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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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und den europäischen insbesondere.
Bey der Abnahme des kaiserlichen Ansehens in Italien
bildeten sich daraus verschiedene Freistaaten, die nachher
in das Herzogthum Florenz oder Toscana zusammen-
schmolzen. Dieses in der Folge durch Papst [1569]
und Kaiser [1576] zum Grosherzogthum erhabene Land
war der Oberherschaft des Reichs ohnstreitig unterwor-
fen, obgleich nicht Florenz selbst, sondern nur einige
Nebenstücke von demselben zu Lehen gingen. Johann
Gasto
, der letzte Grosherzog aus dem Hause Medicis,
wolte iedoch Toscana für unabhängig vom Reiche ausge-
ben, weil die Kaiser seit Jahrhunderten kein Hoheits-
recht darüber ausgeübt hätten, aber Kaiser Karl VI. be-
hielt die Oberhand, und das Grosherzogthum Toscana
wurde in der sogenanten Quadrupelallianz 1718, Art 5.
für ein unbezweifeltes Lehen des teutschen Reichs aner-
kant, das auf den Abgang des mediceischen Stams an
den spanischen Prinzen zweiter Ehe Philip V. fallen sol-
te. Das Reich gab auch, unter diesen Bedingungen,
am 9. December 1722 seine Einwilligung dazu. Ver-
geblich protestirte Herzog Gasto 1723 wider diese Lehns-
eigenschaft seines Grosherzogthums. In den Wiener
Friedenspräliminarien 1735 hingegen wurde die vorige
Disposition geändert, und Toscana, auf obigen Fall, dem
Herzoge von Lothringen, statt der an Frankreich abzutre-
tenden Herzogthümer Lothringen und Aar, zugesichert,
ohne einer Lehnbarkeit oder Unabhängigkeit zu gedenken.
Jedoch versicherte der Kaiser, in dem desfals ans Reich
erlassenen Commissions-Decret vom 25. März 1736, daß
die Gerechtsame des Reichs in Ansehung Toscana, Par-
ma und Piacenza bey diesem neuen Systemate keine wei-
tere Gefahr und Anstoß wie ehedessen zu befahren. Gleich-
wohl geschah der Lehnseigenschaft im Definitiv-Frieden
weiter keine Erwähnung. Der Herzog Franz Stephan
von Lothringen erhielt hierauf 1737 die Eventualbelehn-
ung über Toscana und gelangte noch in demselben Jahre

