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Gryphius, Andreas: Horribilicribrifax. Breslau, 1665.

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Horribilicribrifax
Sophia fället vor ihm auff die Knie: Die unglückse-
lige Schönheit/ gnädiger Herr/ ist diß eintzi-
ge/ was mir/ doch zu meinem Vnglück/ die
Natur verliehen. Wenn sie mich und die Rei-
nigkeit meines Gemüthes in Gefahr setzen soll/
wündsche ich eher die weissen Brüste mit meinein
eignen Blute zuerröten/ als ein durch Vnehr
beflecktes Gesicht/ vor Euer Genaden auffzu-
heben. Jch bitte in diesem Schrancken in wel-
chem mich Elend/ Armuth und Gewalt driu-
get und herumb treibet/ Eure Genaden wolle mir
dieses eintzige erhalten und beschützen helffen/
was mir noch die euserste und recht Eiserne
Noth nicht abzwingen können/ oder mitlei-
dend gedulden/ daß ich vor seinen Füssen dem
geängsteten Geiste den Weg durch diese Brüste
öffne!
Cleander. Meinet ihr/ daß wir euren verstelleten Thrä-
nen und falschen Geberden so viel Glauben ge-
ben? Wir können der Weibes Personen Art
und wissen/ wie heilig sie sich stellen/ wenn sie ih-
re Wahre hoch außbringen wollen.
Sophia. Himmel/ ende nun meine armselige Tage!
bin ich noch länger auff dieser Welt zu leben
begierig/ wenn ich Namen und Ehre verloh-
ren?
Cleand. Namen und Ehre sind eine Hand voll Wind/
und werden nicht gerühmet als nur Scheines
halber.
Sophia. O GOtt! ist es nicht genung/ daß ich bey
allen in Argwohn gerathen bin; durch diese ge-
waltsame Hinwegführung? Muß noch mei-
ne Vnschuld von dem in Zweiffel gezogen wer-
den/ welcher von allen für den kräfftigsten Be-
schützer elender unnd verlassener Waisen ge-
hal-
Horribilicribrifax
Sophia faͤllet vor ihm auff die Knie: Die ungluͤckſe-
lige Schoͤnheit/ gnaͤdiger Herr/ iſt diß eintzi-
ge/ was mir/ doch zu meinem Vngluͤck/ die
Natur verliehen. Wenn ſie mich und die Rei-
nigkeit meines Gemuͤthes in Gefahr ſetzen ſoll/
wuͤndſche ich eher die weiſſen Bruͤſte mit meinein
eignen Blute zuerroͤten/ als ein durch Vnehr
beflecktes Geſicht/ vor Euer Genaden auffzu-
heben. Jch bitte in dieſem Schrancken in wel-
chem mich Elend/ Armuth und Gewalt driu-
get und herumb treibet/ Eure Genaden wolle mir
dieſes eintzige erhalten und beſchuͤtzen helffen/
was mir noch die euſerſte und recht Eiſerne
Noth nicht abzwingen koͤnnen/ oder mitlei-
dend gedulden/ daß ich vor ſeinen Fuͤſſen dem
geaͤngſteten Geiſte den Weg durch dieſe Bruͤſte
oͤffne!
Cleander. Meinet ihr/ daß wir euren verſtelleten Thraͤ-
nen und falſchen Geberden ſo viel Glauben ge-
ben? Wir koͤnnen der Weibes Perſonen Art
und wiſſen/ wie heilig ſie ſich ſtellen/ wenn ſie ih-
re Wahre hoch außbringen wollen.
Sophia. Himmel/ ende nun meine armſelige Tage!
bin ich noch laͤnger auff dieſer Welt zu leben
begierig/ wenn ich Namen und Ehre verloh-
ren?
Cleand. Namen und Ehre ſind eine Hand voll Wind/
und werden nicht geruͤhmet als nur Scheines
halber.
Sophia. O GOtt! iſt es nicht genung/ daß ich bey
allen in Argwohn gerathen bin; durch dieſe ge-
waltſame Hinwegfuͤhrung? Muß noch mei-
ne Vnſchuld von dem in Zweiffel gezogen wer-
den/ welcher von allen fuͤr den kraͤfftigſten Be-
ſchuͤtzer elender unnd verlaſſener Waiſen ge-
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[86/0102] Horribilicribrifax Sophia faͤllet vor ihm auff die Knie: Die ungluͤckſe- lige Schoͤnheit/ gnaͤdiger Herr/ iſt diß eintzi- ge/ was mir/ doch zu meinem Vngluͤck/ die Natur verliehen. Wenn ſie mich und die Rei- nigkeit meines Gemuͤthes in Gefahr ſetzen ſoll/ wuͤndſche ich eher die weiſſen Bruͤſte mit meinein eignen Blute zuerroͤten/ als ein durch Vnehr beflecktes Geſicht/ vor Euer Genaden auffzu- heben. Jch bitte in dieſem Schrancken in wel- chem mich Elend/ Armuth und Gewalt driu- get und herumb treibet/ Eure Genaden wolle mir dieſes eintzige erhalten und beſchuͤtzen helffen/ was mir noch die euſerſte und recht Eiſerne Noth nicht abzwingen koͤnnen/ oder mitlei- dend gedulden/ daß ich vor ſeinen Fuͤſſen dem geaͤngſteten Geiſte den Weg durch dieſe Bruͤſte oͤffne! Cleander. Meinet ihr/ daß wir euren verſtelleten Thraͤ- nen und falſchen Geberden ſo viel Glauben ge- ben? Wir koͤnnen der Weibes Perſonen Art und wiſſen/ wie heilig ſie ſich ſtellen/ wenn ſie ih- re Wahre hoch außbringen wollen. Sophia. Himmel/ ende nun meine armſelige Tage! bin ich noch laͤnger auff dieſer Welt zu leben begierig/ wenn ich Namen und Ehre verloh- ren? Cleand. Namen und Ehre ſind eine Hand voll Wind/ und werden nicht geruͤhmet als nur Scheines halber. Sophia. O GOtt! iſt es nicht genung/ daß ich bey allen in Argwohn gerathen bin; durch dieſe ge- waltſame Hinwegfuͤhrung? Muß noch mei- ne Vnſchuld von dem in Zweiffel gezogen wer- den/ welcher von allen fuͤr den kraͤfftigſten Be- ſchuͤtzer elender unnd verlaſſener Waiſen ge- hal-

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Zitationshilfe: Gryphius, Andreas: Horribilicribrifax. Breslau, 1665, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gryphius_horribilicribrifax_1663/102>, abgerufen am 24.11.2024.