§. 10. Geschichte des heutigen europäischen Gleich- gewichts.
Der mehrgedachte große Staatsminister Herr von Herzberg fährt in der oben [§. 8.] abgebrochenen Geschich- te also fort a]:
Die Rückkehr dieser beiden großen Systeme [der Universalmonarchie und des Gleichgewichts] war dem funfzehnten und sechszehnten Jahrhundert vorbehalten, als es den österreichischen Fürsten glückte, durch vortheil- hafte Heirathen und eine wohldurchdachte Staatskunst die reiche burgundische Erbschaft, die Königreiche Spa- nien, beide Sicilien, Hungarn und Böhmen nebst an- dern großen Provinzen in Teutschland und Italien, in- gleichen die sehr reichen Besitzungen in beiden Indien in ihrem Hause zu vereinigen. Itzt dachten und arbeiteten Karl V., Philip II. und Ferdinand II. im Ernst daran, den großen Staat zu bilden, den man die Universalmo- narchie zu nennen pflegt. Den Anfang machten sie mit dem Vorsatz, Teutschland, Italien und die Niederlande zu unteriochen, weil es die schicklichsten zu diesem Zweck waren, da sie nach ihrem politischen und geographischen Verhältnisse im Mittelpunkt von Europa liegen. Nun- mehr sahen die Könige von Frankreich und England sich genöthigt, das Gleichgewicht von Europa durch Bünd- nisse, die sie von Zeit zu Zeit unter sich, und nach Erfor- dernis der Umstände, mit den teutschen und italiänischen Fürsten, der neuen Republick Holland und dem Könige von Schweden errichteten, aufrecht zu erhalten. Wäh- rend dieser Wetteiferung, während dieser unaufhörlichen Erschütterung der Macht der beiden Häuser Frankreich und Oesterreich, welche länger als zweihundert Jahre dauerten, äusserte sich das Gleichgewicht von Europa auf
die
Y 2
und deren Gleichgewicht.
§. 10. Geſchichte des heutigen europaͤiſchen Gleich- gewichts.
Der mehrgedachte große Staatsminiſter Herr von Herzberg faͤhrt in der oben [§. 8.] abgebrochenen Geſchich- te alſo fort a]:
Die Ruͤckkehr dieſer beiden großen Syſteme [der Univerſalmonarchie und des Gleichgewichts] war dem funfzehnten und ſechszehnten Jahrhundert vorbehalten, als es den oͤſterreichiſchen Fuͤrſten gluͤckte, durch vortheil- hafte Heirathen und eine wohldurchdachte Staatskunſt die reiche burgundiſche Erbſchaft, die Koͤnigreiche Spa- nien, beide Sicilien, Hungarn und Boͤhmen nebſt an- dern großen Provinzen in Teutſchland und Italien, in- gleichen die ſehr reichen Beſitzungen in beiden Indien in ihrem Hauſe zu vereinigen. Itzt dachten und arbeiteten Karl V., Philip II. und Ferdinand II. im Ernſt daran, den großen Staat zu bilden, den man die Univerſalmo- narchie zu nennen pflegt. Den Anfang machten ſie mit dem Vorſatz, Teutſchland, Italien und die Niederlande zu unteriochen, weil es die ſchicklichſten zu dieſem Zweck waren, da ſie nach ihrem politiſchen und geographiſchen Verhaͤltniſſe im Mittelpunkt von Europa liegen. Nun- mehr ſahen die Koͤnige von Frankreich und England ſich genoͤthigt, das Gleichgewicht von Europa durch Buͤnd- niſſe, die ſie von Zeit zu Zeit unter ſich, und nach Erfor- dernis der Umſtaͤnde, mit den teutſchen und italiaͤniſchen Fuͤrſten, der neuen Republick Holland und dem Koͤnige von Schweden errichteten, aufrecht zu erhalten. Waͤh- rend dieſer Wetteiferung, waͤhrend dieſer unaufhoͤrlichen Erſchuͤtterung der Macht der beiden Haͤuſer Frankreich und Oeſterreich, welche laͤnger als zweihundert Jahre dauerten, aͤuſſerte ſich das Gleichgewicht von Europa auf
die
Y 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0365"n="339"/><fwplace="top"type="header">und deren Gleichgewicht.</fw><lb/><divn="3"><head>§. 10.<lb/><hirendition="#g">Geſchichte des heutigen europaͤiſchen Gleich-<lb/>
gewichts</hi>.</head><lb/><p>Der mehrgedachte große Staatsminiſter Herr von<lb/>
Herzberg faͤhrt in der oben [§. 8.] abgebrochenen Geſchich-<lb/>
