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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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De vera cujuslibet status felicitate.
durch die Wollüste waren sie zu feigen Männern worden. Also kan man
sehen: Non esse Enthusiasticum vel nimis Scholasticum, quod dixi: Denn
die experience zeiget es. Wer es negiret, dessen stultitia leuchtet in die
Augen. Medium ist also das beste, und abundantia tauget nichts. Opes
relativae
und potentia relativa muß freylich da seyn, weil wir lauter böse
Nachbarn um uns haben, und wenn gleich einmahl ein guter Nachbar
da ist, so lebet doch derselbe nicht beständig, nach ihn kommt vielleicht
ein anderer, der wieder groß Lermen macht. Man findet freylich keine
felicem rempublicam omni ex parte, si excipias rem publicam Judaicam,
welche glücklich gewesen, so lange sie unsern HErr GOtt regieren lassen.
Warum man aber keine glücklichen Republiquen sonst findet, davon ist
die Ursache leicht zu errathen: Die Republiquen entstehen mehrentheils
per hazard. In denen Schulen können wir wohl weisen, wie eine Re-
public könne gebauet werden, und hat es auch einen Nutzen, wenn Po-
litica Architectonica
dieses zeiget. Manche zeigen es nun recht, aber
manche schiessen auch nicht recht zum Ziel. Aber das ist wahr, was
Polybius lib. 4. sagt: Es wären die meisten Republiquen in der Welt
sine arte, naturae impetu, ex affectibus entstanden. Die causa remota
also ist unser Fall, unsere affecten. Daher siehet man, daß die Repu-
bliquen nicht entstanden ratione temperante. Man kan auch hieraus
abnehmen, daß es nicht geschehen, wie die Menschen sich eingebildet,
nemlich, daß man gradatim gegangen, und erst ein solches imperium con-
cedi
ret, da der populus per plura suffragia, per plures curias regieret/
denn da supponiret man einen populum ratiocinantem, wo die meisten
Leute gescheuet seyn. Allein nulla vel paucissima ars intervenit; es war
confusio, daher ist es kommen, daß sie auf einen gefallen, die erste de-
nominationes
sind alle Monarchicae gewesen, nachgehends aber sind sie
auf andere gefallen, da plures regieret, und denen Principibus haben sie die
Hälse gebrochen. Sine sapientia kan man freylich nicht ad felicitatem kom-
men; sondern es ist alsdenn nur confusio, wenn solche mangelt, wie man in
Pohlen siehet, das floriret in turbis, aber miserrime. Consideriret man
also eine Republic, wie die seyn soll, so wird man finden, daß sie gantz
aussiehet, als wie man sie in der Welt antrifft. In denen Schulen kan
man den scopum betrachten, und die remedia ansehen, wodurch man
ad finem & scopum gelanget. Man kan alles demonstriren, und sagen,
so sollte es seyn, aber wer kan denen Regenten befehlen, daß sie es so
machen. Es ist nicht anders, als wenn wir einen guten Catechismum
machen, da kan man alles demonstriren, aber wer thut darnach? Die
Menschen leben nach ihren passionen, nicht nach denen rechten principiis.

