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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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De vera cujuslibet status felicitate.
pulus ist wollüstig, wie die Jüden beschaffen gewesen, sie inclinirten ad
otium, ad voluptatem;
daher wird man auch finden, daß die Jüdischen
Gesetze sonderlich dahin gehen, sie ad laborem anzuhalten, damit sie kein
otium haben möchten: Denn das ist ein rechter Legislator, so die irri-
tamenta
aus dem Wege räumet. Es sind e. g. Huren-Häuser, Spiel-
Häuser, Coffee-Häuser, wenn ich da tausend Leges gäbe, daß die Leute
nicht solten hinein gehen, so ist es eine Thorheit, und hilfft nichts. Denn
wenn man vor so einem Hause vorbey gehet, wird man allicirt. Die
Leges sind mehr als zu scharff, welche man giebet, in tanta luxuria, aber
die irritamenta sind nicht praescindiret, und siehet man, daß es eine schlech-
te Legislation. Man findet auch in Jüdischen Gesetzen, es solle keine
Hure seyn, unter den Kindern Israel; aber man siehet auch, was vor
Anstalten deßwegen gemacht worden. Und also wenn ich sehe, daß ein
Volck wollüstig, so muß ich die occasiones praescindiren, sonst helffen die
Leges nichts. Diejenige Republic aber ist albern, welche die Leges von
andern herhohlet: Denn die leges schicken sich nicht ad genium hujus
populi,
weil ein jeder populus andere inclinationes und andere vitia hat.
Manche vitia sind nicht unter dem Volcke, da thut man absurd, wenn
man leges deßwegen giebet: Denn da giebt man nur denen Leuten Ge-
legenheit, daran zu gedencken; Daher ists gut, daß von manchen vitiis
gar nichts in legibus stehet. Cicero saget, man könnte sich wundern,
daß der Lex Pompeia erst gegeben worden, da die Republic schon lan-
ge Zeit vorher gestanden; Allein er saget: Vorher habe keiner ein sol-
ches Scelus begangen; Daher habe man den legem nicht nöthig gehabt.
Tacitus sagt gar artig von denen Teutschen: plus ibi valent boni mores,
quam alibi bonae leges i. e.
Sie haben vor sich gut gelebt, daß sie keine
leges gebraucht. Wenn aber der Princeps inclinationes bey seinen Un-
terthanen antrifft, welche können turbas machen, alsdenn muß er leges
ferre.
Man kan hieraus leicht abnehmen, daß, wenn man die Römer
in abstracto ansiehet, und nicht ihren Zustand betrachtet, sie alberne Leu-
te gewesen, daß sie nach Griechen-Land gegangen, und da leges gehohlet,
welche doch nicht accommodiret waren, ad genium ihres Volcks. Nicht
anders, als wie wir Teutschen auch wunderlich gewesen, daß wir fremde
leges angenommen. Simler sagt gar artig in seiner Beschreibung von
der Schweitz, man könnte sich wundern, warum die Schweitzer nicht
auch das Römische Recht angenommen; allein die Schweitzer waren
simple Leute, und möchte sich das lus Rom. wohl vor die Römer geschickt
haben, vor die Schweitzer wäre es zu subtil. Weil die Teutschen alle
aus einer race, ex una tribu, so kommt es eben daher, daß sie alle einer-

ley
O

De vera cujuslibet ſtatus felicitate.
pulus iſt wolluͤſtig, wie die Juͤden beſchaffen geweſen, ſie inclinirten ad
otium, ad voluptatem;
daher wird man auch finden, daß die Juͤdiſchen
Geſetze ſonderlich dahin gehen, ſie ad laborem anzuhalten, damit ſie kein
otium haben moͤchten: Denn das iſt ein rechter Legislator, ſo die irri-
tamenta
aus dem Wege raͤumet. Es ſind e. g. Huren-Haͤuſer, Spiel-
Haͤuſer, Coffée-Haͤuſer, wenn ich da tauſend Leges gaͤbe, daß die Leute
nicht ſolten hinein gehen, ſo iſt es eine Thorheit, und hilfft nichts. Denn
wenn man vor ſo einem Hauſe vorbey gehet, wird man allicirt. Die
Leges ſind mehr als zu ſcharff, welche man giebet, in tanta luxuria, aber
die irritamenta ſind nicht præſcindiret, und ſiehet man, daß es eine ſchlech-
te Legislation. Man findet auch in Juͤdiſchen Geſetzen, es ſolle keine
Hure ſeyn, unter den Kindern Iſrael; aber man ſiehet auch, was vor
Anſtalten deßwegen gemacht worden. Und alſo wenn ich ſehe, daß ein
Volck wolluͤſtig, ſo muß ich die occaſiones præſcindiren, ſonſt helffen die
Leges nichts. Diejenige Republic aber iſt albern, welche die Leges von
andern herhohlet: Denn die leges ſchicken ſich nicht ad genium hujus
populi,
weil ein jeder populus andere inclinationes und andere vitia hat.
Manche vitia ſind nicht unter dem Volcke, da thut man abſurd, wenn
man leges deßwegen giebet: Denn da giebt man nur denen Leuten Ge-
legenheit, daran zu gedencken; Daher iſts gut, daß von manchen vitiis
gar nichts in legibus ſtehet. Cicero ſaget, man koͤnnte ſich wundern,
daß der Lex Pompeia erſt gegeben worden, da die Republic ſchon lan-
ge Zeit vorher geſtanden; Allein er ſaget: Vorher habe keiner ein ſol-
ches Scelus begangen; Daher habe man den legem nicht noͤthig gehabt.
Tacitus ſagt gar artig von denen Teutſchen: plus ibi valent boni mores,
quam alibi bonæ leges i. e.
Sie haben vor ſich gut gelebt, daß ſie keine
leges gebraucht. Wenn aber der Princeps inclinationes bey ſeinen Un-
terthanen antrifft, welche koͤnnen turbas machen, alsdenn muß er leges
ferre.
Man kan hieraus leicht abnehmen, daß, wenn man die Roͤmer
in abſtracto anſiehet, und nicht ihren Zuſtand betrachtet, ſie alberne Leu-
te geweſen, daß ſie nach Griechen-Land gegangen, und da leges gehohlet,
welche doch nicht accommodiret waren, ad genium ihres Volcks. Nicht
anders, als wie wir Teutſchen auch wunderlich geweſen, daß wir fremde
leges angenommen. Simler ſagt gar artig in ſeiner Beſchreibung von
der Schweitz, man koͤnnte ſich wundern, warum die Schweitzer nicht
auch das Roͤmiſche Recht angenommen; allein die Schweitzer waren
ſimple Leute, und moͤchte ſich das lus Rom. wohl vor die Roͤmer geſchickt
haben, vor die Schweitzer waͤre es zu ſubtil. Weil die Teutſchen alle
aus einer race, ex una tribu, ſo kommt es eben daher, daß ſie alle einer-

