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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
Erbfolgers hinzukomt, der Verstorbene den Besitz
nicht mehr übergeben könne. Das Testament sey also
ein unvolkomnes Geschäft, welches blos durch wilkühr-
liche bürgerliche Gesetze seine Kraft erhalten a]. Allein
da der Eigenthümer einmal das Recht hat nach Wil-
kühr mit seinen Gütern zu schalten und solche im Leben
andern zu überlassen, so verdient die Meinung derer
wohl den Vorzug, welche behaupten, daß auch nach
dem Rechte der Natur die Uebertragung seines Eigen-
thums an andere durch einen sogenanten letzten Willen
gegründet sey b]. Ohne die Einwilligung des Erben
kann es freilich nicht geschehn; aber es ist eben nicht
nöthig, daß diese beiden Willenserklärungen zusam-
mentreffen. Zur Vollendung der Erwerbung gehört
zwar auch die Erlangung des Besitzes, diesen kan der
Erbe sich iedoch füglich selbst verschaffen.

Indes leidet der Gebrauch und die Gültigkeit der
Testamente unter den Regenten freier Völker, wenn
sie sonst die nach den Staatsgrundgesetzen erfoderlichen
Eigenschaften haben, keinen Zweifel, wie die Beispiele
mehrerer durch letzte Willen an andere Nazionen gekom-
mener Länder bezeugen. Auch hier verdient das Testa-
ment König Karls II. von Spanien von 1700 woraus
die vorerwähnten Erbfolgsstreitigkeiten gröstenteils ent-
standen, angeführt zu werden.

a] Henr. Cocceji diss. de testamentis principum, Frcf.
1699. und in Exerc. curios. Vol. II. p. 377 -- 401.
Sam. Cocceji Introd. cit. diss. prooem. XII. L. 4. c. 3.
Sect. 4. §. 293. seqq.
Steph. Wischer diss. de testamentis I. Nat. ignotis
Ultraj.
1720.
b] Ausser Grotius L. II. c. 6. §. 14. Puffendorff
L. IV. c. 10. Ickstatt L. III. c. 3. §. 14. Schrodt
P. II. c.
2. §. 30. s. m.
G 5

oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
Erbfolgers hinzukomt, der Verſtorbene den Beſitz
nicht mehr uͤbergeben koͤnne. Das Teſtament ſey alſo
ein unvolkomnes Geſchaͤft, welches blos durch wilkuͤhr-
liche buͤrgerliche Geſetze ſeine Kraft erhalten a]. Allein
da der Eigenthuͤmer einmal das Recht hat nach Wil-
kuͤhr mit ſeinen Guͤtern zu ſchalten und ſolche im Leben
andern zu uͤberlaſſen, ſo verdient die Meinung derer
wohl den Vorzug, welche behaupten, daß auch nach
dem Rechte der Natur die Uebertragung ſeines Eigen-
thums an andere durch einen ſogenanten letzten Willen
gegruͤndet ſey b]. Ohne die Einwilligung des Erben
kann es freilich nicht geſchehn; aber es iſt eben nicht
noͤthig, daß dieſe beiden Willenserklaͤrungen zuſam-
mentreffen. Zur Vollendung der Erwerbung gehoͤrt
zwar auch die Erlangung des Beſitzes, dieſen kan der
Erbe ſich iedoch fuͤglich ſelbſt verſchaffen.

Indes leidet der Gebrauch und die Guͤltigkeit der
Teſtamente unter den Regenten freier Voͤlker, wenn
ſie ſonſt die nach den Staatsgrundgeſetzen erfoderlichen
Eigenſchaften haben, keinen Zweifel, wie die Beiſpiele
mehrerer durch letzte Willen an andere Nazionen gekom-
mener Laͤnder bezeugen. Auch hier verdient das Teſta-
ment Koͤnig Karls II. von Spanien von 1700 woraus
die vorerwaͤhnten Erbfolgsſtreitigkeiten groͤſtenteils ent-
ſtanden, angefuͤhrt zu werden.

a] Henr. Cocceji diſſ. de teſtamentis principum, Frcf.
1699. und in Exerc. curios. Vol. II. p. 377 — 401.
Sam. Cocceji Introd. cit. diſſ. prooem. XII. L. 4. c. 3.
Sect. 4. §. 293. ſeqq.
Steph. Wiſcher diſſ. de teſtamentis I. Nat. ignotis
Ultraj.
1720.
b] Auſſer Grotius L. II. c. 6. §. 14. Puffendorff
L. IV. c. 10. Ickſtatt L. III. c. 3. §. 14. Schrodt
P. II. c.
2. §. 30. ſ. m.
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[105/0119] oder den abgeleiteten Erwerbungsarten. Erbfolgers hinzukomt, der Verſtorbene den Beſitz nicht mehr uͤbergeben koͤnne. Das Teſtament ſey alſo ein unvolkomnes Geſchaͤft, welches blos durch wilkuͤhr- liche buͤrgerliche Geſetze ſeine Kraft erhalten a]. Allein da der Eigenthuͤmer einmal das Recht hat nach Wil- kuͤhr mit ſeinen Guͤtern zu ſchalten und ſolche im Leben andern zu uͤberlaſſen, ſo verdient die Meinung derer wohl den Vorzug, welche behaupten, daß auch nach dem Rechte der Natur die Uebertragung ſeines Eigen- thums an andere durch einen ſogenanten letzten Willen gegruͤndet ſey b]. Ohne die Einwilligung des Erben kann es freilich nicht geſchehn; aber es iſt eben nicht noͤthig, daß dieſe beiden Willenserklaͤrungen zuſam- mentreffen. Zur Vollendung der Erwerbung gehoͤrt zwar auch die Erlangung des Beſitzes, dieſen kan der Erbe ſich iedoch fuͤglich ſelbſt verſchaffen. Indes leidet der Gebrauch und die Guͤltigkeit der Teſtamente unter den Regenten freier Voͤlker, wenn ſie ſonſt die nach den Staatsgrundgeſetzen erfoderlichen Eigenſchaften haben, keinen Zweifel, wie die Beiſpiele mehrerer durch letzte Willen an andere Nazionen gekom- mener Laͤnder bezeugen. Auch hier verdient das Teſta- ment Koͤnig Karls II. von Spanien von 1700 woraus die vorerwaͤhnten Erbfolgsſtreitigkeiten groͤſtenteils ent- ſtanden, angefuͤhrt zu werden. a] Henr. Cocceji diſſ. de teſtamentis principum, Frcf. 1699. und in Exerc. curios. Vol. II. p. 377 — 401. Sam. Cocceji Introd. cit. diſſ. prooem. XII. L. 4. c. 3. Sect. 4. §. 293. ſeqq. Steph. Wiſcher diſſ. de teſtamentis I. Nat. ignotis Ultraj. 1720. b] Auſſer Grotius L. II. c. 6. §. 14. Puffendorff L. IV. c. 10. Ickſtatt L. III. c. 3. §. 14. Schrodt P. II. c. 2. §. 30. ſ. m. Diet. G 5

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/119>, abgerufen am 24.11.2024.