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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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Von den souverainen Staaten überhaupt,
stens den stilschweigenden Verträgen sehr nachtheilig seyn.
Wären die teutschen Reichsstände und Lande dem Kaiser
allein auch noch so unterthänig gewesen, so haben sie mit
Genehmigung desselben doch nach und nach wahre Sou-
verainetätsrechte erlangt, und können nunmehr kaum
anders als ein unter kaiserlicher Hoheit vereinigtes Staa-
tensystem betrachtet werden, welchem die Beobachtung
der Grundgesätze und Verträge demungeachtet heilig blei-
ben muß b].

a] Grotius de J. B. et P. L. I. C. III. §. 7. n. 2. Puffen-
dorf
de J. N. et G. L. VII. c. V.
§. 18.
b] Traug. Thomasii Problema Jur. Publ. an forma Imperii
Rom. Germ. sit Systema civitatum compositarum?
Lips.
1737. 4.
§. 41.
Persönliche Souverainetät.

Die Beherscher souverainer Staaten werden deshalb
auch Souveraine genant, ob dieser Ausdruck in der
persönlichen Bedeutung gleich mehr die innere Unabhän-
gigkeit von Reichsgrundgesetzen bezeichnet. Sie sind,
nach Beschaffenheit der besitzenden Staaten, auch für
ihre Person mehr oder weniger unabhängig. Die Re-
genten lehn- zinsbarer und anderer solcher abhängiger
Staaten bleiben, wie Real a] erinnert, nichts destowe-
niger Souveraine, wenn sie nur für ihre Person nicht
unter der Gerichtsbarkeit eines andern Fürsten stehn und
die öffentliche und absolute Macht über ihre Unterthanen
haben. Und da eine Person mehrere Verbindlichkeiten
übernehmen und nach verschiedenen Rücksichten betrachtet
werden kan, so schaden auch diejenigen Abhängigkeits-
verbindungen, welche Beherscher völlig unabhängiger
Staaten, ohne deren Einmischung, entweder blos für

ihre

Von den ſouverainen Staaten uͤberhaupt,
ſtens den ſtilſchweigenden Vertraͤgen ſehr nachtheilig ſeyn.
Waͤren die teutſchen Reichsſtaͤnde und Lande dem Kaiſer
allein auch noch ſo unterthaͤnig geweſen, ſo haben ſie mit
Genehmigung deſſelben doch nach und nach wahre Sou-
verainetaͤtsrechte erlangt, und koͤnnen nunmehr kaum
anders als ein unter kaiſerlicher Hoheit vereinigtes Staa-
tenſyſtem betrachtet werden, welchem die Beobachtung
der Grundgeſaͤtze und Vertraͤge demungeachtet heilig blei-
ben muß b].

a] Grotius de J. B. et P. L. I. C. III. §. 7. n. 2. Puffen-
dorf
de J. N. et G. L. VII. c. V.
§. 18.
b] Traug. Thomaſii Problema Jur. Publ. an forma Imperii
Rom. Germ. ſit Syſtema civitatum compoſitarum?
Lipſ.
1737. 4.
§. 41.
Perſoͤnliche Souverainetaͤt.

Die Beherſcher ſouverainer Staaten werden deshalb
auch Souveraine genant, ob dieſer Ausdruck in der
perſoͤnlichen Bedeutung gleich mehr die innere Unabhaͤn-
gigkeit von Reichsgrundgeſetzen bezeichnet. Sie ſind,
nach Beſchaffenheit der beſitzenden Staaten, auch fuͤr
ihre Perſon mehr oder weniger unabhaͤngig. Die Re-
genten lehn- zinsbarer und anderer ſolcher abhaͤngiger
Staaten bleiben, wie Real a] erinnert, nichts deſtowe-
niger Souveraine, wenn ſie nur fuͤr ihre Perſon nicht
unter der Gerichtsbarkeit eines andern Fuͤrſten ſtehn und
die oͤffentliche und abſolute Macht uͤber ihre Unterthanen
haben. Und da eine Perſon mehrere Verbindlichkeiten
uͤbernehmen und nach verſchiedenen Ruͤckſichten betrachtet
werden kan, ſo ſchaden auch diejenigen Abhaͤngigkeits-
verbindungen, welche Beherſcher voͤllig unabhaͤngiger
Staaten, ohne deren Einmiſchung, entweder blos fuͤr

ihre
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[142/0168] Von den ſouverainen Staaten uͤberhaupt, ſtens den ſtilſchweigenden Vertraͤgen ſehr nachtheilig ſeyn. Waͤren die teutſchen Reichsſtaͤnde und Lande dem Kaiſer allein auch noch ſo unterthaͤnig geweſen, ſo haben ſie mit Genehmigung deſſelben doch nach und nach wahre Sou- verainetaͤtsrechte erlangt, und koͤnnen nunmehr kaum anders als ein unter kaiſerlicher Hoheit vereinigtes Staa- tenſyſtem betrachtet werden, welchem die Beobachtung der Grundgeſaͤtze und Vertraͤge demungeachtet heilig blei- ben muß b]. a] Grotius de J. B. et P. L. I. C. III. §. 7. n. 2. Puffen- dorf de J. N. et G. L. VII. c. V. §. 18. b] Traug. Thomaſii Problema Jur. Publ. an forma Imperii Rom. Germ. ſit Syſtema civitatum compoſitarum? Lipſ. 1737. 4. §. 41. Perſoͤnliche Souverainetaͤt. Die Beherſcher ſouverainer Staaten werden deshalb auch Souveraine genant, ob dieſer Ausdruck in der perſoͤnlichen Bedeutung gleich mehr die innere Unabhaͤn- gigkeit von Reichsgrundgeſetzen bezeichnet. Sie ſind, nach Beſchaffenheit der beſitzenden Staaten, auch fuͤr ihre Perſon mehr oder weniger unabhaͤngig. Die Re- genten lehn- zinsbarer und anderer ſolcher abhaͤngiger Staaten bleiben, wie Real a] erinnert, nichts deſtowe- niger Souveraine, wenn ſie nur fuͤr ihre Perſon nicht unter der Gerichtsbarkeit eines andern Fuͤrſten ſtehn und die oͤffentliche und abſolute Macht uͤber ihre Unterthanen haben. Und da eine Perſon mehrere Verbindlichkeiten uͤbernehmen und nach verſchiedenen Ruͤckſichten betrachtet werden kan, ſo ſchaden auch diejenigen Abhaͤngigkeits- verbindungen, welche Beherſcher voͤllig unabhaͤngiger Staaten, ohne deren Einmiſchung, entweder blos fuͤr ihre

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/168>, abgerufen am 27.11.2024.