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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V.
von beyden Seiten Leute in Himmel kommen. Man weiß manch-
mahl nicht, wo eine mode herkommt. Die Schneider und Kaufleute
sind offt daran Ursache: denn wenn die mode geändert wird, so lassen
sich die Leute neue Kleider machen, dadurch verdienen sie Geld. Es
kommt dabey auf die phantasie der Leute an, e. g. In Preußischen trägt
man kleine Aufschläge, welche aber denen Sachsen nicht gefallen, die
grosse tragen. Wer in dieser materie gut reussiren will, und viele con-
clusiones
sehen, der muß des Bellegard opuscula lesen, worinnen schöne
Sachen enthalten, vor Frauenziminer sind die opera der Mad. Scudery
zu recommendiren, welche sehr elcquent geschrieben sind. Sie hat bey
der Academie Francoise etliche mahl den höchsten Preiß davon getragen.
Der König konnte sie wohl leyden, und ist sie auch bey vielen vornehmen
Leuten gelitten gewesen. Wenn man alles will zusammen kauffen, was
sie geschrieben, so kan man ein klein Fach damit anfüllen. Sie ist über
90. Jahr alt worden, und vor kurtzem gestorben. Der Mons. Courtin,
welcher den Curtium übersetzet, den der König in Franckreich als Am-
bassadeur
an den König Carl Gustav geschickt, hat einen Traite la Civi-
lite Francoise
geschrieben, welcher deßwegen zu recommendiren, weil er
die raisons zeiget, warum die Franzosen dieses oder jenes haben. Sonst
hat man von ihm auch einen Traite du veritable point d'honneur. En general
kan man auch brauchen den de la Cafa, und den Guazzium, de civili
conversatione,
welches beydes Italiäner sind, und Italiänisch geschrie-
ben, man hat sie aber ins Lateinische übersetzet: die meisten aber von de-
nen Frantzosen sind hierinnen am wenigsten zu aestimiren. Das decorum
kömmt also ex charitate, ich habe da abundantiam charitatis, indem ich
da nichts böses thun darff, sondern ich muß indifferentia imitiren; da-
mit ich andere Menschen nicht von mir removire, so accommodire ich
mich; omne taediosum & sordidum abstergo. Man wird auch sehen,
daß die civilite, welche man so sehr urgiret, eine raison hat, und alles das
andere, was ihr contrair ist, taediosum ist; Einer, der lachet, daß man
es über drey Häuser hören kan, ist allen Leuten incommode. Es exeri-
ret sich das decorum par tout in allen Ständen, bey Kaufleuten, Hand-
wercks-Leuten etc. jede haben ihr besonderes decorum.

Von denen
Hindernissen
der Glückse-
ligkeit.

§. 17. 18. 19. Wenn ich gleich sage, derjenige, welcher glück-
lich werden will, muß wissen, quid sit felicitas, er muß de fine scopo in-
strui
ret seyn, media haben, welche sind virtus, justum & decens; so giebt
es doch noch viele obstacula, wenn ich will honestus, justus seyn. Man-
cher wollte gerne sein fortune machen, wenn nur eine Gelegenheit da wä-
re, da finden sich aber offt grosse obstacula. Die obstacula kommen

offt

Cap. V.
von beyden Seiten Leute in Himmel kommen. Man weiß manch-
mahl nicht, wo eine mode herkommt. Die Schneider und Kaufleute
ſind offt daran Urſache: denn wenn die mode geaͤndert wird, ſo laſſen
ſich die Leute neue Kleider machen, dadurch verdienen ſie Geld. Es
kommt dabey auf die phantaſie der Leute an, e. g. In Preußiſchen traͤgt
man kleine Aufſchlaͤge, welche aber denen Sachſen nicht gefallen, die
groſſe tragen. Wer in dieſer materie gut reuſſiren will, und viele con-
cluſiones
ſehen, der muß des Bellegard opuſcula leſen, worinnen ſchoͤne
Sachen enthalten, vor Frauenziminer ſind die opera der Mad. Scudery
zu recommendiren, welche ſehr elcquent geſchrieben ſind. Sie hat bey
der Academie Françoiſe etliche mahl den hoͤchſten Preiß davon getragen.
Der Koͤnig konnte ſie wohl leyden, und iſt ſie auch bey vielen vornehmen
Leuten gelitten geweſen. Wenn man alles will zuſammen kauffen, was
ſie geſchrieben, ſo kan man ein klein Fach damit anfuͤllen. Sie iſt uͤber
90. Jahr alt worden, und vor kurtzem geſtorben. Der Monſ. Courtin,
welcher den Curtium uͤberſetzet, den der Koͤnig in Franckreich als Am-
baſſadeur
an den Koͤnig Carl Guſtav geſchickt, hat einen Traité la Civi-
lité Françoiſe
geſchrieben, welcher deßwegen zu recommendiren, weil er
die raiſons zeiget, warum die Franzoſen dieſes oder jenes haben. Sonſt
hat man von ihm auch einen Traité du veritable point d’honneur. En general
kan man auch brauchen den de la Cafa, und den Guazzium, de civili
converſatione,
welches beydes Italiaͤner ſind, und Italiaͤniſch geſchrie-
ben, man hat ſie aber ins Lateiniſche uͤberſetzet: die meiſten aber von de-
nen Frantzoſen ſind hierinnen am wenigſten zu æſtimiren. Das decorum
koͤmmt alſo ex charitate, ich habe da abundantiam charitatis, indem ich
da nichts boͤſes thun darff, ſondern ich muß indifferentia imitiren; da-
mit ich andere Menſchen nicht von mir removire, ſo accommodire ich
mich; omne tædioſum & ſordidum abſtergo. Man wird auch ſehen,
daß die civilité, welche man ſo ſehr urgiret, eine raiſon hat, und alles das
andere, was ihr contrair iſt, tædioſum iſt; Einer, der lachet, daß man
es uͤber drey Haͤuſer hoͤren kan, iſt allen Leuten incommode. Es exeri-
ret ſich das decorum par tout in allen Staͤnden, bey Kaufleuten, Hand-
wercks-Leuten ꝛc. jede haben ihr beſonderes decorum.

