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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V. De prudentia
than: denn sonst hätte er Dännemarck unter sich gebracht. Meine
Dissertation hat einer refutirt, welcher von einer nation ist, so jetzo wäch-
set, denn die mächtig sind, wollen das principium nicht leiden, indem sie
suchen andere zu supprimiren. Ich habe aber den Herrn Schmauß über
ihn geschickt, welcher ihn wacker refutirt, und gezeiget, wie er sollen den
statum controversiae formiren. Wenn die potentiores lebten nach Ge-
wissen, so wäre mein Satz nichts nutze; aber kan wohl jemand glauben,
daß die Mächtigen dieser Welt werden nach der Wiedergebuhrt und Er-
neuerung leben? Dicis: Du beschuldigest die grossen Herren, daß sie nicht
fromm lebten? Respond. In ihren Cabinet und Capelle mögen sie wohl
sehr fromm und andächtig seyn, davon reden wir aber nicht, sondern wir
sehen, wie ein grosser Herr gegen die Nachbarn lebe, da haben sie keine
Wiedergebuhrt, sondern man siehet lauter interesse und affecten. Bayle
in seinem Diction. Histor. Critic. sub voce Agesiläus saget: Man könne
auch ein Buch schreiben de religione principum, welches eben so gut
abgehen würde, wie der Tractat de religione medici. Er sagt, wenn sie
auch sonst gute Herren, so taugen sie doch nicht in Ansehung der Nach-
barn, und in ihrem Regiment, wenn auch einer so wäre wie Jacobus I.
in Engeland, welcher kein Blut und keinen blossen Degen sehen können,
und deßwegen auch, als er auf den Thron gestiegen, das principium ge-
setzet: Se nunquam bellum gesturum, welches sehr absurd, daher er auch
von allen Leuten angetastet worden. Wäre auch gleich ein Herr jetzo
gut, so kan man doch deßwegen nicht sagen, ob auch sein Sohn so seyn
wird, oder ob die Ministres so werden gesinnet seyn. Louis XIII. war
eine unruhige Seele, der sich mit Lerchenfangen delectirte, hernach be-
kam er den Richelieu, der war ein Soldaten-Geist, welcher nichts als
conqueten wollen machen, und Franckreich in die Höhe bringen wollte.
Alsdenn ist es zu spät, wenn man sich da erst helffen will. Es gehet
also bey grossen Herren alles nach dem interesse, und das interesse ist so
beschaffen, daß sie die Kleinen suchen zu unterdrücken. Lebten sie nach
der Vernunfft, so würde derjenige, so potentissimus, niemanden etwas
thun; aber das sind sie nicht, der potentior ist wie ein Löwe, der die an-
dern alle frißt, er ist wie ein Wallfisch, vor dem sich kein Hering darff
blicken lassen. Die Menschen leben nur nach der Natur. Der König
in Franckreich Louis XIV. hat dem vorigen Hertzog von Savoyen, da er
Friede wollen machen, lassen sagen, er traue ihm nicht recht, was er ihm
vor Versicherung wollte geben, daß er den Frieden wollte halten? dar-
auf hat der Hertzog von Savoyen geantwortet, er wolle es versprechen
als ein simpler gentil-homme, als ein ehrlicher Mann, damit er sehen

