Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
Von der Macht der Nazionen
Genua, welche deren Garantie nebst andern Mächten
im Aachner Frieden 1748, Art. 21. übernommen.
Schweden trat dem vorangeführten hannöverschen Tra-
ctat zwischen Grosbritannien, Frankreich und Preus-
sen nach seinem ganzen Inhalt und also auch in
Absicht auf die Erhaltung des Gleichgewichts un-
term 14. März 1727 bey p]; und hat auch sonst,
besonders in Ansehung des nordischen Gleichgewichts,
seine Gesinnungen für dieses System an den Tag
gelegt.

Jedoch es würde viel zu weitläuftig seyn, hier alle
die Staatsschriften auszuziehn, worinn die vorbenanten
und zum Theil auch wohl noch andere Nazionen das Sy-
stem des europäischen Gleichgewichts zur Richtschnur
ihrer Handlungen ausdrücklich angenommen haben.

Es läßt sich dagegen zwar einwenden q], daß diese
Anerkennung nur in besondern Fällen und doch keines-
weges von allen europäischen Nazionen geschehen sey.
Allein es ist auch nicht zu läugnen, daß man eben in
diesen Fällen, vornämlich in der spanischen Erbfolgsan-
gelegenheit, das System des Gleichgewichts für einen
algemeinen Entscheidungsgrund angesehen habe, der
nothwendig auch in ähnlichen Umständen, zumal gegen
dieienigen, die sich dessen zu ihrem Vortheil wider andere
Staaten bedient haben, anwendbar seyn muß. Zudem
gehören die genanten Nazionen ohnstreitig zu denen, wel-
che die meisten Kräfte zu Erlangung eines Uebergewichts
besitzen, die sich folglich im gleichen Falle, ienes Gesetz
auch wider sich gelten zu lassen, nicht entbrechen könten.
Die übrigen Staaten haben das System des Gleichge-
wichts zu Zeiten gröstentheils wenigstens stilschweigend
befolgt, und würden, ihres eigenen Nutzens wegen, bey
erforderlichen Umständen, sich ausdrücklich dazu zu beken-
nen gewis kein Bedenken tragen. Herr Martens r] ur-
theilt daher sehr richtig, daß zwar nicht alle europäische

Na-
Von der Macht der Nazionen
Genua, welche deren Garantie nebſt andern Maͤchten
im Aachner Frieden 1748, Art. 21. uͤbernommen.
Schweden trat dem vorangefuͤhrten hannoͤverſchen Tra-
ctat zwiſchen Grosbritannien, Frankreich und Preuſ-
ſen nach ſeinem ganzen Inhalt und alſo auch in
Abſicht auf die Erhaltung des Gleichgewichts un-
term 14. Maͤrz 1727 bey p]; und hat auch ſonſt,
beſonders in Anſehung des nordiſchen Gleichgewichts,
ſeine Geſinnungen fuͤr dieſes Syſtem an den Tag
gelegt.

Jedoch es wuͤrde viel zu weitlaͤuftig ſeyn, hier alle
die Staatsſchriften auszuziehn, worinn die vorbenanten
und zum Theil auch wohl noch andere Nazionen das Sy-
ſtem des europaͤiſchen Gleichgewichts zur Richtſchnur
ihrer Handlungen ausdruͤcklich angenommen haben.