Von denen
Hinderniſſen
der Gluͤckſe-
ligkeit.

§. 17. 18. 19. Wenn ich gleich ſage, derjenige, welcher gluͤck-
lich werden will, muß wiſſen, quid ſit felicitas, er muß de fine ſcopo in-
ſtrui
ret ſeyn, media haben, welche ſind virtus, juſtum & decens; ſo giebt
es doch noch viele obſtacula, wenn ich will honeſtus, juſtus ſeyn. Man-
cher wollte gerne ſein fortune machen, wenn nur eine Gelegenheit da waͤ-
re, da finden ſich aber offt groſſe obſtacula. Die obſtacula kommen

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[138/0158] Cap. V. von beyden Seiten Leute in Himmel kommen. Man weiß manch- mahl nicht, wo eine mode herkommt. Die Schneider und Kaufleute ſind offt daran Urſache: denn wenn die mode geaͤndert wird, ſo laſſen ſich die Leute neue Kleider machen, dadurch verdienen ſie Geld. Es kommt dabey auf die phantaſie der Leute an, e. g. In Preußiſchen traͤgt man kleine Aufſchlaͤge, welche aber denen Sachſen nicht gefallen, die groſſe tragen. Wer in dieſer materie gut reuſſiren will, und viele con- cluſiones ſehen, der muß des Bellegard opuſcula leſen, worinnen ſchoͤne Sachen enthalten, vor Frauenziminer ſind die opera der Mad. Scudery zu recommendiren, welche ſehr elcquent geſchrieben ſind. Sie hat bey der Academie Françoiſe etliche mahl den hoͤchſten Preiß davon getragen. Der Koͤnig konnte ſie wohl leyden, und iſt ſie auch bey vielen vornehmen Leuten gelitten geweſen. Wenn man alles will zuſammen kauffen, was ſie geſchrieben, ſo kan man ein klein Fach damit anfuͤllen. Sie iſt uͤber 90. Jahr alt worden, und vor kurtzem geſtorben. Der Monſ. Courtin, welcher den Curtium uͤberſetzet, den der Koͤnig in Franckreich als Am- baſſadeur an den Koͤnig Carl Guſtav geſchickt, hat einen Traité la Civi- lité Françoiſe geſchrieben, welcher deßwegen zu recommendiren, weil er die raiſons zeiget, warum die Franzoſen dieſes oder jenes haben. Sonſt hat man von ihm auch einen Traité du veritable point d’honneur. En general kan man auch brauchen den de la Cafa, und den Guazzium, de civili converſatione, welches beydes Italiaͤner ſind, und Italiaͤniſch geſchrie- ben, man hat ſie aber ins Lateiniſche uͤberſetzet: die meiſten aber von de- nen Frantzoſen ſind hierinnen am wenigſten zu æſtimiren. Das decorum koͤmmt alſo ex charitate, ich habe da abundantiam charitatis, indem ich da nichts boͤſes thun darff, ſondern ich muß indifferentia imitiren; da- mit ich andere Menſchen nicht von mir removire, ſo accommodire ich mich; omne tædioſum & ſordidum abſtergo. Man wird auch ſehen, daß die civilité, welche man ſo ſehr urgiret, eine raiſon hat, und alles das andere, was ihr contrair iſt, tædioſum iſt; Einer, der lachet, daß man es uͤber drey Haͤuſer hoͤren kan, iſt allen Leuten incommode. Es exeri- ret ſich das decorum par tout in allen Staͤnden, bey Kaufleuten, Hand- wercks-Leuten ꝛc. jede haben ihr beſonderes decorum. §. 17. 18. 19. Wenn ich gleich ſage, derjenige, welcher gluͤck- lich werden will, muß wiſſen, quid ſit felicitas, er muß de fine ſcopo in- ſtruiret ſeyn, media haben, welche ſind virtus, juſtum & decens; ſo giebt es doch noch viele obſtacula, wenn ich will honeſtus, juſtus ſeyn. Man- cher wollte gerne ſein fortune machen, wenn nur eine Gelegenheit da waͤ- re, da finden ſich aber offt groſſe obſtacula. Die obſtacula kommen offt

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/158>, abgerufen am 23.11.2024.