sollte,

Cap. V. De prudentia
than: denn ſonſt haͤtte er Daͤnnemarck unter ſich gebracht. Meine
Diſſertation hat einer refutirt, welcher von einer nation iſt, ſo jetzo waͤch-
ſet, denn die maͤchtig ſind, wollen das principium nicht leiden, indem ſie
ſuchen andere zu ſupprimiren. Ich habe aber den Herrn Schmauß uͤber
ihn geſchickt, welcher ihn wacker refutirt, und gezeiget, wie er ſollen den
ſtatum controverſiæ formiren. Wenn die potentiores lebten nach Ge-
wiſſen, ſo waͤre mein Satz nichts nutze; aber kan wohl jemand glauben,
daß die Maͤchtigen dieſer Welt werden nach der Wiedergebuhrt und Er-
neuerung leben? Dicis: Du beſchuldigeſt die groſſen Herren, daß ſie nicht
fromm lebten? Reſpond. In ihren Cabinet und Capelle moͤgen ſie wohl
ſehr fromm und andaͤchtig ſeyn, davon reden wir aber nicht, ſondern wir
ſehen, wie ein groſſer Herr gegen die Nachbarn lebe, da haben ſie keine
Wiedergebuhrt, ſondern man ſiehet lauter intereſſe und affecten. Bayle
in ſeinem Diction. Hiſtor. Critic. ſub voce Ageſiläus ſaget: Man koͤnne
auch ein Buch ſchreiben de religione principum, welches eben ſo gut
abgehen wuͤrde, wie der Tractat de religione medici. Er ſagt, wenn ſie
auch ſonſt gute Herren, ſo taugen ſie doch nicht in Anſehung der Nach-
barn, und in ihrem Regiment, wenn auch einer ſo waͤre wie Jacobus I.
in Engeland, welcher kein Blut und keinen bloſſen Degen ſehen koͤnnen,
und deßwegen auch, als er auf den Thron geſtiegen, das principium ge-
ſetzet: Se nunquam bellum geſturum, welches ſehr abſurd, daher er auch
von allen Leuten angetaſtet worden. Waͤre auch gleich ein Herr jetzo
gut, ſo kan man doch deßwegen nicht ſagen, ob auch ſein Sohn ſo ſeyn
wird, oder ob die Miniſtres ſo werden geſinnet ſeyn. Louis XIII. war
eine unruhige Seele, der ſich mit Lerchenfangen delectirte, hernach be-
kam er den Richelieu, der war ein Soldaten-Geiſt, welcher nichts als
conqueten wollen machen, und Franckreich in die Hoͤhe bringen wollte.
Alsdenn iſt es zu ſpaͤt, wenn man ſich da erſt helffen will. Es gehet
alſo bey groſſen Herren alles nach dem intereſſe, und das intereſſe iſt ſo
beſchaffen, daß ſie die Kleinen ſuchen zu unterdruͤcken. Lebten ſie nach
der Vernunfft, ſo wuͤrde derjenige, ſo potentiſſimus, niemanden etwas
thun; aber das ſind ſie nicht, der potentior iſt wie ein Loͤwe, der die an-
dern alle frißt, er iſt wie ein Wallfiſch, vor dem ſich kein Hering darff
blicken laſſen. Die Menſchen leben nur nach der Natur. Der Koͤnig
in Franckreich Louis XIV. hat dem vorigen Hertzog von Savoyen, da er
Friede wollen machen, laſſen ſagen, er traue ihm nicht recht, was er ihm
vor Verſicherung wollte geben, daß er den Frieden wollte halten? dar-
auf hat der Hertzog von Savoyen geantwortet, er wolle es verſprechen
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[172/0192] Cap. V. De prudentia than: denn ſonſt haͤtte er Daͤnnemarck unter ſich gebracht. Meine Diſſertation hat einer refutirt, welcher von einer nation iſt, ſo jetzo waͤch- ſet, denn die maͤchtig ſind, wollen das principium nicht leiden, indem ſie ſuchen andere zu ſupprimiren. Ich habe aber den Herrn Schmauß uͤber ihn geſchickt, welcher ihn wacker refutirt, und gezeiget, wie er ſollen den ſtatum controverſiæ formiren. Wenn die potentiores lebten nach Ge- wiſſen, ſo waͤre mein Satz nichts nutze; aber kan wohl jemand glauben, daß die Maͤchtigen dieſer Welt werden nach der Wiedergebuhrt und Er- neuerung leben? Dicis: Du beſchuldigeſt die groſſen Herren, daß ſie nicht fromm lebten? Reſpond. In ihren Cabinet und Capelle moͤgen ſie wohl ſehr fromm und andaͤchtig ſeyn, davon reden wir aber nicht, ſondern wir ſehen, wie ein groſſer Herr gegen die Nachbarn lebe, da haben ſie keine Wiedergebuhrt, ſondern man ſiehet lauter intereſſe und affecten. Bayle in ſeinem Diction. Hiſtor. Critic. ſub voce Ageſiläus ſaget: Man koͤnne auch ein Buch ſchreiben de religione principum, welches eben ſo gut abgehen wuͤrde, wie der Tractat de religione medici. Er ſagt, wenn ſie auch ſonſt gute Herren, ſo taugen ſie doch nicht in Anſehung der Nach- barn, und in ihrem Regiment, wenn auch einer ſo waͤre wie Jacobus I. in Engeland, welcher kein Blut und keinen bloſſen Degen ſehen koͤnnen, und deßwegen auch, als er auf den Thron geſtiegen, das principium ge- ſetzet: Se nunquam bellum geſturum, welches ſehr abſurd, daher er auch von allen Leuten angetaſtet worden. Waͤre auch gleich ein Herr jetzo gut, ſo kan man doch deßwegen nicht ſagen, ob auch ſein Sohn ſo ſeyn wird, oder ob die Miniſtres ſo werden geſinnet ſeyn. Louis XIII. war eine unruhige Seele, der ſich mit Lerchenfangen delectirte, hernach be- kam er den Richelieu, der war ein Soldaten-Geiſt, welcher nichts als conqueten wollen machen, und Franckreich in die Hoͤhe bringen wollte. Alsdenn iſt es zu ſpaͤt, wenn man ſich da erſt helffen will. Es gehet alſo bey groſſen Herren alles nach dem intereſſe, und das intereſſe iſt ſo beſchaffen, daß ſie die Kleinen ſuchen zu unterdruͤcken. Lebten ſie nach der Vernunfft, ſo wuͤrde derjenige, ſo potentiſſimus, niemanden etwas thun; aber das ſind ſie nicht, der potentior iſt wie ein Loͤwe, der die an- dern alle frißt, er iſt wie ein Wallfiſch, vor dem ſich kein Hering darff blicken laſſen. Die Menſchen leben nur nach der Natur. Der Koͤnig in Franckreich Louis XIV. hat dem vorigen Hertzog von Savoyen, da er Friede wollen machen, laſſen ſagen, er traue ihm nicht recht, was er ihm vor Verſicherung wollte geben, daß er den Frieden wollte halten? dar- auf hat der Hertzog von Savoyen geantwortet, er wolle es verſprechen als ein ſimpler gentil-homme, als ein ehrlicher Mann, damit er ſehen ſollte,

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/192>, abgerufen am 23.11.2024.