Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.Von den Titeln, Wapen schweigende Einwilligung erfoderlich b]. Sie pflegen,nach den Pflichten der Geselschaft, auch die Anerken- nung der Würden und Titel, welche eine Nazion selbst ihrem Souverain erteilt, nicht leicht zu verweigern, wenn diese die zu Behauptung einer solchen Würde er- foderlichen Eigenschaften besitzt, und die Titel nicht ungewönlich und besonders in Ansehung der daraus her- zuleitenden Ansprüche auf Vorzüge, Rechte etc. nicht bedenklich sind c]. In diesem letztern Falle aber sind die andern allerdings berechtigt, dieselben nicht zu er- kennen und sich dagegen zu verwahren d], die Sicher- stellung ihrer Gerechtsame hierunter zu verlangen, oder wenigstens gewisse Einschränkungen und Bedingungen dabey festzusetzen e]. Gewönlich geben die Souve- rains, welche eine andere Würde oder Titulatur ange- nommen haben, dem andern Nachricht davon f] und dann pflegt die Anerkennung entweder ausdrücklich in förmlichen Erklärungen, Verträgen etc. g] oder durch stilschweigende Genehmigung in Beilegung derselben, durch Glückwünsche dazu etc. h] zu erfolgen. Zuweilen wird, um desto sicherer zu gehn, die Anerkennung auch wohl im voraus vor der förmlichen Annahme bedun- gen i]. Ehe diese Anerkennung nicht erfolgt ist, kann die Verweigerung eines Titels nicht als Beleidigung angesehn werden k], wenn auch mehrere Mächte ihn bereits erkant haben l]. Indes steht es der Nazion, deren Würde etc. von einer andern nicht anerkant wer- den will, ohnstreitig frey, mit dieser die Verbindung und Gemeinschaft aufzuheben m]. Auch von allen die- sem geben die Russischen und Preussischen Kaiser- und Königswürden die deutlichsten Beweise n]. Weniger Schwierigkeiten und Bedenklichkeiten hat es, wenn die Annahme eines Titels nicht ganz neu ist, sondern z. B. nur ein Königreich, das vorher mit einem an- dern verbunden war, als ein besonderes Reich an ein anderes
Von den Titeln, Wapen ſchweigende Einwilligung erfoderlich b]. Sie pflegen,nach den Pflichten der Geſelſchaft, auch die Anerken- nung der Wuͤrden und Titel, welche eine Nazion ſelbſt ihrem Souverain erteilt, nicht leicht zu verweigern, wenn dieſe die zu Behauptung einer ſolchen Wuͤrde er- foderlichen Eigenſchaften beſitzt, und die Titel nicht ungewoͤnlich und beſonders in Anſehung der daraus her- zuleitenden Anſpruͤche auf Vorzuͤge, Rechte ꝛc. nicht bedenklich ſind c]. In dieſem letztern Falle aber ſind die andern allerdings berechtigt, dieſelben nicht zu er- kennen und ſich dagegen zu verwahren d], die Sicher- ſtellung ihrer Gerechtſame hierunter zu verlangen, oder wenigſtens gewiſſe Einſchraͤnkungen und Bedingungen dabey feſtzuſetzen e]. Gewoͤnlich geben die Souve- rains, welche eine andere Wuͤrde oder Titulatur ange- nommen haben, dem andern Nachricht davon f] und dann pflegt die Anerkennung entweder ausdruͤcklich in foͤrmlichen Erklaͤrungen, Vertraͤgen ꝛc. g] oder durch ſtilſchweigende Genehmigung in Beilegung derſelben, durch Gluͤckwuͤnſche dazu ꝛc. h] zu erfolgen. Zuweilen wird, um deſto ſicherer zu gehn, die Anerkennung auch wohl im voraus vor der foͤrmlichen Annahme bedun- gen i]. Ehe dieſe Anerkennung nicht erfolgt iſt, kann die Verweigerung eines Titels nicht als Beleidigung angeſehn werden k], wenn auch mehrere Maͤchte ihn bereits erkant haben l]. Indes ſteht es der Nazion, deren Wuͤrde ꝛc. von einer andern nicht anerkant wer- den will, ohnſtreitig frey, mit dieſer die Verbindung und Gemeinſchaft aufzuheben m]. Auch von allen die- ſem geben die Ruſſiſchen und Preuſſiſchen Kaiſer- und Koͤnigswuͤrden die deutlichſten Beweiſe n]. Weniger Schwierigkeiten und Bedenklichkeiten hat es, wenn die Annahme eines Titels nicht ganz neu iſt, ſondern z. B. nur ein Koͤnigreich, das vorher mit einem an- dern verbunden war, als ein beſonderes Reich an ein anderes
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Von den Titeln, Wapen
ſchweigende Einwilligung erfoderlich b]. Sie pflegen,
nach den Pflichten der Geſelſchaft, auch die Anerken-
nung der Wuͤrden und Titel, welche eine Nazion ſelbſt
ihrem Souverain erteilt, nicht leicht zu verweigern,
wenn dieſe die zu Behauptung einer ſolchen Wuͤrde er-
foderlichen Eigenſchaften beſitzt, und die Titel nicht
ungewoͤnlich und beſonders in Anſehung der daraus her-
zuleitenden Anſpruͤche auf Vorzuͤge, Rechte ꝛc. nicht
bedenklich ſind c]. In dieſem letztern Falle aber ſind
die andern allerdings berechtigt, dieſelben nicht zu er-
kennen und ſich dagegen zu verwahren d], die Sicher-
ſtellung ihrer Gerechtſame hierunter zu verlangen, oder
wenigſtens gewiſſe Einſchraͤnkungen und Bedingungen
dabey feſtzuſetzen e]. Gewoͤnlich geben die Souve-
rains, welche eine andere Wuͤrde oder Titulatur ange-
nommen haben, dem andern Nachricht davon f] und
dann pflegt die Anerkennung entweder ausdruͤcklich in
foͤrmlichen Erklaͤrungen, Vertraͤgen ꝛc. g] oder durch
ſtilſchweigende Genehmigung in Beilegung derſelben,
durch Gluͤckwuͤnſche dazu ꝛc. h] zu erfolgen. Zuweilen
wird, um deſto ſicherer zu gehn, die Anerkennung auch
wohl im voraus vor der foͤrmlichen Annahme bedun-
gen i]. Ehe dieſe Anerkennung nicht erfolgt iſt, kann
die Verweigerung eines Titels nicht als Beleidigung
angeſehn werden k], wenn auch mehrere Maͤchte ihn
bereits erkant haben l]. Indes ſteht es der Nazion,
deren Wuͤrde ꝛc. von einer andern nicht anerkant wer-
den will, ohnſtreitig frey, mit dieſer die Verbindung
und Gemeinſchaft aufzuheben m]. Auch von allen die-
ſem geben die Ruſſiſchen und Preuſſiſchen Kaiſer- und
Koͤnigswuͤrden die deutlichſten Beweiſe n]. Weniger
Schwierigkeiten und Bedenklichkeiten hat es, wenn
die Annahme eines Titels nicht ganz neu iſt, ſondern
z. B. nur ein Koͤnigreich, das vorher mit einem an-
dern verbunden war, als ein beſonderes Reich an ein
anderes
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