Es laͤßt ſich dagegen zwar einwenden q], daß dieſe
Anerkennung nur in beſondern Faͤllen und doch keines-
weges von allen europaͤiſchen Nazionen geſchehen ſey.
Allein es iſt auch nicht zu laͤugnen, daß man eben in
dieſen Faͤllen, vornaͤmlich in der ſpaniſchen Erbfolgsan-
gelegenheit, das Syſtem des Gleichgewichts fuͤr einen
algemeinen Entſcheidungsgrund angeſehen habe, der
nothwendig auch in aͤhnlichen Umſtaͤnden, zumal gegen
dieienigen, die ſich deſſen zu ihrem Vortheil wider andere
Staaten bedient haben, anwendbar ſeyn muß. Zudem
gehoͤren die genanten Nazionen ohnſtreitig zu denen, wel-
che die meiſten Kraͤfte zu Erlangung eines Uebergewichts
beſitzen, die ſich folglich im gleichen Falle, ienes Geſetz
auch wider ſich gelten zu laſſen, nicht entbrechen koͤnten.
Die uͤbrigen Staaten haben das Syſtem des Gleichge-
wichts zu Zeiten groͤſtentheils wenigſtens ſtilſchweigend
befolgt, und wuͤrden, ihres eigenen Nutzens wegen, bey
erforderlichen Umſtaͤnden, ſich ausdruͤcklich dazu zu beken-
nen gewis kein Bedenken tragen. Herr Martens r] ur-
theilt daher ſehr richtig, daß zwar nicht alle europaͤiſche