zum
H 2

und den europaͤiſchen insbeſondere.
Bey der Abnahme des kaiſerlichen Anſehens in Italien
bildeten ſich daraus verſchiedene Freiſtaaten, die nachher
in das Herzogthum Florenz oder Toſcana zuſammen-
ſchmolzen. Dieſes in der Folge durch Papſt [1569]
und Kaiſer [1576] zum Grosherzogthum erhabene Land
war der Oberherſchaft des Reichs ohnſtreitig unterwor-
fen, obgleich nicht Florenz ſelbſt, ſondern nur einige
Nebenſtuͤcke von demſelben zu Lehen gingen. Johann
Gaſto
, der letzte Grosherzog aus dem Hauſe Medicis,
wolte iedoch Toſcana fuͤr unabhaͤngig vom Reiche ausge-
ben, weil die Kaiſer ſeit Jahrhunderten kein Hoheits-
recht daruͤber ausgeuͤbt haͤtten, aber Kaiſer Karl VI. be-
hielt die Oberhand, und das Grosherzogthum Toſcana
wurde in der ſogenanten Quadrupelallianz 1718, Art 5.
fuͤr ein unbezweifeltes Lehen des teutſchen Reichs aner-
kant, das auf den Abgang des mediceiſchen Stams an
den ſpaniſchen Prinzen zweiter Ehe Philip V. fallen ſol-
te. Das Reich gab auch, unter dieſen Bedingungen,
am 9. December 1722 ſeine Einwilligung dazu. Ver-
geblich proteſtirte Herzog Gaſto 1723 wider dieſe Lehns-
eigenſchaft ſeines Grosherzogthums. In den Wiener
Friedenspraͤliminarien 1735 hingegen wurde die vorige
Diſpoſition geaͤndert, und Toſcana, auf obigen Fall, dem
Herzoge von Lothringen, ſtatt der an Frankreich abzutre-
tenden Herzogthuͤmer Lothringen und Aar, zugeſichert,
ohne einer Lehnbarkeit oder Unabhaͤngigkeit zu gedenken.
Jedoch verſicherte der Kaiſer, in dem desfals ans Reich
erlaſſenen Commiſſions-Decret vom 25. Maͤrz 1736, daß
die Gerechtſame des Reichs in Anſehung Toſcana, Par-
ma und Piacenza bey dieſem neuen Syſtemate keine wei-
tere Gefahr und Anſtoß wie ehedeſſen zu befahren. Gleich-
wohl geſchah der Lehnseigenſchaft im Definitiv-Frieden
weiter keine Erwaͤhnung. Der Herzog Franz Stephan
von Lothringen erhielt hierauf 1737 die Eventualbelehn-
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[115/0141] und den europaͤiſchen insbeſondere. Bey der Abnahme des kaiſerlichen Anſehens in Italien bildeten ſich daraus verſchiedene Freiſtaaten, die nachher in das Herzogthum Florenz oder Toſcana zuſammen- ſchmolzen. Dieſes in der Folge durch Papſt [1569] und Kaiſer [1576] zum Grosherzogthum erhabene Land war der Oberherſchaft des Reichs ohnſtreitig unterwor- fen, obgleich nicht Florenz ſelbſt, ſondern nur einige Nebenſtuͤcke von demſelben zu Lehen gingen. Johann Gaſto, der letzte Grosherzog aus dem Hauſe Medicis, wolte iedoch Toſcana fuͤr unabhaͤngig vom Reiche ausge- ben, weil die Kaiſer ſeit Jahrhunderten kein Hoheits- recht daruͤber ausgeuͤbt haͤtten, aber Kaiſer Karl VI. be- hielt die Oberhand, und das Grosherzogthum Toſcana wurde in der ſogenanten Quadrupelallianz 1718, Art 5. fuͤr ein unbezweifeltes Lehen des teutſchen Reichs aner- kant, das auf den Abgang des mediceiſchen Stams an den ſpaniſchen Prinzen zweiter Ehe Philip V. fallen ſol- te. Das Reich gab auch, unter dieſen Bedingungen, am 9. December 1722 ſeine Einwilligung dazu. Ver- geblich proteſtirte Herzog Gaſto 1723 wider dieſe Lehns- eigenſchaft ſeines Grosherzogthums. In den Wiener Friedenspraͤliminarien 1735 hingegen wurde die vorige Diſpoſition geaͤndert, und Toſcana, auf obigen Fall, dem Herzoge von Lothringen, ſtatt der an Frankreich abzutre- tenden Herzogthuͤmer Lothringen und Aar, zugeſichert, ohne einer Lehnbarkeit oder Unabhaͤngigkeit zu gedenken. Jedoch verſicherte der Kaiſer, in dem desfals ans Reich erlaſſenen Commiſſions-Decret vom 25. Maͤrz 1736, daß die Gerechtſame des Reichs in Anſehung Toſcana, Par- ma und Piacenza bey dieſem neuen Syſtemate keine wei- tere Gefahr und Anſtoß wie ehedeſſen zu befahren. Gleich- wohl geſchah der Lehnseigenſchaft im Definitiv-Frieden weiter keine Erwaͤhnung. Der Herzog Franz Stephan von Lothringen erhielt hierauf 1737 die Eventualbelehn- ung uͤber Toſcana und gelangte noch in demſelben Jahre zum H 2

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/141>, abgerufen am 24.11.2024.