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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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Von der ursprünglichen Gleichheit
nichts weiter zu hören gewesen h]. Der herzoglich
savoyischen Widersprüche gegen den kurfürstlichen Vor-
rang soll nachher noch einige Erwähnung geschehen.

Der Rang der Kurfürsten unter sich in Reichsangele-
genheiten war ehemals zuweilen auch streitig. Gegen-
wärtig ist er durch Grundgesetze und Verträge nach der
Lineal-, Lateral- und Processionsordnung auf alle
Fälle entschieden, wohin hauptsächlich die Tit. III. IV.
XXI.
und XXII. der goldnen Bulle, der Kollegialschluß
vom 11. März 1653 und einige neuere Conclusa zu
rechnen, deren umständlichere Erwähnung aber mehr ins
teutsche Staatsrecht gehört. Nur so viel will ich noch
bemerken, daß die königliche Würde, womit einige Kur-
fürsten zugleich bekleidet sind, auf Wahl-, Reichs-,
Kreis-, Deputations-, Kollegial- und andern Tägen,
auch Friedens- und dergleichen Konventen, wo die
Könige blos als Kurfürsten und ihre Gesandte als Kur-
fürstliche erscheinen, keinen Vorrang oder Vorrecht weiter
bewürke. Dahin muste nicht nur Kurbrandenburg bey
Annehmung der preussischen Krone, sondern auch Böh-
men bey seiner Readmission 1708 sich verbinden i], und
in der Wahlkapitulation verspricht der Kaiser Art. III.
§. 21.: "nirgendwo zwischen denen Kurfürsten unter
einander in Ceremoniali einen Unterschied einzuführen,
noch einführen zu lassen.

Ausser der Reichsverbindung beobachten die Kurfür-
sten unter sich, nach Mosers Meinung, bey Zusamen-
künften zwar gemeiniglich auch den in kurfürstlichen Kol-
legien eingeführten Rang, iedoch erhellet aus dem oben-
angeführten, daß man diesen Satz nicht als eine alge-
meine Regel annehmen könne. Uebrigens ist kein Zwei-
fel, daß die Kurfürsten, welche zugleich Könige sind, und
als solche erscheinen, den übrigen vorgehen.

Vermöge uralten Herkommens genießen endlich sämt-
liche Kurfürsten, sie mögen zugleich Könige oder nicht

seyn,

Von der urſpruͤnglichen Gleichheit
nichts weiter zu hoͤren geweſen h]. Der herzoglich
ſavoyiſchen Widerſpruͤche gegen den kurfuͤrſtlichen Vor-
rang ſoll nachher noch einige Erwaͤhnung geſchehen.

Der Rang der Kurfuͤrſten unter ſich in Reichsangele-
genheiten war ehemals zuweilen auch ſtreitig. Gegen-
waͤrtig iſt er durch Grundgeſetze und Vertraͤge nach der
Lineal-, Lateral- und Proceſſionsordnung auf alle
Faͤlle entſchieden, wohin hauptſaͤchlich die Tit. III. IV.
XXI.
und XXII. der goldnen Bulle, der Kollegialſchluß
vom 11. Maͤrz 1653 und einige neuere Concluſa zu
rechnen, deren umſtaͤndlichere Erwaͤhnung aber mehr ins
teutſche Staatsrecht gehoͤrt. Nur ſo viel will ich noch
bemerken, daß die koͤnigliche Wuͤrde, womit einige Kur-
fuͤrſten zugleich bekleidet ſind, auf Wahl-, Reichs-,
Kreis-, Deputations-, Kollegial- und andern Taͤgen,
auch Friedens- und dergleichen Konventen, wo die
Koͤnige blos als Kurfuͤrſten und ihre Geſandte als Kur-
fuͤrſtliche erſcheinen, keinen Vorrang oder Vorrecht weiter
bewuͤrke. Dahin muſte nicht nur Kurbrandenburg bey
Annehmung der preuſſiſchen Krone, ſondern auch Boͤh-
men bey ſeiner Readmiſſion 1708 ſich verbinden i], und
in der Wahlkapitulation verſpricht der Kaiſer Art. III.
§. 21.: “nirgendwo zwiſchen denen Kurfuͤrſten unter
einander in Ceremoniali einen Unterſchied einzufuͤhren,
noch einfuͤhren zu laſſen.

