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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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und deren Gleichgewicht.
Händen hatten b], hielten es itzt für ihre Pflicht, das-
selbe durch den berufenen Partagetractat zu erhalten.
Dieser solte verhindern, damit nicht die ganze Macht
des Hauses Oesterreich, durch Einverleibung Spaniens
und der indischen Besitzungen, in der iüngern Linie ver-
einigt würde. Als dieser Theilungsplan aber durch den
Tod des bayrischen Prinzen und durch das Testament,
welches König Karl II. von Spanien zu Gunsten des
Herzogs von Anjou machte, vereitelt worden war, sa-
hen die nämlichen Seemächte sich genöthigt, der Absicht
des Gleichgewichtssystems gemäs, sich mit dem Hause
Oesterreich und den teutschen Fürsten gegen Frankreich zu
verbinden, um dieser Krone die spanische Monarchie zu
entreissen; die man dem Erzherzog Karl, zweiten Sohne
Kaiser Leopolds zutheilte. Daraus entstand der lange
und blutige spanische Erbfolgskrieg, welcher 1701 be-
gann, und 1713 mit dem Utrechter Frieden sich endigte.
In diesem räumte man die spanische Monarchie dem
Herzog von Anjou ein, weil Kaiser Joseph ohne männ-
liche Erben gestorben, und sein Bruder Karl, unter dem
Namen Karl VI., ihm gefolgt war. Aus abermaliger
Furcht vor der Vereinigung der spanischen Monarchie
mit der österreichischen Linie, überließ man sie lieber einer
iüngern Linie des Hauses Bourbon, unter der Beding-
ung, daß die Reiche Frankreich und Spanien nie mit
einander verbunden werden solten. Solchergestalt hat
man bey der spanischen Erbfolge und dem ganzen Kriege
sowohl als dem draufgefolgten Frieden, das System
des Gleichgewichts theils nach richtigen, theils nach fal-
schen Grundsätzen, wie die verschiedenen Zeitumstände es
mit sich brachten, zur Richtschnur genommen.

In dem Zeitraum vom Utrechter Frieden 1713 bis
auf den Tod Kaiser Karls VI. hat das Gleichgewicht
von Europa durch kurze und particuläre Kriege keine nach-
theilige Veränderung gelitten, weil die drey Monarchieen

Oester-
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und deren Gleichgewicht.
Haͤnden hatten b], hielten es itzt fuͤr ihre Pflicht, daſ-
ſelbe durch den berufenen Partagetractat zu erhalten.
Dieſer ſolte verhindern, damit nicht die ganze Macht
des Hauſes Oeſterreich, durch Einverleibung Spaniens
und der indiſchen Beſitzungen, in der iuͤngern Linie ver-
einigt wuͤrde. Als dieſer Theilungsplan aber durch den
Tod des bayriſchen Prinzen und durch das Teſtament,
welches Koͤnig Karl II. von Spanien zu Gunſten des
Herzogs von Anjou machte, vereitelt worden war, ſa-
hen die naͤmlichen Seemaͤchte ſich genoͤthigt, der Abſicht
des Gleichgewichtsſyſtems gemaͤs, ſich mit dem Hauſe
Oeſterreich und den teutſchen Fuͤrſten gegen Frankreich zu
verbinden, um dieſer Krone die ſpaniſche Monarchie zu
entreiſſen; die man dem Erzherzog Karl, zweiten Sohne
Kaiſer Leopolds zutheilte. Daraus entſtand der lange
und blutige ſpaniſche Erbfolgskrieg, welcher 1701 be-
gann, und 1713 mit dem Utrechter Frieden ſich endigte.
In dieſem raͤumte man die ſpaniſche Monarchie dem
Herzog von Anjou ein, weil Kaiſer Joſeph ohne maͤnn-
liche Erben geſtorben, und ſein Bruder Karl, unter dem
Namen Karl VI., ihm gefolgt war. Aus abermaliger
Furcht vor der Vereinigung der ſpaniſchen Monarchie
mit der oͤſterreichiſchen Linie, uͤberließ man ſie lieber einer
iuͤngern Linie des Hauſes Bourbon, unter der Beding-
ung, daß die Reiche Frankreich und Spanien nie mit
einander verbunden werden ſolten. Solchergeſtalt hat
man bey der ſpaniſchen Erbfolge und dem ganzen Kriege
ſowohl als dem draufgefolgten Frieden, das Syſtem
des Gleichgewichts theils nach richtigen, theils nach fal-
ſchen Grundſaͤtzen, wie die verſchiedenen Zeitumſtaͤnde es
mit ſich brachten, zur Richtſchnur genommen.

In dem Zeitraum vom Utrechter Frieden 1713 bis
auf den Tod Kaiſer Karls VI. hat das Gleichgewicht
von Europa durch kurze und particulaͤre Kriege keine nach-
theilige Veraͤnderung gelitten, weil die drey Monarchieen

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[343/0369] und deren Gleichgewicht. Haͤnden hatten b], hielten es itzt fuͤr ihre Pflicht, daſ- ſelbe durch den berufenen Partagetractat zu erhalten. Dieſer ſolte verhindern, damit nicht die ganze Macht des Hauſes Oeſterreich, durch Einverleibung Spaniens und der indiſchen Beſitzungen, in der iuͤngern Linie ver- einigt wuͤrde. Als dieſer Theilungsplan aber durch den Tod des bayriſchen Prinzen und durch das Teſtament, welches Koͤnig Karl II. von Spanien zu Gunſten des Herzogs von Anjou machte, vereitelt worden war, ſa- hen die naͤmlichen Seemaͤchte ſich genoͤthigt, der Abſicht des Gleichgewichtsſyſtems gemaͤs, ſich mit dem Hauſe Oeſterreich und den teutſchen Fuͤrſten gegen Frankreich zu verbinden, um dieſer Krone die ſpaniſche Monarchie zu entreiſſen; die man dem Erzherzog Karl, zweiten Sohne Kaiſer Leopolds zutheilte. Daraus entſtand der lange und blutige ſpaniſche Erbfolgskrieg, welcher 1701 be- gann, und 1713 mit dem Utrechter Frieden ſich endigte. In dieſem raͤumte man die ſpaniſche Monarchie dem Herzog von Anjou ein, weil Kaiſer Joſeph ohne maͤnn- liche Erben geſtorben, und ſein Bruder Karl, unter dem Namen Karl VI., ihm gefolgt war. Aus abermaliger Furcht vor der Vereinigung der ſpaniſchen Monarchie mit der oͤſterreichiſchen Linie, uͤberließ man ſie lieber einer iuͤngern Linie des Hauſes Bourbon, unter der Beding- ung, daß die Reiche Frankreich und Spanien nie mit einander verbunden werden ſolten. Solchergeſtalt hat man bey der ſpaniſchen Erbfolge und dem ganzen Kriege ſowohl als dem draufgefolgten Frieden, das Syſtem des Gleichgewichts theils nach richtigen, theils nach fal- ſchen Grundſaͤtzen, wie die verſchiedenen Zeitumſtaͤnde es mit ſich brachten, zur Richtſchnur genommen. In dem Zeitraum vom Utrechter Frieden 1713 bis auf den Tod Kaiſer Karls VI. hat das Gleichgewicht von Europa durch kurze und particulaͤre Kriege keine nach- theilige Veraͤnderung gelitten, weil die drey Monarchieen Oeſter- Y 4

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/369>, abgerufen am 24.11.2024.