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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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und dem ursprünglichen Erwerbe.
Recht habe, ihn abzuweisen, wenn man ihn finde.
Um dies auf dem Meere zu bewürken, sey die bestän-
dige Unterhaltung einer Flotte hinlänglich.

Noch andere schlagen einen Mittelweg ein und ge-
ben zwar Eigenthum und Herschaft des Meeres zu,
aber unter gewissen Einschränkungen, wenn nämlich
ein Volk solche durch Verträge mit den übrigen, ganz,
oder nach gewissen Theilen erlangt hat. d]

Was das Meer im Algemeinen betrift, haben nach
meinem Urtheile einzelne Nazionen weder Recht noch
Macht, das Meer, mit Ausschlus der übrigen, sich zu-
zueignen. Es ist nicht zu läugnen, daß die Völker,
so wie Anfangs einzelne Menschen und Familien, von
Natur das Recht haben, durch Besitzergreifung, die
Güter der Welt an sich zu bringen, so lange sie noch
herrnlos sind. Sie haben an dem Meere so viel Recht,
als an der Erde. Aber nur ist das erstere nicht blos
als ein Anhang der letztern anzusehn. e] Es sind zwey,
auch in Ansehung des Nutzens, den sie gewähren, ganz
verschiedene Hauptelemente, woraus unsere Weltkugel
besteht. So viel Recht nun ieder auf den Gebrauch
der Erde hat, so viel Recht hat er auch auf das Meer:
und so wenig ein oder etliche wenige Menschen oder
Völker berechtigt sind, sich die ganze Erde ausschließ-
lich zuzueignen, f] so wenig dürfen sie es auch bey dem
Meere thun. Sie können Erde und Meer sich zueignen,
aber von iedem Elemente nur so viel als sie zu ihrer
Erhaltung und Vervolkommung brauchen, und müssen
andern auch das Nöthige lassen. Gewöhnlich sehn die-
ienigen, welche einem oder einigen Völkern das Eigen-
thumsrecht des Meeres zuschreiben, das Meer als einen
unbeträchtlichen Theil der Erde an, der als Anhang
zu dem bereits besitzenden Landesbezirke geschlagen wer-
den könne. Einige wenige Nazionen würden auch,
wenn sie den Einfall haben solten, sich des Meeres

Eigen-

und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
Recht habe, ihn abzuweiſen, wenn man ihn finde.
Um dies auf dem Meere zu bewuͤrken, ſey die beſtaͤn-
dige Unterhaltung einer Flotte hinlaͤnglich.

Noch andere ſchlagen einen Mittelweg ein und ge-
ben zwar Eigenthum und Herſchaft des Meeres zu,
aber unter gewiſſen Einſchraͤnkungen, wenn naͤmlich
ein Volk ſolche durch Vertraͤge mit den uͤbrigen, ganz,
oder nach gewiſſen Theilen erlangt hat. d]

Was das Meer im Algemeinen betrift, haben nach
meinem Urtheile einzelne Nazionen weder Recht noch
Macht, das Meer, mit Ausſchlus der uͤbrigen, ſich zu-
zueignen. Es iſt nicht zu laͤugnen, daß die Voͤlker,
ſo wie Anfangs einzelne Menſchen und Familien, von
Natur das Recht haben, durch Beſitzergreifung, die
Guͤter der Welt an ſich zu bringen, ſo lange ſie noch
herrnlos ſind. Sie haben an dem Meere ſo viel Recht,
als an der Erde. Aber nur iſt das erſtere nicht blos
als ein Anhang der letztern anzuſehn. e] Es ſind zwey,
auch in Anſehung des Nutzens, den ſie gewaͤhren, ganz
verſchiedene Hauptelemente, woraus unſere Weltkugel
beſteht. So viel Recht nun ieder auf den Gebrauch
der Erde hat, ſo viel Recht hat er auch auf das Meer:
und ſo wenig ein oder etliche wenige Menſchen oder
Voͤlker berechtigt ſind, ſich die ganze Erde ausſchließ-
lich zuzueignen, f] ſo wenig duͤrfen ſie es auch bey dem
Meere thun. Sie koͤnnen Erde und Meer ſich zueignen,
aber von iedem Elemente nur ſo viel als ſie zu ihrer
Erhaltung und Vervolkommung brauchen, und muͤſſen
andern auch das Noͤthige laſſen. Gewoͤhnlich ſehn die-
ienigen, welche einem oder einigen Voͤlkern das Eigen-
thumsrecht des Meeres zuſchreiben, das Meer als einen
unbetraͤchtlichen Theil der Erde an, der als Anhang
zu dem bereits beſitzenden Landesbezirke geſchlagen wer-
den koͤnne. Einige wenige Nazionen wuͤrden auch,
wenn ſie den Einfall haben ſolten, ſich des Meeres

Eigen-
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[27/0041] und dem urſpruͤnglichen Erwerbe. Recht habe, ihn abzuweiſen, wenn man ihn finde. Um dies auf dem Meere zu bewuͤrken, ſey die beſtaͤn- dige Unterhaltung einer Flotte hinlaͤnglich. Noch andere ſchlagen einen Mittelweg ein und ge- ben zwar Eigenthum und Herſchaft des Meeres zu, aber unter gewiſſen Einſchraͤnkungen, wenn naͤmlich ein Volk ſolche durch Vertraͤge mit den uͤbrigen, ganz, oder nach gewiſſen Theilen erlangt hat. d] Was das Meer im Algemeinen betrift, haben nach meinem Urtheile einzelne Nazionen weder Recht noch Macht, das Meer, mit Ausſchlus der uͤbrigen, ſich zu- zueignen. Es iſt nicht zu laͤugnen, daß die Voͤlker, ſo wie Anfangs einzelne Menſchen und Familien, von Natur das Recht haben, durch Beſitzergreifung, die Guͤter der Welt an ſich zu bringen, ſo lange ſie noch herrnlos ſind. Sie haben an dem Meere ſo viel Recht, als an der Erde. Aber nur iſt das erſtere nicht blos als ein Anhang der letztern anzuſehn. e] Es ſind zwey, auch in Anſehung des Nutzens, den ſie gewaͤhren, ganz verſchiedene Hauptelemente, woraus unſere Weltkugel beſteht. So viel Recht nun ieder auf den Gebrauch der Erde hat, ſo viel Recht hat er auch auf das Meer: und ſo wenig ein oder etliche wenige Menſchen oder Voͤlker berechtigt ſind, ſich die ganze Erde ausſchließ- lich zuzueignen, f] ſo wenig duͤrfen ſie es auch bey dem Meere thun. Sie koͤnnen Erde und Meer ſich zueignen, aber von iedem Elemente nur ſo viel als ſie zu ihrer Erhaltung und Vervolkommung brauchen, und muͤſſen andern auch das Noͤthige laſſen. Gewoͤhnlich ſehn die- ienigen, welche einem oder einigen Voͤlkern das Eigen- thumsrecht des Meeres zuſchreiben, das Meer als einen unbetraͤchtlichen Theil der Erde an, der als Anhang zu dem bereits beſitzenden Landesbezirke geſchlagen wer- den koͤnne. Einige wenige Nazionen wuͤrden auch, wenn ſie den Einfall haben ſolten, ſich des Meeres Eigen-

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/41>, abgerufen am 28.04.2024.