Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

und daß du selbst, mein Kind -- eben nur ein Asyl hier hast.

Meine gute, selige Mutter -- ach, wenn sie noch lebte! -- und lautes Schluchzen unterbrach die nächtliche Stille.

Aber die heisere Stimme fuhr fort:

Du weißt ferner, Julia, daß dieser Patron, der bis auf den letzten Faden fertig war, seine gewaffnete Hand gegen mich erhoben hat, und daß ich es nur der Fügung der Vorsehung zu danken habe, daß ich am Leben geblieben bin. Du weißt auch, daß er als Verbrecher hier verhaftet werden würde, wenn er sich jemals blicken ließe.

Ja wohl, das mag wahr sein. Ihr habt diese unglückliche Sache nicht umsonst an die große Glocke gehängt, sonst würde er mich längst geholt haben.

Wie es scheint, mein Kind, bist du noch immer so verblendet wie am ersten Tage, aber man wird Sorge tragen, meine Liebe, daß du keine neuen Streiche mehr machst.

Was wollen Sie damit sagen, Herr General?

Ho, die Spatzen auf den Bäumen zwitschern ja bereits davon, daß man in gewissen Waldpartieen abermals auf zärtliche Abenteuer ausgeht. Dabei finden sich denn immer hülfreiche Freundinnen, schlaue Kupplerinnen, wie die da drüben zum Beispiel --

Erschrocken trat die Frau Conrectorin zurück. Ja, ja, es ist wahr, der Horcher an der Wand hört seine eigene Schand'.

und daß du selbst, mein Kind — eben nur ein Asyl hier hast.

Meine gute, selige Mutter — ach, wenn sie noch lebte! — und lautes Schluchzen unterbrach die nächtliche Stille.

Aber die heisere Stimme fuhr fort:

Du weißt ferner, Julia, daß dieser Patron, der bis auf den letzten Faden fertig war, seine gewaffnete Hand gegen mich erhoben hat, und daß ich es nur der Fügung der Vorsehung zu danken habe, daß ich am Leben geblieben bin. Du weißt auch, daß er als Verbrecher hier verhaftet werden würde, wenn er sich jemals blicken ließe.

Ja wohl, das mag wahr sein. Ihr habt diese unglückliche Sache nicht umsonst an die große Glocke gehängt, sonst würde er mich längst geholt haben.

Wie es scheint, mein Kind, bist du noch immer so verblendet wie am ersten Tage, aber man wird Sorge tragen, meine Liebe, daß du keine neuen Streiche mehr machst.

Was wollen Sie damit sagen, Herr General?

Ho, die Spatzen auf den Bäumen zwitschern ja bereits davon, daß man in gewissen Waldpartieen abermals auf zärtliche Abenteuer ausgeht. Dabei finden sich denn immer hülfreiche Freundinnen, schlaue Kupplerinnen, wie die da drüben zum Beispiel —

Erschrocken trat die Frau Conrectorin zurück. Ja, ja, es ist wahr, der Horcher an der Wand hört seine eigene Schand'.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="3">
        <p><pb facs="#f0077"/>
und daß du selbst, mein Kind &#x2014; eben nur ein Asyl                hier hast.</p><lb/>
        <p>Meine gute, selige Mutter &#x2014; ach, wenn sie noch lebte! &#x2014; und lautes Schluchzen                unterbrach die nächtliche Stille.</p><lb/>
        <p>Aber die heisere Stimme fuhr fort:</p><lb/>
        <p>Du weißt ferner, Julia, daß dieser Patron, der bis auf den letzten Faden fertig war,                seine gewaffnete Hand gegen mich erhoben hat, und daß ich es nur der Fügung der                Vorsehung zu danken habe, daß ich am Leben geblieben bin. Du weißt auch, daß er als                Verbrecher hier verhaftet werden würde, wenn er sich jemals blicken ließe.</p><lb/>
        <p>Ja wohl, das mag wahr sein. Ihr habt diese unglückliche Sache nicht umsonst an die                große Glocke gehängt, sonst würde er mich längst geholt haben.</p><lb/>
        <p>Wie es scheint, mein Kind, bist du noch immer so verblendet wie am ersten Tage, aber                man wird Sorge tragen, meine Liebe, daß du keine neuen Streiche mehr machst.</p><lb/>
        <p>Was wollen Sie damit sagen, Herr General?</p><lb/>
        <p>Ho, die Spatzen auf den Bäumen zwitschern ja bereits davon, daß man in gewissen                Waldpartieen abermals auf zärtliche Abenteuer ausgeht. Dabei finden sich denn immer                hülfreiche Freundinnen, schlaue Kupplerinnen, wie die da drüben zum Beispiel &#x2014;</p><lb/>
        <p>Erschrocken trat die Frau Conrectorin zurück. Ja, ja, es ist wahr, der Horcher an der                Wand hört seine eigene Schand'.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0077] und daß du selbst, mein Kind — eben nur ein Asyl hier hast. Meine gute, selige Mutter — ach, wenn sie noch lebte! — und lautes Schluchzen unterbrach die nächtliche Stille. Aber die heisere Stimme fuhr fort: Du weißt ferner, Julia, daß dieser Patron, der bis auf den letzten Faden fertig war, seine gewaffnete Hand gegen mich erhoben hat, und daß ich es nur der Fügung der Vorsehung zu danken habe, daß ich am Leben geblieben bin. Du weißt auch, daß er als Verbrecher hier verhaftet werden würde, wenn er sich jemals blicken ließe. Ja wohl, das mag wahr sein. Ihr habt diese unglückliche Sache nicht umsonst an die große Glocke gehängt, sonst würde er mich längst geholt haben. Wie es scheint, mein Kind, bist du noch immer so verblendet wie am ersten Tage, aber man wird Sorge tragen, meine Liebe, daß du keine neuen Streiche mehr machst. Was wollen Sie damit sagen, Herr General? Ho, die Spatzen auf den Bäumen zwitschern ja bereits davon, daß man in gewissen Waldpartieen abermals auf zärtliche Abenteuer ausgeht. Dabei finden sich denn immer hülfreiche Freundinnen, schlaue Kupplerinnen, wie die da drüben zum Beispiel — Erschrocken trat die Frau Conrectorin zurück. Ja, ja, es ist wahr, der Horcher an der Wand hört seine eigene Schand'.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:31:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:31:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/77
Zitationshilfe: Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/77>, abgerufen am 14.05.2024.