te alſo fort <hirendition="#aq"><hirendition="#sup">a</hi></hi>]:</p><lb/><p>Die Ruͤckkehr dieſer beiden großen Syſteme [der<lb/>
Univerſalmonarchie und des Gleichgewichts] war dem<lb/>
funfzehnten und ſechszehnten Jahrhundert vorbehalten,<lb/>
als es den oͤſterreichiſchen Fuͤrſten gluͤckte, durch vortheil-<lb/>
hafte Heirathen und eine wohldurchdachte Staatskunſt<lb/>
die reiche burgundiſche Erbſchaft, die Koͤnigreiche Spa-<lb/>
nien, beide Sicilien, Hungarn und Boͤhmen nebſt an-<lb/>
dern großen Provinzen in Teutſchland und Italien, in-<lb/>
gleichen die ſehr reichen Beſitzungen in beiden Indien in<lb/>
ihrem Hauſe zu vereinigen. Itzt dachten und arbeiteten<lb/>
Karl <hirendition="#aq">V.</hi>, Philip <hirendition="#aq">II.</hi> und Ferdinand <hirendition="#aq">II.</hi> im Ernſt daran,<lb/>
den großen Staat zu bilden, den man die Univerſalmo-<lb/>
narchie zu nennen pflegt. Den Anfang machten ſie mit<lb/>
dem Vorſatz, Teutſchland, Italien und die Niederlande<lb/>
zu unteriochen, weil es die ſchicklichſten zu dieſem Zweck<lb/>
waren, da ſie nach ihrem politiſchen und geographiſchen<lb/>
Verhaͤltniſſe im Mittelpunkt von Europa liegen. Nun-<lb/>
mehr ſahen die Koͤnige von Frankreich und England ſich<lb/>
genoͤthigt, das Gleichgewicht von Europa durch Buͤnd-<lb/>
niſſe, die ſie von Zeit zu Zeit unter ſich, und nach Erfor-<lb/>
dernis der Umſtaͤnde, mit den teutſchen und italiaͤniſchen<lb/>
Fuͤrſten, der neuen Republick Holland und dem Koͤnige<lb/>
von Schweden errichteten, aufrecht zu erhalten. Waͤh-<lb/>
rend dieſer Wetteiferung, waͤhrend dieſer unaufhoͤrlichen<lb/>
Erſchuͤtterung der Macht der beiden Haͤuſer Frankreich<lb/>
und Oeſterreich, welche laͤnger als zweihundert Jahre<lb/>
dauerten, aͤuſſerte ſich das Gleichgewicht von Europa auf<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Y 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">die</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[339/0365]
und deren Gleichgewicht.
§. 10.
Geſchichte des heutigen europaͤiſchen Gleich-
gewichts.
Der mehrgedachte große Staatsminiſter Herr von
Herzberg faͤhrt in der oben [§. 8.] abgebrochenen Geſchich-
te alſo fort a]:
Die Ruͤckkehr dieſer beiden großen Syſteme [der
Univerſalmonarchie und des Gleichgewichts] war dem
funfzehnten und ſechszehnten Jahrhundert vorbehalten,
als es den oͤſterreichiſchen Fuͤrſten gluͤckte, durch vortheil-
hafte Heirathen und eine wohldurchdachte Staatskunſt
die reiche burgundiſche Erbſchaft, die Koͤnigreiche Spa-
nien, beide Sicilien, Hungarn und Boͤhmen nebſt an-
dern großen Provinzen in Teutſchland und Italien, in-
gleichen die ſehr reichen Beſitzungen in beiden Indien in
ihrem Hauſe zu vereinigen. Itzt dachten und arbeiteten
Karl V., Philip II. und Ferdinand II. im Ernſt daran,
den großen Staat zu bilden, den man die Univerſalmo-
narchie zu nennen pflegt. Den Anfang machten ſie mit
dem Vorſatz, Teutſchland, Italien und die Niederlande
zu unteriochen, weil es die ſchicklichſten zu dieſem Zweck
waren, da ſie nach ihrem politiſchen und geographiſchen
Verhaͤltniſſe im Mittelpunkt von Europa liegen. Nun-
mehr ſahen die Koͤnige von Frankreich und England ſich
genoͤthigt, das Gleichgewicht von Europa durch Buͤnd-
niſſe, die ſie von Zeit zu Zeit unter ſich, und nach Erfor-
dernis der Umſtaͤnde, mit den teutſchen und italiaͤniſchen
Fuͤrſten, der neuen Republick Holland und dem Koͤnige
von Schweden errichteten, aufrecht zu erhalten. Waͤh-
rend dieſer Wetteiferung, waͤhrend dieſer unaufhoͤrlichen
Erſchuͤtterung der Macht der beiden Haͤuſer Frankreich
und Oeſterreich, welche laͤnger als zweihundert Jahre
dauerten, aͤuſſerte ſich das Gleichgewicht von Europa auf
die
Y 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/365>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.