Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. V. vieles acht zu geben, und wer die Historie mit Verstand lieset, der wirdfinden, daß es sein Tage so gewesen. In denen VVittekindo Corbejensi, welcher ein Mönch in dem Closter Corbey gewesen, findet man ein por- trait von Ottone M. und seinem Bruder Henrico. Da sagt VVittekin- dus Corbejensis: Otto M. wäre ein majestätischer und geschwinder Herr gewesen; wenn Geschwindigkeit von nöthen gewesen, so wäre er gelauffen wie ein junger Mensch: Hergegen, wenn er in Pomp und Herrlichkeit sollen erscheinen, so habe er sich können ein Ansehen und gravitaet geben. Aber Henricus wäre nicht so angenehm gewesen, der habe immer aus- gesehen, als wenn er böse wäre. Auf den vultum kömmt viel an, wer sein Gesicht in Runtzeln ziehet, wie der Elephant seine Haut, wenn er damit will Fliegen fangen, der hat keine Liebe bey andern Leuten. Man kan vieles an sich bessern, und sich alle die Dinge abgewöhnen. Man- cher machet ein wunderliches Maul, da ist er glücklich, wenn es ihm je- mand saget, daß er es ändert. Mancher, wenn er gehet, schlenckert mit der Hand, wie der Säemann im Evangelio, das giebet gleich ein übeles Ansehen, daß man sich einen schlechten concept von ihm macht. Man kan nicht sine gestu seyn, aber man muß auch nicht extravagiren. Manche Leute drehen einem wohl gar einen Knopf vom Kleide, wenn man mit ihnen speiset, oder klopffen einem auf die Achseln, welche übele Gewohnheiten sich einer alle abgewöhnen muß. stand in Klei- dern. §. 14. 15. 16. Ohne Kleidung kan man nicht alleine nicht seyn, son- auf
Cap. V. vieles acht zu geben, und wer die Hiſtorie mit Verſtand lieſet, der wirdfinden, daß es ſein Tage ſo geweſen. In denen VVittekindo Corbejenſi, welcher ein Moͤnch in dem Cloſter Corbey geweſen, findet man ein por- trait von Ottone M. und ſeinem Bruder Henrico. Da ſagt VVittekin- dus Corbejenſis: Otto M. waͤre ein majeſtaͤtiſcher und geſchwinder Herr geweſen; wenn Geſchwindigkeit von noͤthen geweſen, ſo waͤre er gelauffen wie ein junger Menſch: Hergegen, wenn er in Pomp und Herrlichkeit ſollen erſcheinen, ſo habe er ſich koͤnnen ein Anſehen und gravitæt geben. Aber Henricus waͤre nicht ſo angenehm geweſen, der habe immer aus- geſehen, als wenn er boͤſe waͤre. Auf den vultum koͤmmt viel an, wer ſein Geſicht in Runtzeln ziehet, wie der Elephant ſeine Haut, wenn er damit will Fliegen fangen, der hat keine Liebe bey andern Leuten. Man kan vieles an ſich beſſern, und ſich alle die Dinge abgewoͤhnen. Man- cher machet ein wunderliches Maul, da iſt er gluͤcklich, wenn es ihm je- mand ſaget, daß er es aͤndert. Mancher, wenn er gehet, ſchlenckert mit der Hand, wie der Saͤemann im Evangelio, das giebet gleich ein uͤbeles Anſehen, daß man ſich einen ſchlechten concept von ihm macht. Man kan nicht ſine geſtu ſeyn, aber man muß auch nicht extravagiren. Manche Leute drehen einem wohl gar einen Knopf vom Kleide, wenn man mit ihnen ſpeiſet, oder klopffen einem auf die Achſeln, welche uͤbele Gewohnheiten ſich einer alle abgewoͤhnen muß. ſtand in Klei- dern. §. 14. 15. 16. Ohne Kleidung kan man nicht alleine nicht ſeyn, ſon- auf
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Cap. V.
vieles acht zu geben, und wer die Hiſtorie mit Verſtand lieſet, der wird
finden, daß es ſein Tage ſo geweſen. In denen VVittekindo Corbejenſi,
welcher ein Moͤnch in dem Cloſter Corbey geweſen, findet man ein por-
trait von Ottone M. und ſeinem Bruder Henrico. Da ſagt VVittekin-
dus Corbejenſis: Otto M. waͤre ein majeſtaͤtiſcher und geſchwinder Herr
geweſen; wenn Geſchwindigkeit von noͤthen geweſen, ſo waͤre er gelauffen
wie ein junger Menſch: Hergegen, wenn er in Pomp und Herrlichkeit
ſollen erſcheinen, ſo habe er ſich koͤnnen ein Anſehen und gravitæt geben.
Aber Henricus waͤre nicht ſo angenehm geweſen, der habe immer aus-
geſehen, als wenn er boͤſe waͤre. Auf den vultum koͤmmt viel an, wer
ſein Geſicht in Runtzeln ziehet, wie der Elephant ſeine Haut, wenn er
damit will Fliegen fangen, der hat keine Liebe bey andern Leuten. Man
kan vieles an ſich beſſern, und ſich alle die Dinge abgewoͤhnen. Man-
cher machet ein wunderliches Maul, da iſt er gluͤcklich, wenn es ihm je-
mand ſaget, daß er es aͤndert. Mancher, wenn er gehet, ſchlenckert
mit der Hand, wie der Saͤemann im Evangelio, das giebet gleich ein
uͤbeles Anſehen, daß man ſich einen ſchlechten concept von ihm macht.
Man kan nicht ſine geſtu ſeyn, aber man muß auch nicht extravagiren.
Manche Leute drehen einem wohl gar einen Knopf vom Kleide, wenn
man mit ihnen ſpeiſet, oder klopffen einem auf die Achſeln, welche uͤbele
Gewohnheiten ſich einer alle abgewoͤhnen muß.
§. 14. 15. 16. Ohne Kleidung kan man nicht alleine nicht ſeyn, ſon-
dern auch nicht ohne Kleidung, die ein wenig kuͤnſtlich iſt. Einige ſagen,
man koͤnnte ſich mit Schaaf- und Ziegen-Fell kleiden, wie Iſaacs Frau
den Jacob gekleidet. Allein man findet auch ſchon bey denen Juͤden,
daß, da dieſelben kuͤnſtlicher worden, ſo haben ſie allerhand Zeuge verfer-
tiget, und ſich Kleider daraus gemacht, vid. Ioh. Braunius in Tractat de
veſtitu Ebræorum. Dieſes iſt alſo deßwegen zu mercken, weil wir biß-
weilen mit Leuten zu thun haben, welche nach der erſten façon leben wol-
len; aber es iſt nicht noͤthig, warum ſollten wir nicht andere Kleider tra-
gen, dadurch wir es uns commoder machen koͤnnen? Man ſiehet frey-
lich, daß das einen Stoltz und luxum anzeiget, wenn einer eine neue mo-
de anfaͤngt, aber das kan ein jeder thun, daß, wenn alle ſich darnach
richten, er auch ſolche mode annehme, und wuͤrde er abſurd handeln,
wenn er ſolches nicht thaͤte. Die Apoſtel ſind hergegangen wie die Ju-
den, und hat Braunius gewieſen, daß tunica Chriſti eben ſo beſchaffen
geweſen. Die Propheten haben beſondere Kleidung getragen, welches
aber ſeine beſondere Urſachen gehabt: denn wenn einer was paradoxes
an hat, ſo ſehen die Leute auf ihn; ſie wollten aber haben, daß die Leute
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