Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. V. welche letztern stercoream animam haben, so würde es miserable ausse-hen. Wir consideriren hier solche, welche sich bemühen, etwas zu wer- den, zum Nutzen der Republic, und des menschlichen Geschlechts. Hie- von kan man vieles finden bey dem Callieres de la Fortune, (er ist ein Officier in Franckreich gewesen, schreibt aber vortrefflich;) Er sagt: Es sey nicht gut, wenn ein Krüpel wolle avanciren a la Cour, sondern es sey ihm vielmehr zu rathen, daß er zu Hause bleibe, und auf Gemüths-Ru- he dencke. Es muß einer fortunam statui suo convenientem suchen. Wer höhere Gedancken hat, der ist sioltz und närrisch; sollte es ja par hazard kommen, daß ein solcher hoch hinauf käme, so wird er auch wie- der hoch fallen. Es kan einer eine Ehr-Begierde haben, und doch ein honette homme seyn. Die Ehr-Begierde bestehet darinnen, daß er der Republic und seinen Nächsten dienen will. Also findet man difficul- täten in ipsis rebus, und sagt Gracian in seinen l'Homme de Cour gar wohl: messurez ses forces. Cicero hat schon gesagt, wer eclatiren wolle, müsse aliquid excellens haben; das excellens aber zu erhalten, ist blut- schwer. Es promoviret kein Mensch den andern, er sagt, es sey aliquid excellens an ihm, und wenn gleich nichts da ist, so sagen sie es doch. Bisweilen wird einer vor excellent gehalten, und ist es doch nicht; es ist kein anderer da, und machet er also seine fortune, weil keine bessern sind. Drum sagt man auch: Er war ein homo sui temporis, welcher, wenn er zu einer andern Zeit gewesen wäre, nicht würde so aestimiret worden seyn. In dem Leben des Boileau findet man, daß vor ihm ein Poet Lingiere in Franckreich sehr berühmt gewesen, welchen alle heraus gestrichen; aber es war ein seculum corruptum, ein gustus corruptus, es zog einer den andern ins praejudicium, daraus sie sich nicht konnten wickeln; wie aber der Boileau kam, so fiel er herunter. Vordem in se- culo Barbaro hat man bey uns die Knittel-Verse alle aestimirt, woraus man heut zu Tage nichts machet. Es ist nicht anders, als wenn ich einem einen Diamanten zeige, der nicht starck brilliret, nachgehends ge- be ich ihm einen, welcher starck gläntzet, so wird er bald den andern zurück geben. Indessen ist doch schwer, sonderlich in unsern Seculo, welches ein wenig eclairsirter ist, sich eine excellentiam zu Wege zu brin- gen. Denn es erfordert ein naturell, und einen unermüdeten Fleiß. Cicero saget, ein perfecter Orator, ein perfecter Princeps, ein perfecter artifex ist nicht in der Welt gewesen; aber man siehet doch, daß, wenn einer will vorgezogen werden, so muß er aliquid excellens haben, und der es nicht hat, ille frustra adspirat. Wenn ich will ein Secretaire werden, und kan nicht recht schreiben, so werde ich meine fortune nicht machen.
Cap. V. welche letztern ſtercoream animam haben, ſo wuͤrde es miſerable ausſe-hen. Wir conſideriren hier ſolche, welche ſich bemuͤhen, etwas zu wer- den, zum Nutzen der Republic, und des menſchlichen Geſchlechts. Hie- von kan man vieles finden bey dem Callieres de la Fortune, (er iſt ein Officier in Franckreich geweſen, ſchreibt aber vortrefflich;) Er ſagt: Es ſey nicht gut, wenn ein Kruͤpel wolle avanciren a la Cour, ſondern es ſey ihm vielmehr zu rathen, daß er zu Hauſe bleibe, und auf Gemuͤths-Ru- he dencke. Es muß einer fortunam ſtatui ſuo convenientem ſuchen. Wer hoͤhere Gedancken hat, der iſt ſioltz und naͤrriſch; ſollte es ja par hazard kommen, daß ein ſolcher hoch hinauf kaͤme, ſo wird er auch wie- der hoch fallen. Es kan einer eine Ehr-Begierde haben, und doch ein honette homme ſeyn. Die Ehr-Begierde beſtehet darinnen, daß er der Republic und ſeinen Naͤchſten dienen will. Alſo findet man difficul- taͤten in ipſis rebus, und ſagt Gracian in ſeinen l’Homme de Cour gar wohl: meſſurez ſes forces. Cicero hat ſchon geſagt, wer eclatiren wolle, muͤſſe aliquid excellens haben; das excellens aber zu erhalten, iſt blut- ſchwer. Es promoviret kein