Auſſer der Reichsverbindung beobachten die Kurfuͤr-
ſten unter ſich, nach Moſers Meinung, bey Zuſamen-
kuͤnften zwar gemeiniglich auch den in kurfuͤrſtlichen Kol-
legien eingefuͤhrten Rang, iedoch erhellet aus dem oben-
angefuͤhrten, daß man dieſen Satz nicht als eine alge-
meine Regel annehmen koͤnne. Uebrigens iſt kein Zwei-
fel, daß die Kurfuͤrſten, welche zugleich Koͤnige ſind, und
als ſolche erſcheinen, den uͤbrigen vorgehen.

Vermoͤge uralten Herkommens genießen endlich ſaͤmt-
liche Kurfuͤrſten, ſie moͤgen zugleich Koͤnige oder nicht

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[258/0284] Von der urſpruͤnglichen Gleichheit nichts weiter zu hoͤren geweſen h]. Der herzoglich ſavoyiſchen Widerſpruͤche gegen den kurfuͤrſtlichen Vor- rang ſoll nachher noch einige Erwaͤhnung geſchehen. Der Rang der Kurfuͤrſten unter ſich in Reichsangele- genheiten war ehemals zuweilen auch ſtreitig. Gegen- waͤrtig iſt er durch Grundgeſetze und Vertraͤge nach der Lineal-, Lateral- und Proceſſionsordnung auf alle Faͤlle entſchieden, wohin hauptſaͤchlich die Tit. III. IV. XXI. und XXII. der goldnen Bulle, der Kollegialſchluß vom 11. Maͤrz 1653 und einige neuere Concluſa zu rechnen, deren umſtaͤndlichere Erwaͤhnung aber mehr ins teutſche Staatsrecht gehoͤrt. Nur ſo viel will ich noch bemerken, daß die koͤnigliche Wuͤrde, womit einige Kur- fuͤrſten zugleich bekleidet ſind, auf Wahl-, Reichs-, Kreis-, Deputations-, Kollegial- und andern Taͤgen, auch Friedens- und dergleichen Konventen, wo die Koͤnige blos als Kurfuͤrſten und ihre Geſandte als Kur- fuͤrſtliche erſcheinen, keinen Vorrang oder Vorrecht weiter bewuͤrke. Dahin muſte nicht nur Kurbrandenburg bey Annehmung der preuſſiſchen Krone, ſondern auch Boͤh- men bey ſeiner Readmiſſion 1708 ſich verbinden i], und in der Wahlkapitulation verſpricht der Kaiſer Art. III. §. 21.: “nirgendwo zwiſchen denen Kurfuͤrſten unter einander in Ceremoniali einen Unterſchied einzufuͤhren, noch einfuͤhren zu laſſen. Auſſer der Reichsverbindung beobachten die Kurfuͤr- ſten unter ſich, nach Moſers Meinung, bey Zuſamen- kuͤnften zwar gemeiniglich auch den in kurfuͤrſtlichen Kol- legien eingefuͤhrten Rang, iedoch erhellet aus dem oben- angefuͤhrten, daß man dieſen Satz nicht als eine alge- meine Regel annehmen koͤnne. Uebrigens iſt kein Zwei- fel, daß die Kurfuͤrſten, welche zugleich Koͤnige ſind, und als ſolche erſcheinen, den uͤbrigen vorgehen. Vermoͤge uralten Herkommens genießen endlich ſaͤmt- liche Kurfuͤrſten, ſie moͤgen zugleich Koͤnige oder nicht ſeyn,

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/284>, abgerufen am 24.11.2024.