Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.und dem ursprünglichen Erwerbe. an sich keine Herschaft erkennen, so räumen die Ver-theidiger dieser Meinung auch ein, daß eine ausdrück- liche oder stilschweigende Einwilligung derer hierzu er- foderlich sey, über welche die Herschaft behauptet wer- den soll. Ich will hier nicht alle die Schwierigkeiten, welchen die Herschaft über eine in Niemandes Eigen- thum befindliche Sache unterworfen seyn muß, weit- läufig anführen; b] aber man wird leicht einsehn, daß zu Einräumung einer solchen Herschaft nicht die Ein- willigung eines oder mehrerer, sondern aller Theilhaber nöthig sey. Wenn also auch eine oder die andere Na- zion einer dritten iene Herschaftsrechte zugesteht, so ist dies nicht sowohl für eine Herschaft über das Meer, als für eine persönliche Unterwerfung anzusehn; denn wenn das Meer nicht im Eigenthum einzelner Völker, sondern im gemeinschaftlichen Besitz aller ist, wie kann die eine Herschaft anerkennende Nazion den Theil be- stimmen, der ihr gehört, oder andern etwas vergeben, wenn sie nicht eingewilligt haben? Die Herschaft über das Meer ohne Eigenthum ist daher allenfals denkbar, aber desto weniger ausführbar, da die meisten Völker in Europa, deren Beistimmung darzu nöthig wäre, alle Herschaft des Meeres zu bekämpfen suchen. a] Theod. Graswinckel advers. Burgum l. c. c. 16. S. 229. u. f. Wolff c III. §. 357. Schrodt P. II. c. 1. §. 14. 15. Martens L. IV. c. 4. §. 120. Sam. Cocceji widerspricht sich in diesem Puncte. In der In- troduct. ad Henr. de Cocceji Grot. illustr. Lausan. 1751. 4. diss. prooem. XII. §. 237. behauptet er: acquiri imperium potest, etsi res singulae natura in dominium venire non possunt. Sane imperium ma- ris -- habere possumus, etsi -- in proprietate no- stra non sit constituta. und in Not. ad Grotii mare li- berum c. 5. sagt er: Ad id, vt imperium acquiratur, requiritur, vt res sit in nostra potestate: Sane solo Günth. Völk. R. 2. B. C
und dem urſpruͤnglichen Erwerbe. an ſich keine Herſchaft erkennen, ſo raͤumen die Ver-theidiger dieſer Meinung auch ein, daß eine ausdruͤck- liche oder ſtilſchweigende Einwilligung derer hierzu er- foderlich ſey, uͤber welche die Herſchaft behauptet wer- den ſoll. Ich will hier nicht alle die Schwierigkeiten, welchen die Herſchaft uͤber eine in Niemandes Eigen- thum befindliche Sache unterworfen ſeyn muß, weit- laͤufig anfuͤhren; b] aber man wird leicht einſehn, daß zu Einraͤumung einer ſolchen Herſchaft nicht die Ein- willigung eines oder mehrerer, ſondern aller Theilhaber noͤthig ſey. Wenn alſo auch eine oder die andere Na- zion einer dritten iene Herſchaftsrechte zugeſteht, ſo iſt dies nicht ſowohl fuͤr eine Herſchaft uͤber das Meer, als fuͤr eine perſoͤnliche Unterwerfung anzuſehn; denn wenn das Meer nicht im Eigenthum einzelner Voͤlker, ſondern im gemeinſchaftlichen Beſitz aller iſt, wie kann die eine Herſchaft anerkennende Nazion den Theil be- ſtimmen, der ihr gehoͤrt, oder andern etwas vergeben, wenn ſie nicht eingewilligt haben? Die Herſchaft uͤber das Meer ohne Eigenthum iſt daher allenfals denkbar, aber deſto weniger ausfuͤhrbar, da die meiſten Voͤlker in Europa, deren Beiſtimmung darzu noͤthig waͤre, alle Herſchaft des Meeres zu bekaͤmpfen ſuchen. a] Theod. Graswinckel adverſ. Burgum l. c. c. 16. S. 229. u. f. Wolff c III. §. 357. Schrodt P. II. c. 1. §. 14. 15. Martens L. IV. c. 4. §. 120. Sam. Cocceji widerſpricht ſich in dieſem Puncte. In der In- troduct. ad Henr. de Cocceji Grot. illuſtr. Lauſan. 1751. 4. diſſ. prooem. XII. §. 237. behauptet er: acquiri imperium poteſt, etſi res ſingulae natura in dominium venire non poſſunt. Sane imperium ma- ris — habere poſſumus, etſi — in proprietate no- ſtra non ſit conſtituta. und in Not. ad Grotii mare li- berum c. 5. ſagt er: Ad id, vt imperium acquiratur, requiritur, vt res ſit in noſtra poteſtate: Sane ſolo Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. C
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liche oder ſtilſchweigende Einwilligung derer hierzu er-
foderlich ſey, uͤber welche die Herſchaft behauptet wer-
den ſoll. Ich will hier nicht alle die Schwierigkeiten,
welchen die Herſchaft uͤber eine in Niemandes Eigen-
thum befindliche Sache unterworfen ſeyn muß, weit-
laͤufig anfuͤhren; b] aber man wird leicht einſehn, daß
zu Einraͤumung einer ſolchen Herſchaft nicht die Ein-
willigung eines oder mehrerer, ſondern aller Theilhaber
noͤthig ſey. Wenn alſo auch eine oder die andere Na-
zion einer dritten iene Herſchaftsrechte zugeſteht, ſo iſt
dies nicht ſowohl fuͤr eine Herſchaft uͤber das Meer,
als fuͤr eine perſoͤnliche Unterwerfung anzuſehn; denn
wenn das Meer nicht im Eigenthum einzelner Voͤlker,
ſondern im gemeinſchaftlichen Beſitz aller iſt, wie kann
die eine Herſchaft anerkennende Nazion den Theil be-
ſtimmen, der ihr gehoͤrt, oder andern etwas vergeben,
wenn ſie nicht eingewilligt haben? Die Herſchaft uͤber
das Meer ohne Eigenthum iſt daher allenfals denkbar,
aber deſto weniger ausfuͤhrbar, da die meiſten Voͤlker
in Europa, deren Beiſtimmung darzu noͤthig waͤre, alle
Herſchaft des Meeres zu bekaͤmpfen ſuchen.
a] Theod. Graswinckel adverſ. Burgum l. c. c. 16. S.
229. u. f. Wolff c III. §. 357. Schrodt P. II. c. 1.
§. 14. 15. Martens L. IV. c. 4. §. 120. Sam.
Cocceji widerſpricht ſich in dieſem Puncte. In der In-
troduct. ad Henr. de Cocceji Grot. illuſtr. Lauſan.
1751. 4. diſſ. prooem. XII. §. 237. behauptet er:
acquiri imperium poteſt, etſi res ſingulae natura in
dominium venire non poſſunt. Sane imperium ma-
ris — habere poſſumus, etſi — in proprietate no-
ſtra non ſit conſtituta. und in Not. ad Grotii mare li-
berum c. 5. ſagt er: Ad id, vt imperium acquiratur,
requiritur, vt res ſit in noſtra poteſtate: Sane ſolo
animo
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. C
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