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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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Von den Landesgrenzen.
§. 12.
Vieliähriger Besitz und Veriährung rc.

Was oben [2. Kap. §. 23. ff.] von dem Erwerbe
durch stillschweigende Einwilligung, undenklichen Besitz
und Veriährung überhaupt vorgetragen worden, leidet
auch in Ansehung der Grenzen seine Anwendung.
Hat ein Volk die Grenzen seines Gebiets zum Abbruch
des benachbarten erweitert, dieses aber es gewußt und
dazu geschwiegen, oder wohl gar durch Handlungen
anerkant, so ist diese Grenzscheidung allerdings als
rechtmässig anzusehn. Eben so wenig kan dieienige in
Zweifel gezogen werden, welche einen undenklichen
Besitz, davon das Gegentheil nicht zu erweisen ist,
zum Grunde hat. Eine blos auf Verlauf gewisser
Jahre beruhende Veriährung hingegen kann auch bey
den Territorialgrenzen zwischen Nazionen nicht Statt
finden.

*] Menius diss. cit. §. 10. seqq. u. §. 44.
Georg. Henr. Ayrer s. resp. Arn. de Ramdohr, diss.
de limitum praescriptione, Gotting. 1746.
§. 13.
Aus Vermuthungen.

Die Gründe, welche man aus blossen Vermuthun-
gen und Wahrscheinlichkeiten, z. B. aus dem Eigen-
thum allein, aus einzelnen Hoheitsrechten, als Erhe-
bung der Gefälle, aus dem Gleits- Jagd- oder andern
Rechte, welche diesem oder ienem Volke in einem ge-
wissen Grenzorte zustehen, sind minder zuverlässig,
weil dieses nur zu den Landen der andern Nazion gehö-
rige Privatgüter seyn, dergleichen Rechte auch als
Völkerdienstbarkeiten in eines andern Volks Territo-

rium
Von den Landesgrenzen.
§. 12.
Vieliaͤhriger Beſitz und Veriaͤhrung ꝛc.

Was oben [2. Kap. §. 23. ff.] von dem Erwerbe
durch ſtillſchweigende Einwilligung, undenklichen Beſitz
und Veriaͤhrung uͤberhaupt vorgetragen worden, leidet
auch in Anſehung der Grenzen ſeine Anwendung.
Hat ein Volk die Grenzen ſeines Gebiets zum Abbruch
des benachbarten erweitert, dieſes aber es gewußt und
dazu geſchwiegen, oder wohl gar durch Handlungen
anerkant, ſo iſt dieſe Grenzſcheidung allerdings als
rechtmaͤſſig anzuſehn. Eben ſo wenig kan dieienige in
Zweifel gezogen werden, welche einen undenklichen
Beſitz, davon das Gegentheil nicht zu erweiſen iſt,
zum Grunde hat. Eine blos auf Verlauf gewiſſer
Jahre beruhende Veriaͤhrung hingegen kann auch bey
den Territorialgrenzen zwiſchen Nazionen nicht Statt
finden.

*] Menius diſſ. cit. §. 10. ſeqq. u. §. 44.
Georg. Henr. Ayrer ſ. resp. Arn. de Ramdohr, diſſ.
de limitum praeſcriptione, Gotting. 1746.
§. 13.
Aus Vermuthungen.

Die Gruͤnde, welche man aus bloſſen Vermuthun-
gen und Wahrſcheinlichkeiten, z. B. aus dem Eigen-
thum allein, aus einzelnen Hoheitsrechten, als Erhe-
bung der Gefaͤlle, aus dem Gleits- Jagd- oder andern
Rechte, welche dieſem oder ienem Volke in einem ge-
wiſſen Grenzorte zuſtehen, ſind minder zuverlaͤſſig,
weil dieſes nur zu den Landen der andern Nazion gehoͤ-
rige Privatguͤter ſeyn, dergleichen Rechte auch als
Voͤlkerdienſtbarkeiten in eines andern Volks Territo-

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[191/0205] Von den Landesgrenzen. §. 12. Vieliaͤhriger Beſitz und Veriaͤhrung ꝛc. Was oben [2. Kap. §. 23. ff.] von dem Erwerbe durch ſtillſchweigende Einwilligung, undenklichen Beſitz und Veriaͤhrung uͤberhaupt vorgetragen worden, leidet auch in Anſehung der Grenzen ſeine Anwendung. Hat ein Volk die Grenzen ſeines Gebiets zum Abbruch des benachbarten erweitert, dieſes aber es gewußt und dazu geſchwiegen, oder wohl gar durch Handlungen anerkant, ſo iſt dieſe Grenzſcheidung allerdings als rechtmaͤſſig anzuſehn. Eben ſo wenig kan dieienige in Zweifel gezogen werden, welche einen undenklichen Beſitz, davon das Gegentheil nicht zu erweiſen iſt, zum Grunde hat. Eine blos auf Verlauf gewiſſer Jahre beruhende Veriaͤhrung hingegen kann auch bey den Territorialgrenzen zwiſchen Nazionen nicht Statt finden. *] Menius diſſ. cit. §. 10. ſeqq. u. §. 44. Georg. Henr. Ayrer ſ. resp. Arn. de Ramdohr, diſſ. de limitum praeſcriptione, Gotting. 1746. §. 13. Aus Vermuthungen. Die Gruͤnde, welche man aus bloſſen Vermuthun- gen und Wahrſcheinlichkeiten, z. B. aus dem Eigen- thum allein, aus einzelnen Hoheitsrechten, als Erhe- bung der Gefaͤlle, aus dem Gleits- Jagd- oder andern Rechte, welche dieſem oder ienem Volke in einem ge- wiſſen Grenzorte zuſtehen, ſind minder zuverlaͤſſig, weil dieſes nur zu den Landen der andern Nazion gehoͤ- rige Privatguͤter ſeyn, dergleichen Rechte auch als Voͤlkerdienſtbarkeiten in eines andern Volks Territo- rium

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/205>, abgerufen am 24.11.2024.