Gryphius, Andreas: Horribilicribrifax. Breslau, 1665.Schertz-Spiel. suchen/ und es auff der wunderlichen Mutter Vor-sorge aukommen lassen. Flaccilla. Sophia. Flaccilla. Ach mein Kind! wenn ich dich entweder nie ge- bohren hette/ oder wenn du in meiner Schoß ge- storben werest: wie vielem Hertzleid weren wir beyde zeitlich entkommen! was nützet aus hohem Geschlecht entsprossen seyn/ wenn man nicht nur den Stand nicht führen/ sondern auch das Leben nicht erhalten kan? Sophia. Frau Mutter! es gehe so hart zu als es wolle; man bleibet dennoch nicht von GOtt verlassen. Flaccilla. Was wollen wir anfangen? womit wollen wir uns erhalten? alle Mittel sind hinweg: Dein Mannbares Alter erfodert einen Bräutigam: Der Mangel aller Hülffe schneidet dir alle Hoff- nung ab: deine Tugenden sind an diesem Orte un- gangbare Müntze: Die grossen Versprechungen/ dich zu befördern/ werden zu Wasser? der Prin- cessin/ die dich in ihren Hoff vor diesem anzuneh- men gesinnet/ ist bereits eine andere auffgedrun- gen. Sophia. GOtt sorget dennoch für uns/ und hat mehr als ein Mittel/ die Seinigen zu erhalten. Flaccilla. Diese Worte füllen den Magen nicht/ und tü- gen weder zu sieden noch zu braten. Wenn du jenem Edelman werest etwas besser an die Hand gegangen/ oder noch gehen woltest/ es stünde be- qvemer umb mich und dich. Sophia. Ha/ Frau Mutter! lieber das Leben verlohren/ als die Ehre! lieber Hunger gestorben/ als die Keuschheit hindan gesetzt! Flaccilla. Man muß aus der Noth eine Tugend machen. Solche grosse Worte stehen reichen Damen/ nicht verlassenen Kindern/ an. Wir haben zwey Tage son- B 2
Schertz-Spiel. ſuchen/ und es auff der wunderlichen Mutter Vor-ſorge aukommen laſſen. Flaccilla. Sophia. Flaccilla. Ach mein Kind! wenn ich dich entweder nie ge- bohren hette/ oder wenn du in meiner Schoß ge- ſtorben wereſt: wie vielem Hertzleid weren wir beyde zeitlich entkommen! was nuͤtzet aus hohem Geſchlecht entſproſſen ſeyn/ wenn man nicht nur den Stand nicht fuͤhren/ ſondern auch das Leben nicht erhalten kan? Sophia. Frau Mutter! es gehe ſo hart zu als es wolle; man bleibet dennoch nicht von GOtt verlaſſen. Flaccilla. Was wollen wir anfangen? womit wollen wir uns erhalten? alle Mittel ſind hinweg: Dein Mannbares Alter erfodert einen Braͤutigam: Der Mangel aller Huͤlffe ſchneidet dir alle Hoff- nung ab: deine Tugenden ſind an dieſem Orte un- gangbare Muͤntze: Die groſſen Verſprechungen/ dich zu befoͤrdern/ werden zu Waſſer? der Prin- ceſſin/ die dich in ihren Hoff vor dieſem anzuneh- men geſinnet/ iſt bereits eine andere auffgedrun- gen. Sophia. GOtt ſorget dennoch fuͤr uns/ und hat mehr als ein Mittel/ die Seinigen zu erhalten. Flaccilla. Dieſe Worte fuͤllen den Magen nicht/ und tuͤ- gen weder zu ſieden noch zu braten. Wenn du jenem Edelman wereſt etwas beſſer an die Hand gegangen/ oder noch gehen wolteſt/ es ſtuͤnde be- qvemer umb mich und dich. Sophia. Ha/ Frau Mutter! lieber das Leben verlohren/ als die Ehre! lieber Hunger geſtorben/ als die Keuſchheit hindan geſetzt! Flaccilla. Man muß aus der Noth eine Tugend machen. Solche groſſe Worte ſtehen reichen Damen/ nicht verlaſſenen Kindern/ an. Wir haben zwey Tage ſon- B 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#SEL"> <p><pb facs="#f0023" n="7"/><fw place="top" type="header">Schertz-Spiel.</fw><lb/> ſuchen/ und es auff der wunderlichen Mutter Vor-<lb/> ſorge aukommen laſſen.</p><lb/> <stage> <hi rendition="#aq">Flaccilla. Sophia.</hi> </stage> </sp><lb/> <sp who="#FLA"> <speaker> <hi rendition="#aq">Flaccilla.</hi> </speaker> <p>Ach mein Kind! wenn ich dich entweder nie ge-<lb/> bohren hette/ oder wenn du in meiner Schoß ge-<lb/> ſtorben wereſt: wie vielem Hertzleid weren wir<lb/> beyde zeitlich entkommen! was nuͤtzet aus hohem<lb/> Geſchlecht entſproſſen ſeyn/ wenn man nicht nur<lb/> den Stand nicht fuͤhren/ ſondern auch das Leben<lb/> nicht erhalten kan<hi rendition="#i">?