Wir
N 3

De vera cujuslibet ſtatus felicitate.
durch die Wolluͤſte waren ſie zu feigen Maͤnnern worden. Alſo kan man
ſehen: Non eſſe Enthuſiaſticum vel nimis Scholaſticum, quod dixi: Denn
die experience zeiget es. Wer es negiret, deſſen ſtultitia leuchtet in die
Augen. Medium iſt alſo das beſte, und abundantia tauget nichts. Opes
relativæ
und potentia relativa muß freylich da ſeyn, weil wir lauter boͤſe
Nachbarn um uns haben, und wenn gleich einmahl ein guter Nachbar
da iſt, ſo lebet doch derſelbe nicht beſtaͤndig, nach ihn kommt vielleicht
ein anderer, der wieder groß Lermen macht. Man findet freylich keine
felicem rempublicam omni ex parte, ſi excipias rem publicam Judaicam,
welche gluͤcklich geweſen, ſo lange ſie unſern HErr GOtt regieren laſſen.
Warum man aber keine gluͤcklichen Republiquen ſonſt findet, davon iſt
die Urſache leicht zu errathen: Die Republiquen entſtehen mehrentheils
per hazard. In denen Schulen koͤnnen wir wohl weiſen, wie eine Re-
public koͤnne gebauet werden, und hat es auch einen Nutzen, wenn Po-
litica Architectonica
dieſes zeiget. Manche zeigen es nun recht, aber
manche ſchieſſen auch nicht recht zum Ziel. Aber das iſt wahr, was
Polybius lib. 4. ſagt: Es waͤren die meiſten Republiquen in der Welt
ſine arte, naturæ impetu, ex affectibus entſtanden. Die cauſa remota
alſo iſt unſer Fall, unſere affecten. Daher ſiehet man, daß die Repu-
bliquen nicht entſtanden ratione temperante. Man kan auch hieraus
abnehmen, daß es nicht geſchehen, wie die Menſchen ſich eingebildet,
nemlich, daß man gradatim gegangen, und erſt ein ſolches imperium con-
cedi
ret, da der populus per plura ſuffragia, per plures curias regieret/
denn da ſupponiret man einen populum ratiocinantem, wo die meiſten
Leute geſcheuet ſeyn. Allein nulla vel pauciſſima ars intervenit; es war
confuſio, daher iſt es kommen, daß ſie auf einen gefallen, die erſte de-
nominationes
ſind alle Monarchicæ geweſen, nachgehends aber ſind ſie
auf andere gefallen, da plures regieret, und denen Principibus haben ſie die
Haͤlſe gebrochen. Sine ſapientia kan man freylich nicht ad felicitatem kom-
men; ſondern es iſt alsdenn nur confuſio, wenn ſolche mangelt, wie man in
Pohlen ſiehet, das floriret in turbis, aber miſerrime. Conſideriret man
alſo eine Republic, wie die ſeyn ſoll, ſo wird man finden, daß ſie gantz
ausſiehet, als wie man ſie in der Welt antrifft. In denen Schulen kan
man den ſcopum betrachten, und die remedia anſehen, wodurch man
ad finem & ſcopum gelanget. Man kan alles demonſtriren, und ſagen,
ſo ſollte es ſeyn, aber wer kan denen Regenten befehlen, daß ſie es ſo
machen. Es iſt nicht anders, als wenn wir einen guten Catechiſmum
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Wir
N 3
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[101/0121] De vera cujuslibet ſtatus felicitate. durch die Wolluͤſte waren ſie zu feigen Maͤnnern worden. Alſo kan man ſehen: Non eſſe Enthuſiaſticum vel nimis Scholaſticum, quod dixi: Denn die experience zeiget es. Wer es negiret, deſſen ſtultitia leuchtet in die Augen. Medium iſt alſo das beſte, und abundantia tauget nichts. Opes relativæ und potentia relativa muß freylich da ſeyn, weil wir lauter boͤſe Nachbarn um uns haben, und wenn gleich einmahl ein guter Nachbar da iſt, ſo lebet doch derſelbe nicht beſtaͤndig, nach ihn kommt vielleicht ein anderer, der wieder groß Lermen macht. Man findet freylich keine felicem rempublicam omni ex parte, ſi excipias rem publicam Judaicam, welche gluͤcklich geweſen, ſo lange ſie unſern HErr GOtt regieren laſſen. Warum man aber keine gluͤcklichen Republiquen ſonſt findet, davon iſt die Urſache leicht zu errathen: Die Republiquen entſtehen mehrentheils per hazard. In denen Schulen koͤnnen wir wohl weiſen, wie eine Re- public koͤnne gebauet werden, und hat es auch einen Nutzen, wenn Po- litica Architectonica dieſes zeiget. Manche zeigen es nun recht, aber manche ſchieſſen auch nicht recht zum Ziel. Aber das iſt wahr, was Polybius lib. 4. ſagt: Es waͤren die meiſten Republiquen in der Welt ſine arte, naturæ impetu, ex affectibus entſtanden. Die cauſa remota alſo iſt unſer Fall, unſere affecten. Daher ſiehet man, daß die Repu- bliquen nicht entſtanden ratione temperante. Man kan auch hieraus abnehmen, daß es nicht geſchehen, wie die Menſchen ſich eingebildet, nemlich, daß man gradatim gegangen, und erſt ein ſolches imperium con- cediret, da der populus per plura ſuffragia, per plures curias regieret/ denn da ſupponiret man einen populum ratiocinantem, wo die meiſten Leute geſcheuet ſeyn. Allein nulla vel pauciſſima ars intervenit; es war confuſio, daher iſt es kommen, daß ſie auf einen gefallen, die erſte de- nominationes ſind alle Monarchicæ geweſen, nachgehends aber ſind ſie auf andere gefallen, da plures regieret, und denen Principibus haben ſie die Haͤlſe gebrochen. Sine ſapientia kan man freylich nicht ad felicitatem kom- men; ſondern es iſt alsdenn nur confuſio, wenn ſolche mangelt, wie man in Pohlen ſiehet, das floriret in turbis, aber miſerrime. Conſideriret man alſo eine Republic, wie die ſeyn ſoll, ſo wird man finden, daß ſie gantz ausſiehet, als wie man ſie in der Welt antrifft. In denen Schulen kan man den ſcopum betrachten, und die remedia anſehen, wodurch man ad finem & ſcopum gelanget. Man kan alles demonſtriren, und ſagen, ſo ſollte es ſeyn, aber wer kan denen Regenten befehlen, daß ſie es ſo machen. Es iſt nicht anders, als wenn wir einen guten Catechiſmum machen, da kan man alles demonſtriren, aber wer thut darnach? Die Menſchen leben nach ihren paſſionen, nicht nach denen rechten principiis. Wir N 3

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/121>, abgerufen am 26.11.2024.