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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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De Mediis statum conservandi.
lohr er seine General-Lieutenants-Stelle, und muste in die Bastille gehen,
er kam zwar aus der Bastille heraus, wurde aber an einem Ort nach
Bearn gebracht, und durffte nicht wieder nach Pariß kommen, welches
ihm sehr chagrinirte. Sein Buch des adversites, welches er an seine
Kinder geschrieben, ist wohl zu lesen, und findet man es bey seinen übri-
gen operibus. Wenn auch gleich grosse Herren erlauben, daß man sie
kan railliren, so verdrießt es sie doch heimlich, das hat eben des Patkuls
seinen Fall verursachet. Eine Satyre muß man nicht anders gebrauchen,
als ein remedium contra stultissimos, qui nocere possunt, und doch in der
praesumtion stehen, als wenn sie dem Staat grossen Nutzen schafften, da
muß man solche ridicul machen, ut omnes cum odio prosequantur. In
dem Leben des Boileau, welches ein Prediger in Engeland ediret, findet
man eine artige passage hievon. Dieser sagt: Obgleich der Boileau ein
grosser Satyricus gewesen, so habe er doch keinen angefallen, sondern er
habe nur die Satyre gebraucht, als ein remedium, und habe die stultissi-
mos, qui nocere possunt, ridicul
gemacht. Also findet man, daß eins-
mahls die Jesuiten durch den Beicht-Vater, dem Pater Tellier, und die
Madame Maintenon es bey König Louis XIV. so weit gebracht, daß er
einen arrest darauf geleget, und verbothen, im gantzen Reich keine andere
Philosophie zu dociren, als die Aristotelische, weil die Cartesianischen und
Gassendischen principia im Reich grossen Schaden thäten. Der Boileau
machte dieserwegen eine Satyre, und zeigte darinnen, was vor incommo-
dit
äten daraus entstehen würden, wenn man nur die Aristotelische Phi-
losophie doci
ren wollte. Er communicirte solche etlichen guten Freun-
den, welche machten, daß sie der König in die Hände bekam, dem sie
so wohl gefiel, daß er den arrest aufgehoben. Die Jesuiten meldeten
sich gleich bey dem Könige, und bathen den König, daß er wenigstens
befehlen möchte, man sollte die Satyre supprimiren, weil sie so starck dar-
innen durchgezogen wären. Der König ließ den Boileau in sein Cabinet
kommen, pardonnirte ihn, aber er muste versprechen, daß er sie in keines
Menschen Hände wollte weiter kommen lassen, daher ist auch die Satyre
lange nicht bekannt gewesen, als nur en general. Wie nun aber der
der Boileau todt, und man des Boileau opera in Holland auflegen lassen,
so hat man auch die Satyre denen Jesuiten zur ewigen Schand mit bey-
drucken lassen. Es zeiget der Schertz gar keinen contemtum erga Deum
an, denn Deo quoque sua consecratur hora. Man muß aber nicht im-
mer bethen, und wenn man solche Leute betrachtet, die immer bethen,
so wird man sehen, daß viele Tavtologien heraus kommen. Man kan
einem durch Schertz solche Dinge zu verstehen geben, welche ihm nicht

