Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Günther, Johann: Send-Schreiben an einen S. Theologum. Leipzig, 1711.

Bild:
<< vorherige Seite

wer wolte nicht die jenigen aufs demüthigste veneriren, welche alle Geheimnisse unsers Hertzens wissen. Die Messe bringt viel in die Küche, zumahlen wenn vornehme Herren sterben, die nicht gerne lange im Fege-Feuer bleiben wollen. Und durch eben dieses Blendwerck haben die Pfaffen ihr Ansehen gar hoch gebracht. Denn wer wolte sich nicht ducken und bügen vor einem solchen Manne, der durch ein bloßes heimliches Gemurmel, aus einem bißgen Brodt den Schöpffer machen, und denselben hernach vor Todte und Lebendige aufopffern kan. Den guten Wercken und sonderlich dem Allmosen würde man schwerlich so grosse Verdienste zuschreiben, wenn es nicht der Römischen Clerisey viel eintrüge. Alle Geistliche müssen deßwegen vom Ehestande sich enthalten, nur daß keiner durch eigne Hauß-Sorgen abstrahiret werde, auf das allgemeine Staats Interesse des Päbstischen Reiches zusehen. Die Lehre, daß die Krafft und Würckung der Sacramente von der Intention des administrirenden Pfaffens dependire, würde wohl zurücke blieben seyn, wenn man nicht hierdurch die Layen dahin zubringen gesucht hätte, daß ein iedweder allen möglichen Fleiß anwenden solte, die Geistlichen durch Geschencke und demüthige Verehrung zu guten Freunden zu behalten, damit sie nicht eine üble Intention haben, und hierdurch die H. Sacramenta fruchtloß machen möchten. Wenn die Pfaffen bey Verrichtung des öffentlichen Gottesdiensts, sonderlich vorm Altare, bloß der Lateinischen Sprache sich gebrauchen, welche das gemeine Volck nicht

wer wolte nicht die jenigen aufs demüthigste veneriren, welche alle Geheimnisse unsers Hertzens wissen. Die Messe bringt viel in die Küche, zumahlen wenn vornehme Herren sterben, die nicht gerne lange im Fege-Feuer bleiben wollen. Und durch eben dieses Blendwerck haben die Pfaffen ihr Ansehen gar hoch gebracht. Denn wer wolte sich nicht ducken und bügen vor einem solchen Manne, der durch ein bloßes heimliches Gemurmel, aus einem bißgen Brodt den Schöpffer machen, und denselben hernach vor Todte und Lebendige aufopffern kan. Den guten Wercken und sonderlich dem Allmosen würde man schwerlich so grosse Verdienste zuschreiben, wenn es nicht der Römischen Clerisey viel eintrüge. Alle Geistliche müssen deßwegen vom Ehestande sich enthalten, nur daß keiner durch eigne Hauß-Sorgen abstrahiret werde, auf das allgemeine Staats Interesse des Päbstischen Reiches zusehen. Die Lehre, daß die Krafft und Würckung der Sacramente von der Intention des administrirenden Pfaffens dependire, würde wohl zurücke blieben seyn, wenn man nicht hierdurch die Layen dahin zubringen gesucht hätte, daß ein iedweder allen möglichen Fleiß anwenden solte, die Geistlichen durch Geschencke und demüthige Verehrung zu guten Freunden zu behalten, damit sie nicht eine üble Intention haben, und hierdurch die H. Sacramenta fruchtloß machen möchten. Wenn die Pfaffen bey Verrichtung des öffentlichen Gottesdiensts, sonderlich vorm Altare, bloß der Lateinischen Sprache sich gebrauchen, welche das gemeine Volck nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0125" n="125"/>
wer wolte nicht die jenigen aufs demüthigste veneriren, welche                      alle Geheimnisse unsers Hertzens wissen. Die Messe bringt viel in die Küche,                      zumahlen wenn vornehme Herren sterben, die nicht gerne lange im Fege-Feuer                      bleiben wollen. Und durch eben dieses Blendwerck haben die Pfaffen ihr Ansehen                      gar hoch gebracht. Denn wer wolte sich nicht ducken und bügen vor einem solchen                      Manne, der durch ein bloßes heimliches Gemurmel, aus einem bißgen Brodt den                      Schöpffer machen, und denselben hernach vor Todte und Lebendige aufopffern kan.                      Den guten Wercken und sonderlich dem Allmosen würde man schwerlich so grosse                      Verdienste zuschreiben, wenn es nicht der Römischen Clerisey viel eintrüge. Alle                      Geistliche müssen deßwegen vom Ehestande sich enthalten, nur daß keiner durch                      eigne Hauß-Sorgen abstrahiret werde, auf das allgemeine Staats Interesse des                      Päbstischen Reiches zusehen. Die Lehre, daß die Krafft und Würckung der                      Sacramente von der Intention des administrirenden Pfaffens dependire, würde wohl                      zurücke blieben seyn, wenn man nicht hierdurch die Layen dahin zubringen gesucht                      hätte, daß ein iedweder allen möglichen Fleiß anwenden solte, die Geistlichen                      durch Geschencke und demüthige Verehrung zu guten Freunden zu behalten, damit                      sie nicht eine üble Intention haben, und hierdurch die H. Sacramenta fruchtloß                      machen möchten. Wenn die Pfaffen bey Verrichtung des öffentlichen Gottesdiensts,                      sonderlich vorm Altare, bloß der Lateinischen Sprache sich gebrauchen, welche                      das gemeine Volck nicht
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0125] wer wolte nicht die jenigen aufs demüthigste veneriren, welche alle Geheimnisse unsers Hertzens wissen. Die Messe bringt viel in die Küche, zumahlen wenn vornehme Herren sterben, die nicht gerne lange im Fege-Feuer bleiben wollen. Und durch eben dieses Blendwerck haben die Pfaffen ihr Ansehen gar hoch gebracht. Denn wer wolte sich nicht ducken und bügen vor einem solchen Manne, der durch ein bloßes heimliches Gemurmel, aus einem bißgen Brodt den Schöpffer machen, und denselben hernach vor Todte und Lebendige aufopffern kan. Den guten Wercken und sonderlich dem Allmosen würde man schwerlich so grosse Verdienste zuschreiben, wenn es nicht der Römischen Clerisey viel eintrüge. Alle Geistliche müssen deßwegen vom Ehestande sich enthalten, nur daß keiner durch eigne Hauß-Sorgen abstrahiret werde, auf das allgemeine Staats Interesse des Päbstischen Reiches zusehen. Die Lehre, daß die Krafft und Würckung der Sacramente von der Intention des administrirenden Pfaffens dependire, würde wohl zurücke blieben seyn, wenn man nicht hierdurch die Layen dahin zubringen gesucht hätte, daß ein iedweder allen möglichen Fleiß anwenden solte, die Geistlichen durch Geschencke und demüthige Verehrung zu guten Freunden zu behalten, damit sie nicht eine üble Intention haben, und hierdurch die H. Sacramenta fruchtloß machen möchten. Wenn die Pfaffen bey Verrichtung des öffentlichen Gottesdiensts, sonderlich vorm Altare, bloß der Lateinischen Sprache sich gebrauchen, welche das gemeine Volck nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_sendschreiben_1711
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_sendschreiben_1711/125
Zitationshilfe: Günther, Johann: Send-Schreiben an einen S. Theologum. Leipzig, 1711, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_sendschreiben_1711/125>, abgerufen am 21.11.2024.