Na-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0382" n="356"/>
            <fw place="top" type="header">Von der Macht der Nazionen</fw><lb/>
            <list>
              <item><hi rendition="#fr">Genua</hi>, welche deren Garantie neb&#x017F;t andern Ma&#x0364;chten<lb/>
im Aachner Frieden 1748, Art. 21. u&#x0364;bernommen.</item><lb/>
              <item><hi rendition="#fr">Schweden</hi> trat dem vorangefu&#x0364;hrten hanno&#x0364;ver&#x017F;chen Tra-<lb/>
ctat zwi&#x017F;chen Grosbritannien, Frankreich und Preu&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en nach &#x017F;einem ganzen Inhalt und al&#x017F;o auch in<lb/>
Ab&#x017F;icht auf die Erhaltung des Gleichgewichts un-<lb/>
term 14. Ma&#x0364;rz 1727 bey <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">p</hi></hi>]; und hat auch &#x017F;on&#x017F;t,<lb/>
be&#x017F;onders in An&#x017F;ehung des nordi&#x017F;chen Gleichgewichts,<lb/>
&#x017F;eine Ge&#x017F;innungen fu&#x0364;r die&#x017F;es Sy&#x017F;tem an den Tag<lb/>
gelegt.</item>
            </list><lb/>
            <p>Jedoch es wu&#x0364;rde viel zu weitla&#x0364;uftig &#x017F;eyn, hier alle<lb/>
die Staats&#x017F;chriften auszuziehn, worinn die vorbenanten<lb/>
und zum Theil auch wohl noch andere Nazionen das Sy-<lb/>
&#x017F;tem des europa&#x0364;i&#x017F;chen Gleichgewichts zur Richt&#x017F;chnur<lb/>
ihrer Handlungen ausdru&#x0364;cklich angenommen haben.</p><lb/>
            <p>Es la&#x0364;ßt &#x017F;ich dagegen zwar einwenden <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">q</hi></hi>], daß die&#x017F;e<lb/>
Anerkennung nur in be&#x017F;ondern Fa&#x0364;llen und doch keines-<lb/>
weges von allen europa&#x0364;i&#x017F;chen Nazionen ge&#x017F;chehen &#x017F;ey.<lb/>
Allein es i&#x017F;t auch nicht zu la&#x0364;ugnen, daß man eben in<lb/>
die&#x017F;en Fa&#x0364;llen, vorna&#x0364;mlich in der &#x017F;pani&#x017F;chen Erbfolgsan-<lb/>
gelegenheit, das Sy&#x017F;tem des Gleichgewichts fu&#x0364;r einen<lb/><hi rendition="#fr">algemeinen</hi> Ent&#x017F;cheidungsgrund ange&#x017F;ehen habe, der<lb/>
nothwendig auch in a&#x0364;hnlichen Um&#x017F;ta&#x0364;nden, zumal gegen<lb/>
dieienigen, die &#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;en zu ihrem Vortheil wider andere<lb/>
Staaten bedient haben, anwendbar &#x017F;eyn muß. Zudem<lb/>
geho&#x0364;ren die genanten Nazionen ohn&#x017F;treitig zu denen, wel-<lb/>
che die mei&#x017F;ten Kra&#x0364;fte zu Erlangung eines Uebergewichts<lb/>
be&#x017F;itzen, die &#x017F;ich folglich im gleichen Falle, ienes Ge&#x017F;etz<lb/>
auch wider &#x017F;ich gelten zu la&#x017F;&#x017F;en, nicht entbrechen ko&#x0364;nten.<lb/>
Die u&#x0364;brigen Staaten haben das Sy&#x017F;tem des Gleichge-<lb/>
wichts zu Zeiten gro&#x0364;&#x017F;tentheils wenig&#x017F;tens &#x017F;til&#x017F;chweigend<lb/>
befolgt, und wu&#x0364;rden, ihres eigenen Nutzens wegen, bey<lb/>
erforderlichen Um&#x017F;ta&#x0364;nden, &#x017F;ich ausdru&#x0364;cklich dazu zu beken-<lb/>
nen gewis kein Bedenken tragen. Herr <hi rendition="#fr">Martens</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">r</hi></hi>] ur-<lb/>
theilt daher &#x017F;ehr richtig, daß zwar nicht alle europa&#x0364;i&#x017F;che<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Na-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[356/0382] Von der Macht der Nazionen Genua, welche deren Garantie nebſt andern Maͤchten im Aachner Frieden 1748, Art. 21. uͤbernommen. Schweden trat dem vorangefuͤhrten hannoͤverſchen Tra- ctat zwiſchen Grosbritannien, Frankreich und Preuſ- ſen nach ſeinem ganzen Inhalt und alſo auch in Abſicht auf die Erhaltung des Gleichgewichts un- term 14. Maͤrz 1727 bey p]; und hat auch ſonſt, beſonders in Anſehung des nordiſchen Gleichgewichts, ſeine Geſinnungen fuͤr dieſes Syſtem an den Tag gelegt. Jedoch es wuͤrde viel zu weitlaͤuftig ſeyn, hier alle die Staatsſchriften auszuziehn, worinn die vorbenanten und zum Theil auch wohl noch andere Nazionen das Sy- ſtem des europaͤiſchen Gleichgewichts zur Richtſchnur ihrer Handlungen ausdruͤcklich angenommen haben. Es laͤßt ſich dagegen zwar einwenden q], daß dieſe Anerkennung nur in beſondern Faͤllen und doch keines- weges von allen europaͤiſchen Nazionen geſchehen ſey. Allein es iſt auch nicht zu laͤugnen, daß man eben in dieſen Faͤllen, vornaͤmlich in der ſpaniſchen Erbfolgsan- gelegenheit, das Syſtem des Gleichgewichts fuͤr einen algemeinen Entſcheidungsgrund angeſehen habe, der nothwendig auch in aͤhnlichen Umſtaͤnden, zumal gegen dieienigen, die ſich deſſen zu ihrem Vortheil wider andere Staaten bedient haben, anwendbar ſeyn muß. Zudem gehoͤren die genanten Nazionen ohnſtreitig zu denen, wel- che die meiſten Kraͤfte zu Erlangung eines Uebergewichts beſitzen, die ſich folglich im gleichen Falle, ienes Geſetz auch wider ſich gelten zu laſſen, nicht entbrechen koͤnten. Die uͤbrigen Staaten haben das Syſtem des Gleichge- wichts zu Zeiten groͤſtentheils wenigſtens ſtilſchweigend befolgt, und wuͤrden, ihres eigenen Nutzens wegen, bey erforderlichen Umſtaͤnden, ſich ausdruͤcklich dazu zu beken- nen gewis kein Bedenken tragen. Herr Martens r] ur- theilt daher ſehr richtig, daß zwar nicht alle europaͤiſche Na-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/382
Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/382>, abgerufen am 25.11.2024.