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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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der Nazionen.
in die Augen. Völker, sagt er, sind wie einzelne Men-
schen von Natur zur Geselschaft verbunden, und eine
Geselschaft, die zum gemeinschaftlichen Wohl sich verei-
nigt, ist eine bürgerliche oder Staatsgeselschaft d].
Hier fehlt offenbar das Haupterfordernis eines Staats,
das gemeinschaftliche Oberhaupt, denn sonst würde
iede Geselschaft ein Staatskörper seyn. Zwar schreibt
Wolf diesem Weltstaate eine demokratische Regierungs-
form zu, und legt den gesamten Völkern eine gewisse
Oberherschaft [Speciem quandam imperii civilis] über
einzelne, die regierende und gesetzgebende Gewalt aber
demienigen bey, der durch richtige Vernunftschlüsse die
Vorschriften der Natur bestimmt e]. Da aber alle Ober-
herschaft und Unterwürfigkeit nicht von der Natur, son-
dern von freiwilligen Verträgen ihren Ursprung hat, so
würde die Annahme einer solchen Regierungsform, wie
Schrodt f] sehr richtig erinnert, der natürlichen Freiheit
und Unabhängigkeit der Völker geradezu widerstreiten.

a] Geselschaft ist eine Folge unsrer Bedürfnisse, Regie-
rung
eine Folge unserer Verderbtheit. Geselschaft, wie
sie auch eingerichtet seyn mag, ist allemal ein Glück, aber
Regierung, wie sie auch aufs volkommenste eingerichtet
ist, allemal ein nothwendiges Uebel. Ueber den Ur-
sprung und die Absicht der Regierung überhaupt in
Dohms Material. 1. Lief. S. 9. u. f.
b] Seneca de otio sap. c. 31. Grotius proleg. §. 18. Man
vergl. Real T. V. im Anf.
c] l. G. Proleg. §. 7. u. f.
d] Ipsa enim natura instituit inter omnes gentes societa-
tem et ad eam colendam eas obligat communis boni
conjunctis viribus promovendi causa. Quamobrem
cum societas hominum communis boni conjunctis viri-
bus promovendi causa contracta civitas sit, ipsa natura
in civitatem consociavit gentes.
Am a. O. §. 9.
e]
K 4

der Nazionen.
in die Augen. Voͤlker, ſagt er, ſind wie einzelne Men-
ſchen von Natur zur Geſelſchaft verbunden, und eine
Geſelſchaft, die zum gemeinſchaftlichen Wohl ſich verei-
nigt, iſt eine buͤrgerliche oder Staatsgeſelſchaft d].
Hier fehlt offenbar das Haupterfordernis eines Staats,
das gemeinſchaftliche Oberhaupt, denn ſonſt wuͤrde
iede Geſelſchaft ein Staatskoͤrper ſeyn. Zwar ſchreibt
Wolf dieſem Weltſtaate eine demokratiſche Regierungs-
form zu, und legt den geſamten Voͤlkern eine gewiſſe
Oberherſchaft [Speciem quandam imperii civilis] uͤber
einzelne, die regierende und geſetzgebende Gewalt aber
demienigen bey, der durch richtige Vernunftſchluͤſſe die
Vorſchriften der Natur beſtimmt e]. Da aber alle Ober-
herſchaft und Unterwuͤrfigkeit nicht von der Natur, ſon-
dern von freiwilligen Vertraͤgen ihren Urſprung hat, ſo
wuͤrde die Annahme einer ſolchen Regierungsform, wie
Schrodt f] ſehr richtig erinnert, der natuͤrlichen Freiheit
und Unabhaͤngigkeit der Voͤlker geradezu widerſtreiten.

a] Geſelſchaft iſt eine Folge unſrer Beduͤrfniſſe, Regie-
rung
eine Folge unſerer Verderbtheit. Geſelſchaft, wie
ſie auch eingerichtet ſeyn mag, iſt allemal ein Gluͤck, aber
Regierung, wie ſie auch aufs volkommenſte eingerichtet
iſt, allemal ein nothwendiges Uebel. Ueber den Ur-
ſprung und die Abſicht der Regierung uͤberhaupt in
Dohms Material. 1. Lief. S. 9. u. f.
b] Seneca de otio ſap. c. 31. Grotius proleg. §. 18. Man
vergl. Real T. V. im Anf.
c] l. G. Proleg. §. 7. u. f.
d] Ipſa enim natura inſtituit inter omnes gentes ſocieta-
tem et ad eam colendam eas obligat communis boni
conjunctis viribus promovendi cauſa. Quamobrem
cum ſocietas hominum communis boni conjunctis viri-
bus promovendi cauſa contracta civitas ſit, ipſa natura
in civitatem conſociavit gentes.
Am a. O. §. 9.
e]
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[151/0177] der Nazionen. in die Augen. Voͤlker, ſagt er, ſind wie einzelne Men- ſchen von Natur zur Geſelſchaft verbunden, und eine Geſelſchaft, die zum gemeinſchaftlichen Wohl ſich verei- nigt, iſt eine buͤrgerliche oder Staatsgeſelſchaft d]. Hier fehlt offenbar das Haupterfordernis eines Staats, das gemeinſchaftliche Oberhaupt, denn ſonſt wuͤrde iede Geſelſchaft ein Staatskoͤrper ſeyn. Zwar ſchreibt Wolf dieſem Weltſtaate eine demokratiſche Regierungs- form zu, und legt den geſamten Voͤlkern eine gewiſſe Oberherſchaft [Speciem quandam imperii civilis] uͤber einzelne, die regierende und geſetzgebende Gewalt aber demienigen bey, der durch richtige Vernunftſchluͤſſe die Vorſchriften der Natur beſtimmt e]. Da aber alle Ober- herſchaft und Unterwuͤrfigkeit nicht von der Natur, ſon- dern von freiwilligen Vertraͤgen ihren Urſprung hat, ſo wuͤrde die Annahme einer ſolchen Regierungsform, wie Schrodt f] ſehr richtig erinnert, der natuͤrlichen Freiheit und Unabhaͤngigkeit der Voͤlker geradezu widerſtreiten. a] Geſelſchaft iſt eine Folge unſrer Beduͤrfniſſe, Regie- rung eine Folge unſerer Verderbtheit. Geſelſchaft, wie ſie auch eingerichtet ſeyn mag, iſt allemal ein Gluͤck, aber Regierung, wie ſie auch aufs volkommenſte eingerichtet iſt, allemal ein nothwendiges Uebel. Ueber den Ur- ſprung und die Abſicht der Regierung uͤberhaupt in Dohms Material. 1. Lief. S. 9. u. f. b] Seneca de otio ſap. c. 31. Grotius proleg. §. 18. Man vergl. Real T. V. im Anf. c] l. G. Proleg. §. 7. u. f. d] Ipſa enim natura inſtituit inter omnes gentes ſocieta- tem et ad eam colendam eas obligat communis boni conjunctis viribus promovendi cauſa. Quamobrem cum ſocietas hominum communis boni conjunctis viri- bus promovendi cauſa contracta civitas ſit, ipſa natura in civitatem conſociavit gentes. Am a. O. §. 9. e] K 4

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/177>, abgerufen am 27.11.2024.