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[105/0125] De vera cujuslibet ſtatus felicitate. pulus iſt wolluͤſtig, wie die Juͤden beſchaffen geweſen, ſie inclinirten ad otium, ad voluptatem; daher wird man auch finden, daß die Juͤdiſchen Geſetze ſonderlich dahin gehen, ſie ad laborem anzuhalten, damit ſie kein otium haben moͤchten: Denn das iſt ein rechter Legislator, ſo die irri- tamenta aus dem Wege raͤumet. Es ſind e. g. Huren-Haͤuſer, Spiel- Haͤuſer, Coffée-Haͤuſer, wenn ich da tauſend Leges gaͤbe, daß die Leute nicht ſolten hinein gehen, ſo iſt es eine Thorheit, und hilfft nichts. Denn wenn man vor ſo einem Hauſe vorbey gehet, wird man allicirt. Die Leges ſind mehr als zu ſcharff, welche man giebet, in tanta luxuria, aber die irritamenta ſind nicht præſcindiret, und ſiehet man, daß es eine ſchlech- te Legislation. Man findet auch in Juͤdiſchen Geſetzen, es ſolle keine Hure ſeyn, unter den Kindern Iſrael; aber man ſiehet auch, was vor Anſtalten deßwegen gemacht worden. Und alſo wenn ich ſehe, daß ein Volck wolluͤſtig, ſo muß ich die occaſiones præſcindiren, ſonſt helffen die Leges nichts. Diejenige Republic aber iſt albern, welche die Leges von andern herhohlet: Denn die leges ſchicken ſich nicht ad genium hujus populi, weil ein jeder populus andere inclinationes und andere vitia hat. Manche vitia ſind nicht unter dem Volcke, da thut man abſurd, wenn man leges deßwegen giebet: Denn da giebt man nur denen Leuten Ge- legenheit, daran zu gedencken; Daher iſts gut, daß von manchen vitiis gar nichts in legibus ſtehet. Cicero ſaget, man koͤnnte ſich wundern, daß der Lex Pompeia erſt gegeben worden, da die Republic ſchon lan- ge Zeit vorher geſtanden; Allein er ſaget: Vorher habe keiner ein ſol- ches Scelus begangen; Daher habe man den legem nicht noͤthig gehabt. Tacitus ſagt gar artig von denen Teutſchen: plus ibi valent boni mores, quam alibi bonæ leges i. e. Sie haben vor ſich gut gelebt, daß ſie keine leges gebraucht. Wenn aber der Princeps inclinationes bey ſeinen Un- terthanen antrifft, welche koͤnnen turbas machen, alsdenn muß er leges ferre. Man kan hieraus leicht abnehmen, daß, wenn man die Roͤmer in abſtracto anſiehet, und nicht ihren Zuſtand betrachtet, ſie alberne Leu- te geweſen, daß ſie nach Griechen-Land gegangen, und da leges gehohlet, welche doch nicht accommodiret waren, ad genium ihres Volcks. Nicht anders, als wie wir Teutſchen auch wunderlich geweſen, daß wir fremde leges angenommen. Simler ſagt gar artig in ſeiner Beſchreibung von der Schweitz, man koͤnnte ſich wundern, warum die Schweitzer nicht auch das Roͤmiſche Recht angenommen; allein die Schweitzer waren ſimple Leute, und moͤchte ſich das lus Rom. wohl vor die Roͤmer geſchickt haben, vor die Schweitzer waͤre es zu ſubtil. Weil die Teutſchen alle aus einer race, ex una tribu, ſo kommt es eben daher, daß ſie alle einer- ley O

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/125>, abgerufen am 26.11.2024.