wohl
R 2

De Mediis ſtatum conſervandi.
lohr er ſeine General-Lieutenants-Stelle, und muſte in die Baſtille gehen,
er kam zwar aus der Baſtille heraus, wurde aber an einem Ort nach
Bearn gebracht, und durffte nicht wieder nach Pariß kommen, welches
ihm ſehr chagrinirte. Sein Buch des adverſités, welches er an ſeine
Kinder geſchrieben, iſt wohl zu leſen, und findet man es bey ſeinen uͤbri-
gen operibus. Wenn auch gleich groſſe Herren erlauben, daß man ſie
kan railliren, ſo verdrießt es ſie doch heimlich, das hat eben des Patkuls
ſeinen Fall verurſachet. Eine Satyre muß man nicht anders gebrauchen,
als ein remedium contra ſtultiſſimos, qui nocere poſſunt, und doch in der
præſumtion ſtehen, als wenn ſie dem Staat groſſen Nutzen ſchafften, da
muß man ſolche ridicul machen, ut omnes cum odio proſequantur. In
dem Leben des Boileau, welches ein Prediger in Engeland ediret, findet
man eine artige paſſage hievon. Dieſer ſagt: Obgleich der Boileau ein
groſſer Satyricus geweſen, ſo habe er doch keinen angefallen, ſondern er
habe nur die Satyre gebraucht, als ein remedium, und habe die ſtultiſſi-
mos, qui nocere poſſunt, ridicul
gemacht. Alſo findet man, daß eins-
mahls die Jeſuiten durch den Beicht-Vater, dem Pater Tellier, und die
Madame Maintenon es bey Koͤnig Louis XIV. ſo weit gebracht, daß er
einen arreſt darauf geleget, und verbothen, im gantzen Reich keine andere
Philoſophie zu dociren, als die Ariſtoteliſche, weil die Carteſianiſchen und
Gaſſendiſchen principia im Reich groſſen Schaden thaͤten. Der Boileau
machte dieſerwegen eine Satyre, und zeigte darinnen, was vor incommo-
dit
aͤten daraus entſtehen wuͤrden, wenn man nur die Ariſtoteliſche Phi-
loſophie doci
ren wollte. Er communicirte ſolche etlichen guten Freun-
den, welche machten, daß ſie der Koͤnig in die Haͤnde bekam, dem ſie
ſo wohl gefiel, daß er den arreſt aufgehoben. Die Jeſuiten meldeten
ſich gleich bey dem Koͤnige, und bathen den Koͤnig, daß er wenigſtens
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innen durchgezogen waͤren. Der Koͤnig ließ den Boileau in ſein Cabinet
kommen, pardonnirte ihn, aber er muſte verſprechen, daß er ſie in keines
Menſchen Haͤnde wollte weiter kommen laſſen, daher iſt auch die Satyre
lange nicht bekannt geweſen, als nur en general. Wie nun aber der
der Boileau todt, und man des Boileau opera in Holland auflegen laſſen,
ſo hat man auch die Satyre denen Jeſuiten zur ewigen Schand mit bey-
drucken laſſen. Es zeiget der Schertz gar keinen contemtum erga Deum
an, denn Deo quoque ſua conſecratur hora. Man muß aber nicht im-
mer bethen, und wenn man ſolche Leute betrachtet, die immer bethen,
ſo wird man ſehen, daß viele Tavtologien heraus kommen. Man kan
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[131/0151] De Mediis ſtatum conſervandi. lohr er ſeine General-Lieutenants-Stelle, und muſte in die Baſtille gehen, er kam zwar aus der Baſtille heraus, wurde aber an einem Ort nach Bearn gebracht, und durffte nicht wieder nach Pariß kommen, welches ihm ſehr chagrinirte. Sein Buch des adverſités, welches er an ſeine Kinder geſchrieben, iſt wohl zu leſen, und findet man es bey ſeinen uͤbri- gen operibus. Wenn auch gleich groſſe Herren erlauben, daß man ſie kan railliren, ſo verdrießt es ſie doch heimlich, das hat eben des Patkuls ſeinen Fall verurſachet. Eine Satyre muß man nicht anders gebrauchen, als ein remedium contra ſtultiſſimos, qui nocere poſſunt, und doch in der præſumtion ſtehen, als wenn ſie dem Staat groſſen Nutzen ſchafften, da muß man ſolche ridicul machen, ut omnes cum odio proſequantur. In dem Leben des Boileau, welches ein Prediger in Engeland ediret, findet man eine artige paſſage hievon. Dieſer ſagt: Obgleich der Boileau ein groſſer Satyricus geweſen, ſo habe er doch keinen angefallen, ſondern er habe nur die Satyre gebraucht, als ein remedium, und habe die ſtultiſſi- mos, qui nocere poſſunt, ridicul gemacht. Alſo findet man, daß eins- mahls die Jeſuiten durch den Beicht-Vater, dem Pater Tellier, und die Madame Maintenon es bey Koͤnig Louis XIV. ſo weit gebracht, daß er einen arreſt darauf geleget, und verbothen, im gantzen Reich keine andere Philoſophie zu dociren, als die Ariſtoteliſche, weil die Carteſianiſchen und Gaſſendiſchen principia im Reich groſſen Schaden thaͤten. Der Boileau machte dieſerwegen eine Satyre, und zeigte darinnen, was vor incommo- ditaͤten daraus entſtehen wuͤrden, wenn man nur die Ariſtoteliſche Phi- loſophie dociren wollte. Er communicirte ſolche etlichen guten Freun- den, welche machten, daß ſie der Koͤnig in die Haͤnde bekam, dem ſie ſo wohl gefiel, daß er den arreſt aufgehoben. Die Jeſuiten meldeten ſich gleich bey dem Koͤnige, und bathen den Koͤnig, daß er wenigſtens befehlen moͤchte, man ſollte die Satyre ſupprimiren, weil ſie ſo ſtarck dar- innen durchgezogen waͤren. Der Koͤnig ließ den Boileau in ſein Cabinet kommen, pardonnirte ihn, aber er muſte verſprechen, daß er ſie in keines Menſchen Haͤnde wollte weiter kommen laſſen, daher iſt auch die Satyre lange nicht bekannt geweſen, als nur en general. Wie nun aber der der Boileau todt, und man des Boileau opera in Holland auflegen laſſen, ſo hat man auch die Satyre denen Jeſuiten zur ewigen Schand mit bey- drucken laſſen. Es zeiget der Schertz gar keinen contemtum erga Deum an, denn Deo quoque ſua conſecratur hora. Man muß aber nicht im- mer bethen, und wenn man ſolche Leute betrachtet, die immer bethen, ſo wird man ſehen, daß viele Tavtologien heraus kommen. Man kan einem durch Schertz ſolche Dinge zu verſtehen geben, welche ihm nicht wohl R 2

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/151>, abgerufen am 23.11.2024.