Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.Von der Macht der Nazionen volbracht und dazu in der Regel nur die von den Stän-den gestelte Manschaft gebraucht werde. Diesem einzi- gen wahren und wesentlichen Gleichgewichte im teutschen Reiche stehet keinesweges die allen Ständen desselben gebührende Befugnis entgegen, so viele Reichslande an sich zu bringen, als ihnen verliehen werden, oder in rechtlicher Ordnung an sie fallen, oder sonst auf eine den Gesetzen gemäße Art, durch Tausch und andere er- laubte Wege von ihnen erworben werden können. Nur iene Stände zerstören dieses Gleichgewicht, welche ein- seitige Bündnisse gegen andere errichten, über Dinge, die nur der Erwegung und Entscheidung aller vorbehal- ten sind, wilkührlicher Urteile sich anmaßen, sogar zu derer bewafneter Behauptung sich unter einander vereini- gen, und solchergestalt allen übrigen eine ganz unbefugte Obergewalt aufdringen wollen." Dagegen aber wurde von königlich preussischer Seite geäussert c]: "Nach die- sen hier wilkührlich und ohne Beweis angenommenen gröstenteils unächten Grundsätzen würde das Gleichge- wicht der Gewalt im teutschen Reiche fast ganz in der Wilkühr der hier sogenanten Obergewalt, worunter man den Kaiser zu verstehen scheint, beruhen, und würde das Schicksal der vermeintlich untergebenen Reichsstände sehr mißlich seyn. Zum Glück für den konföderirten Staat von Teutschland hat dessen gewähltes Oberhaupt keine andere Obergewalt, als welche die Erbfürsten, die es gewählt, ihm durch die von ihm beschworne Wahlka- pitulation aufgetragen haben. Nach solcher beruhet die gesetzmäsige Obergewalt nicht bey dem Kaiser allein, sondern für die Gesetzgebung, bey dem Kaiser und den Ständen zusammen; in Ansehung der exekutivischen Gewalt, allein auf die dazu besonders geordneten Stän- de. Wenn sie der Kaiser, als solcher, für sich allein, oder als ein dazu nicht verordneter Reichsstand, aus- üben will, wenn er seinen schwächern Mitständen Kon- ven-
Von der Macht der Nazionen volbracht und dazu in der Regel nur die von den Staͤn-den geſtelte Manſchaft gebraucht werde. Dieſem einzi- gen wahren und weſentlichen Gleichgewichte im teutſchen Reiche ſtehet keinesweges die allen Staͤnden deſſelben gebuͤhrende Befugnis entgegen, ſo viele Reichslande an ſich zu bringen, als ihnen verliehen werden, oder in rechtlicher Ordnung an ſie fallen, oder ſonſt auf eine den Geſetzen gemaͤße Art, durch Tauſch und andere er- laubte Wege von ihnen erworben werden koͤnnen. Nur iene Staͤnde zerſtoͤren dieſes Gleichgewicht, welche ein- ſeitige Buͤndniſſe gegen andere errichten, uͤber Dinge, die nur der Erwegung und Entſcheidung aller vorbehal- ten ſind, wilkuͤhrlicher Urteile ſich anmaßen, ſogar zu derer bewafneter Behauptung ſich unter einander vereini- gen, und ſolchergeſtalt allen uͤbrigen eine ganz unbefugte Obergewalt aufdringen wollen.” Dagegen aber wurde von koͤniglich preuſſiſcher Seite geaͤuſſert c]: „Nach die- ſen hier wilkuͤhrlich und ohne Beweis angenommenen groͤſtenteils unaͤchten Grundſaͤtzen wuͤrde das Gleichge- wicht der Gewalt im teutſchen Reiche faſt ganz in der Wilkuͤhr der hier ſogenanten Obergewalt, worunter man den Kaiſer zu verſtehen ſcheint, beruhen, und wuͤrde das Schickſal der vermeintlich untergebenen Reichsſtaͤnde ſehr mißlich ſeyn. Zum Gluͤck fuͤr den konfoͤderirten Staat von Teutſchland hat deſſen gewaͤhltes Oberhaupt keine andere Obergewalt, als welche die Erbfuͤrſten, die es gewaͤhlt, ihm durch die von ihm beſchworne Wahlka- pitulation aufgetragen haben. Nach ſolcher beruhet die geſetzmaͤſige Obergewalt nicht bey dem Kaiſer allein, ſondern fuͤr die Geſetzgebung, bey dem Kaiſer und den Staͤnden zuſammen; in Anſehung der exekutiviſchen Gewalt, allein auf die dazu beſonders geordneten Staͤn- de. Wenn ſie der Kaiſer, als ſolcher, fuͤr ſich allein, oder als ein dazu nicht verordneter Reichsſtand, aus- uͤben will, wenn er ſeinen ſchwaͤchern Mitſtaͤnden Kon- ven-
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Von der Macht der Nazionen
volbracht und dazu in der Regel nur die von den Staͤn-
den geſtelte Manſchaft gebraucht werde. Dieſem einzi-
gen wahren und weſentlichen Gleichgewichte im teutſchen
Reiche ſtehet keinesweges die allen Staͤnden deſſelben
gebuͤhrende Befugnis entgegen, ſo viele Reichslande an
ſich zu bringen, als ihnen verliehen werden, oder in
rechtlicher Ordnung an ſie fallen, oder ſonſt auf eine
den Geſetzen gemaͤße Art, durch Tauſch und andere er-
laubte Wege von ihnen erworben werden koͤnnen. Nur
iene Staͤnde zerſtoͤren dieſes Gleichgewicht, welche ein-
ſeitige Buͤndniſſe gegen andere errichten, uͤber Dinge,
die nur der Erwegung und Entſcheidung aller vorbehal-
ten ſind, wilkuͤhrlicher Urteile ſich anmaßen, ſogar zu
derer bewafneter Behauptung ſich unter einander vereini-
gen, und ſolchergeſtalt allen uͤbrigen eine ganz unbefugte
Obergewalt aufdringen wollen.” Dagegen aber wurde
von koͤniglich preuſſiſcher Seite geaͤuſſert c]: „Nach die-
ſen hier wilkuͤhrlich und ohne Beweis angenommenen
groͤſtenteils unaͤchten Grundſaͤtzen wuͤrde das Gleichge-
wicht der Gewalt im teutſchen Reiche faſt ganz in der
Wilkuͤhr der hier ſogenanten Obergewalt, worunter man
den Kaiſer zu verſtehen ſcheint, beruhen, und wuͤrde
das Schickſal der vermeintlich untergebenen Reichsſtaͤnde
ſehr mißlich ſeyn. Zum Gluͤck fuͤr den konfoͤderirten
Staat von Teutſchland hat deſſen gewaͤhltes Oberhaupt
keine andere Obergewalt, als welche die Erbfuͤrſten, die
es gewaͤhlt, ihm durch die von ihm beſchworne Wahlka-
pitulation aufgetragen haben. Nach ſolcher beruhet die
geſetzmaͤſige Obergewalt nicht bey dem Kaiſer allein,
ſondern fuͤr die Geſetzgebung, bey dem Kaiſer und den
Staͤnden zuſammen; in Anſehung der exekutiviſchen
Gewalt, allein auf die dazu beſonders geordneten Staͤn-
de. Wenn ſie der Kaiſer, als ſolcher, fuͤr ſich allein,
oder als ein dazu nicht verordneter Reichsſtand, aus-
uͤben will, wenn er ſeinen ſchwaͤchern Mitſtaͤnden Kon-
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