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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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und deren Gleichgewicht.
§. 10.
Geschichte des heutigen europäischen Gleich-
gewichts
.

Der mehrgedachte große Staatsminister Herr von
Herzberg fährt in der oben [§. 8.] abgebrochenen Geschich-
te also fort a]:

Die Rückkehr dieser beiden großen Systeme [der
Universalmonarchie und des Gleichgewichts] war dem
funfzehnten und sechszehnten Jahrhundert vorbehalten,
als es den österreichischen Fürsten glückte, durch vortheil-
hafte Heirathen und eine wohldurchdachte Staatskunst
die reiche burgundische Erbschaft, die Königreiche Spa-
nien, beide Sicilien, Hungarn und Böhmen nebst an-
dern großen Provinzen in Teutschland und Italien, in-
gleichen die sehr reichen Besitzungen in beiden Indien in
ihrem Hause zu vereinigen. Itzt dachten und arbeiteten
Karl V., Philip II. und Ferdinand II. im Ernst daran,
den großen Staat zu bilden, den man die Universalmo-
narchie zu nennen pflegt. Den Anfang machten sie mit
dem Vorsatz, Teutschland, Italien und die Niederlande
zu unteriochen, weil es die schicklichsten zu diesem Zweck
waren, da sie nach ihrem politischen und geographischen
Verhältnisse im Mittelpunkt von Europa liegen. Nun-
mehr sahen die Könige von Frankreich und England sich
genöthigt, das Gleichgewicht von Europa durch Bünd-
nisse, die sie von Zeit zu Zeit unter sich, und nach Erfor-
dernis der Umstände, mit den teutschen und italiänischen
Fürsten, der neuen Republick Holland und dem Könige
von Schweden errichteten, aufrecht zu erhalten. Wäh-
rend dieser Wetteiferung, während dieser unaufhörlichen
Erschütterung der Macht der beiden Häuser Frankreich
und Oesterreich, welche länger als zweihundert Jahre
dauerten, äusserte sich das Gleichgewicht von Europa auf

die
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und deren Gleichgewicht.
§. 10.
Geſchichte des heutigen europaͤiſchen Gleich-
gewichts
.

Der mehrgedachte große Staatsminiſter Herr von
Herzberg faͤhrt in der oben [§. 8.] abgebrochenen Geſchich-
te alſo fort a]:

Die Ruͤckkehr dieſer beiden großen Syſteme [der
Univerſalmonarchie und des Gleichgewichts] war dem
funfzehnten und ſechszehnten Jahrhundert vorbehalten,
als es den oͤſterreichiſchen Fuͤrſten gluͤckte, durch vortheil-
hafte Heirathen und eine wohldurchdachte Staatskunſt
die reiche burgundiſche Erbſchaft, die Koͤnigreiche Spa-
nien, beide Sicilien, Hungarn und Boͤhmen nebſt an-
dern großen Provinzen in Teutſchland und Italien, in-
gleichen die ſehr reichen Beſitzungen in beiden Indien in
ihrem Hauſe zu vereinigen. Itzt dachten und arbeiteten
Karl V., Philip II. und Ferdinand II. im Ernſt daran,
den großen Staat zu bilden, den man die Univerſalmo-
narchie zu nennen pflegt. Den Anfang machten ſie mit
dem Vorſatz, Teutſchland, Italien und die Niederlande
zu unteriochen, weil es die ſchicklichſten zu dieſem Zweck
waren, da ſie nach ihrem politiſchen und geographiſchen
Verhaͤltniſſe im Mittelpunkt von Europa liegen. Nun-
mehr ſahen die Koͤnige von Frankreich und England ſich
genoͤthigt, das Gleichgewicht von Europa durch Buͤnd-
niſſe, die ſie von Zeit zu Zeit unter ſich, und nach Erfor-
dernis der Umſtaͤnde, mit den teutſchen und italiaͤniſchen
Fuͤrſten, der neuen Republick Holland und dem Koͤnige
von Schweden errichteten, aufrecht zu erhalten. Waͤh-
rend dieſer Wetteiferung, waͤhrend dieſer unaufhoͤrlichen
Erſchuͤtterung der Macht der beiden Haͤuſer Frankreich
und Oeſterreich, welche laͤnger als zweihundert Jahre
dauerten, aͤuſſerte ſich das Gleichgewicht von Europa auf

die
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[339/0365] und deren Gleichgewicht. §. 10. Geſchichte des heutigen europaͤiſchen Gleich- gewichts. Der mehrgedachte große Staatsminiſter Herr von Herzberg faͤhrt in der oben [§. 8.] abgebrochenen Geſchich- te alſo fort a]: Die Ruͤckkehr dieſer beiden großen Syſteme [der Univerſalmonarchie und des Gleichgewichts] war dem funfzehnten und ſechszehnten Jahrhundert vorbehalten, als es den oͤſterreichiſchen Fuͤrſten gluͤckte, durch vortheil- hafte Heirathen und eine wohldurchdachte Staatskunſt die reiche burgundiſche Erbſchaft, die Koͤnigreiche Spa- nien, beide Sicilien, Hungarn und Boͤhmen nebſt an- dern großen Provinzen in Teutſchland und Italien, in- gleichen die ſehr reichen Beſitzungen in beiden Indien in ihrem Hauſe zu vereinigen. Itzt dachten und arbeiteten Karl V., Philip II. und Ferdinand II. im Ernſt daran, den großen Staat zu bilden, den man die Univerſalmo- narchie zu nennen pflegt. Den Anfang machten ſie mit dem Vorſatz, Teutſchland, Italien und die Niederlande zu unteriochen, weil es die ſchicklichſten zu dieſem Zweck waren, da ſie nach ihrem politiſchen und geographiſchen Verhaͤltniſſe im Mittelpunkt von Europa liegen. Nun- mehr ſahen die Koͤnige von Frankreich und England ſich genoͤthigt, das Gleichgewicht von Europa durch Buͤnd- niſſe, die ſie von Zeit zu Zeit unter ſich, und nach Erfor- dernis der Umſtaͤnde, mit den teutſchen und italiaͤniſchen Fuͤrſten, der neuen Republick Holland und dem Koͤnige von Schweden errichteten, aufrecht zu erhalten. Waͤh- rend dieſer Wetteiferung, waͤhrend dieſer unaufhoͤrlichen Erſchuͤtterung der Macht der beiden Haͤuſer Frankreich und Oeſterreich, welche laͤnger als zweihundert Jahre dauerten, aͤuſſerte ſich das Gleichgewicht von Europa auf die Y 2

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/365>, abgerufen am 24.11.2024.