Menſch den andern, er ſagt, es ſey aliquid excellens an ihm, und wenn gleich nichts da iſt, ſo ſagen ſie es doch. Bisweilen wird einer vor excellent gehalten, und iſt es doch nicht; es iſt kein anderer da, und machet er alſo ſeine fortune, weil keine beſſern ſind. Drum ſagt man auch: Er war ein homo ſui temporis, welcher, wenn er zu einer andern Zeit geweſen waͤre, nicht wuͤrde ſo æſtimiret worden ſeyn. In dem Leben des Boileau findet man, daß vor ihm ein Poët Lingiere in Franckreich ſehr beruͤhmt geweſen, welchen alle heraus geſtrichen; aber es war ein ſeculum corruptum, ein guſtus corruptus, es zog einer den andern ins præjudicium, daraus ſie ſich nicht konnten wickeln; wie aber der Boileau kam, ſo fiel er herunter. Vordem in ſe- culo Barbaro hat man bey uns die Knittel-Verſe alle æſtimirt, woraus man heut zu Tage nichts machet. Es iſt nicht anders, als wenn ich einem einen Diamanten zeige, der nicht ſtarck brilliret, nachgehends ge- be ich ihm einen, welcher ſtarck glaͤntzet, ſo wird er bald den andern zuruͤck geben. Indeſſen iſt doch ſchwer, ſonderlich in unſern Seculo, welches ein wenig eclairſirter iſt, ſich eine excellentiam zu Wege zu brin- gen. Denn es erfordert ein naturell, und einen unermuͤdeten Fleiß. Cicero ſaget, ein perfecter Orator, ein perfecter Princeps, ein perfecter artifex iſt nicht in der Welt geweſen; aber man ſiehet doch, daß, wenn einer will vorgezogen werden, ſo muß er aliquid excellens haben, und der es nicht hat, ille fruſtra adſpirat. Wenn ich will ein Secretaire werden, und kan nicht recht ſchreiben, ſo werde ich meine fortune nicht machen.
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den, zum Nutzen der Republic, und des menſchlichen Geſchlechts. Hie-
von kan man vieles finden bey dem Callieres de la Fortune, (er iſt ein
Officier in Franckreich geweſen, ſchreibt aber vortrefflich;) Er ſagt: Es
ſey nicht gut, wenn ein Kruͤpel wolle avanciren a la Cour, ſondern es ſey
ihm vielmehr zu rathen, daß er zu Hauſe bleibe, und auf Gemuͤths-Ru-
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Wer hoͤhere Gedancken hat, der iſt ſioltz und naͤrriſch; ſollte es ja par
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honette homme ſeyn. Die Ehr-Begierde beſtehet darinnen, daß er
der Republic und ſeinen Naͤchſten dienen will. Alſo findet man difficul-
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muͤſſe aliquid excellens haben; das excellens aber zu erhalten, iſt blut-
ſchwer. Es promoviret kein Menſch den andern, er ſagt, es ſey aliquid
excellens an ihm, und wenn gleich nichts da iſt, ſo ſagen ſie es doch.
Bisweilen wird einer vor excellent gehalten, und iſt es doch nicht; es
iſt kein anderer da, und machet er alſo ſeine fortune, weil keine beſſern
ſind. Drum ſagt man auch: Er war ein homo ſui temporis, welcher,
wenn er zu einer andern Zeit geweſen waͤre, nicht wuͤrde ſo æſtimiret
worden ſeyn. In dem Leben des Boileau findet man, daß vor ihm ein
Poët Lingiere in Franckreich ſehr beruͤhmt geweſen, welchen alle heraus
geſtrichen; aber es war ein ſeculum corruptum, ein guſtus corruptus,
es zog einer den andern ins præjudicium, daraus ſie ſich nicht konnten
wickeln; wie aber der Boileau kam, ſo fiel er herunter. Vordem in ſe-
culo Barbaro hat man bey uns die Knittel-Verſe alle æſtimirt, woraus
man heut zu Tage nichts machet. Es iſt nicht anders, als wenn ich
einem einen Diamanten zeige, der nicht ſtarck brilliret, nachgehends ge-
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zuruͤck geben. Indeſſen iſt doch ſchwer, ſonderlich in unſern Seculo,
welches ein wenig eclairſirter iſt, ſich eine excellentiam zu Wege zu brin-
gen. Denn es erfordert ein naturell, und einen unermuͤdeten Fleiß.
Cicero ſaget, ein perfecter Orator, ein perfecter Princeps, ein perfecter
artifex iſt nicht in der Welt geweſen; aber man ſiehet doch, daß, wenn
einer will vorgezogen werden, ſo muß er aliquid excellens haben, und
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