</hi></p> </sp><lb/> <sp who="#SOP"> <speaker> <hi rendition="#aq">Sophia.</hi> </speaker> <p>Frau Mutter! es gehe ſo hart zu als es wolle;<lb/> man bleibet dennoch nicht von GOtt verlaſſen.</p> </sp><lb/> <sp who="#FLA"> <speaker> <hi rendition="#aq">Flaccilla.</hi> </speaker> <p>Was wollen wir anfangen? womit wollen wir<lb/> uns erhalten<hi rendition="#i">?</hi> alle Mittel ſind hinweg: Dein<lb/> Mannbares Alter erfodert einen Braͤutigam:<lb/> Der Mangel aller Huͤlffe ſchneidet dir alle Hoff-<lb/> nung ab: deine Tugenden ſind an dieſem Orte un-<lb/> gangbare Muͤntze: Die groſſen Verſprechungen/<lb/> dich zu befoͤrdern/ werden zu Waſſer? der Prin-<lb/> ceſſin/ die dich in ihren Hoff vor dieſem anzuneh-<lb/> men geſinnet/ iſt bereits eine andere auffgedrun-<lb/> gen.</p> </sp><lb/> <sp who="#SOP"> <speaker> <hi rendition="#aq">Sophia.</hi> </speaker> <p>GOtt ſorget dennoch fuͤr uns/ und hat mehr als<lb/> ein Mittel/ die Seinigen zu erhalten.</p> </sp><lb/> <sp who="#FLA"> <speaker> <hi rendition="#aq">Flaccilla.</hi> </speaker> <p>Dieſe Worte fuͤllen den Magen nicht/ und tuͤ-<lb/> gen weder zu ſieden noch zu braten. Wenn du<lb/> jenem Edelman wereſt etwas beſſer an die Hand<lb/> gegangen/ oder noch gehen wolteſt/ es ſtuͤnde be-<lb/> qvemer umb mich und dich.</p> </sp><lb/> <sp who="#SOP"> <speaker> <hi rendition="#aq">Sophia.</hi> </speaker> <p>Ha/ Frau Mutter! lieber das Leben verlohren/<lb/> als die Ehre! lieber Hunger geſtorben/ als die<lb/> Keuſchheit hindan geſetzt!</p> </sp><lb/> <sp who="#FLA"> <speaker> <hi rendition="#aq">Flaccilla.</hi> </speaker> <p>Man muß aus der Noth eine Tugend machen.<lb/> Solche groſſe Worte ſtehen reichen Damen/ nicht<lb/> verlaſſenen Kindern/ an. Wir haben zwey Tage<lb/> <fw place="bottom" type="sig">B 2</fw><fw place="bottom" type="catch">ſon-</fw><lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [7/0023]
Schertz-Spiel.
ſuchen/ und es auff der wunderlichen Mutter Vor-
ſorge aukommen laſſen.
Flaccilla. Sophia.
Flaccilla. Ach mein Kind! wenn ich dich entweder nie ge-
bohren hette/ oder wenn du in meiner Schoß ge-
ſtorben wereſt: wie vielem Hertzleid weren wir
beyde zeitlich entkommen! was nuͤtzet aus hohem
Geſchlecht entſproſſen ſeyn/ wenn man nicht nur
den Stand nicht fuͤhren/ ſondern auch das Leben
nicht erhalten kan?
Sophia. Frau Mutter! es gehe ſo hart zu als es wolle;
man bleibet dennoch nicht von GOtt verlaſſen.
Flaccilla. Was wollen wir anfangen? womit wollen wir
uns erhalten? alle Mittel ſind hinweg: Dein
Mannbares Alter erfodert einen Braͤutigam:
Der Mangel aller Huͤlffe ſchneidet dir alle Hoff-
nung ab: deine Tugenden ſind an dieſem Orte un-
gangbare Muͤntze: Die groſſen Verſprechungen/
dich zu befoͤrdern/ werden zu Waſſer? der Prin-
ceſſin/ die dich in ihren Hoff vor dieſem anzuneh-
men geſinnet/ iſt bereits eine andere auffgedrun-
gen.
Sophia. GOtt ſorget dennoch fuͤr uns/ und hat mehr als
ein Mittel/ die Seinigen zu erhalten.
Flaccilla. Dieſe Worte fuͤllen den Magen nicht/ und tuͤ-
gen weder zu ſieden noch zu braten. Wenn du
jenem Edelman wereſt etwas beſſer an die Hand
gegangen/ oder noch gehen wolteſt/ es ſtuͤnde be-
qvemer umb mich und dich.
Sophia. Ha/ Frau Mutter! lieber das Leben verlohren/
als die Ehre! lieber Hunger geſtorben/ als die
Keuſchheit hindan geſetzt!
Flaccilla. Man muß aus der Noth eine Tugend machen.
Solche groſſe Worte ſtehen reichen Damen/ nicht
verlaſſenen Kindern/ an. Wir haben zwey Tage
ſon-
B 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDas Exemplar stellt den ersten datierten Druck da… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |