meine — der Vetter machte eine Pause und nahm dann einen neuen Anlauf. Wie wär's, wenn wir ihm weiß machen, wir wären verheirathet. Der Schein wäre nur für uns. Ich habe die Stadt ohnehin satt und könnte hier in der ländlichen Ruhe meine wissenschaftlichen Werke zu Ende bringen.
Wenn wir es ihm weißmachten? — die Frau Conrectorin mußte wirklich laut auflachen. Vetterchen, Sie sind über alle Maßen komisch.
Ich meine nur deinethalben, Emilie, sagte er mit
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Zitationshilfe: | Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/135>, abgerufen am 16.07.2024. |