Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

Bild:
<< vorherige Seite

PROLEGOMENA.
Intriquen machen, keinen Verstand haben. Mir hat wohl gefal-
len von dem Mr. des Callieres, de la Fortune des gens de Cour,
(welcher als Gesandter von Franckreich auf dem Frieden zu Ryswick
gewesen) daß er ebenfalls saget: Derjenige habe keinen Verstand,
welcher Intriquen mache. Von seinem Buche kan man einen Ex-
tract
finden in meinen Gundlingianis. Und weil derselbe wohl
schöne Einfälle hat, solche aber, wie alle Franzosen thun, nicht wohl
connectiret, so habe ich nicht allein in dem Extracte die Capita
connecti
ret, sondern auch dasjenige corrigiret, wo ich gemeynet,
daß er die Gräntzen überschritten. Die Intriquen dauren auch nur
eine Zeitlang, und gehet derjenige, so Intriques macht, gar bald
zu Grunde. Sie taugen nichts in der Republic; auch nicht in
vita familiari,
und conversatione hominum.

Daß sie allen
und jeden nö-
thig sey:

Ein anders aber ist prudentiam cavendi haben, i.e. ne
quis me decipiat.
Diese muß ein jeder haben, und gehöret sol-
che mit zur politischen Klugheit. Die Politic ist nun nichts anders
als eine Kunst, wodurch man lernet nicht allein klüglich zu regieren,
sondern auch in andern Stücken glücklich, weislich und ordentlich
zu leben. Denn wir haben unterschiedene Stände. Regieren kön-
nen ist das gröste Stück, weil aller Wohlfahrt darauf beruhet.

Regenten,

Diejenigen Unterthanen sind unglücklich, wenn solche Leute am
Regiments-Ruder sitzen, die nicht wohl regieren können; wenn es sol-
che sind, wie der Phaeton, der die Welt wollte anbrennen lassen.
Regenten lachet man aus, so den Wagen nicht zu regieren wissen.
Diejenigen, so von ferne gestanden, da der König in Schweden,
Carolus XII. regieret, haben alle gesagt: Er sey zwar rex fortis,
aber nicht prudens. Mir hat Buddeus selbst gesagt, der König
in Schweden habe gar nicht nach der Politic regiert. Er konnte
sich nicht conserviren, er war zu juristisch, und meynete, er hätte
Recht, das wollte er par force ausführen. Allein so wenig ein
privat-Mensch gleich obtiniren kan, ob er schon eine gute Sache
vor sich hat, so wenig kan es auch ein Princeps thun. Hätte der
König in Schweden laviren, sich gute Freunde machen, zu rechter
Zeit abgehen können, so würde er viel besser reussiret haben.

Alle

PROLEGOMENA.
Intriquen machen, keinen Verſtand haben. Mir hat wohl gefal-
len von dem Mr. des Callieres, de la Fortune des gens de Cour,
(welcher als Geſandter von Franckreich auf dem Frieden zu Ryswick
geweſen) daß er ebenfalls ſaget: Derjenige habe keinen Verſtand,
welcher Intriquen mache. Von ſeinem Buche kan man einen Ex-
tract
finden in meinen Gundlingianis. Und weil derſelbe wohl
ſchoͤne Einfaͤlle hat, ſolche aber, wie alle Franzoſen thun, nicht wohl
connectiret, ſo habe ich nicht allein in dem Extracte die Capita
connecti
ret, ſondern auch dasjenige corrigiret, wo ich gemeynet,
daß er die Graͤntzen uͤberſchritten. Die Intriquen dauren auch nur
eine Zeitlang, und gehet derjenige, ſo Intriques macht, gar bald
zu Grunde. Sie taugen nichts in der Republic; auch nicht in
vita familiari,
und converſatione hominum.

Daß ſie allen
und jeden noͤ-
thig ſey:

Ein anders aber iſt prudentiam cavendi haben, i.e. ne
quis me decipiat.
Dieſe muß ein jeder haben, und gehoͤret ſol-
che mit zur politiſchen Klugheit. Die Politic iſt nun nichts anders
als eine Kunſt, wodurch man lernet nicht allein kluͤglich zu regieren,
ſondern auch in andern Stuͤcken gluͤcklich, weislich und ordentlich
zu leben. Denn wir haben unterſchiedene Staͤnde. Regieren koͤn-
nen iſt das groͤſte Stuͤck, weil aller Wohlfahrt darauf beruhet.

Regenten,

Diejenigen Unterthanen ſind ungluͤcklich, wenn ſolche Leute am
Regiments-Ruder ſitzen, die nicht wohl regieren koͤnnen; wenn es ſol-
che ſind, wie der Phaëton, der die Welt wollte anbrennen laſſen.
Regenten lachet man aus, ſo den Wagen nicht zu regieren wiſſen.
Diejenigen, ſo von ferne geſtanden, da der Koͤnig in Schweden,
Carolus XII. regieret, haben alle geſagt: Er ſey zwar rex fortis,
aber nicht prudens. Mir hat Buddeus ſelbſt geſagt, der Koͤnig
in Schweden habe gar nicht nach der Politic regiert. Er konnte
ſich nicht conſerviren, er war zu juriſtiſch, und meynete, er haͤtte
Recht, das wollte er par force ausfuͤhren. Allein ſo wenig ein
privat-Menſch gleich obtiniren kan, ob er ſchon eine gute Sache
vor ſich hat, ſo wenig kan es auch ein Princeps thun. Haͤtte der
Koͤnig in Schweden laviren, ſich gute Freunde machen, zu rechter
Zeit abgehen koͤnnen, ſo wuͤrde er viel beſſer reuſſiret haben.

Alle
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0022" n="2"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">PROLEGOMENA.</hi></hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">Intriqu</hi>en machen, keinen Ver&#x017F;tand haben. Mir hat wohl gefal-<lb/>
len von dem <hi rendition="#aq">Mr. des Callieres, de la Fortune des gens de Cour,</hi><lb/>
(welcher als Ge&#x017F;andter von Franckreich auf dem Frieden zu Ryswick<lb/>
gewe&#x017F;en) daß er ebenfalls &#x017F;aget: Derjenige habe keinen Ver&#x017F;tand,<lb/>
welcher <hi rendition="#aq">Intriqu</hi>en mache. Von &#x017F;einem Buche kan man einen <hi rendition="#aq">Ex-<lb/>
tract</hi> finden in meinen <hi rendition="#aq">Gundlingianis.</hi> Und weil der&#x017F;elbe wohl<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;ne Einfa&#x0364;lle hat, &#x017F;olche aber, wie alle Franzo&#x017F;en thun, nicht wohl<lb/><hi rendition="#aq">connecti</hi>ret, &#x017F;o habe ich nicht allein in dem <hi rendition="#aq">Extracte</hi> die <hi rendition="#aq">Capita<lb/>
connecti</hi>ret, &#x017F;ondern auch dasjenige <hi rendition="#aq">corrigi</hi>ret, wo ich gemeynet,<lb/>
daß er die Gra&#x0364;ntzen u&#x0364;ber&#x017F;chritten. Die <hi rendition="#aq">Intriqu</hi>en dauren auch nur<lb/>
eine Zeitlang, und gehet derjenige, &#x017F;o <hi rendition="#aq">Intriques</hi> macht, gar bald<lb/>
zu Grunde. Sie taugen nichts in der <hi rendition="#aq">Republic;</hi> auch nicht <hi rendition="#aq">in<lb/>
vita familiari,</hi> und <hi rendition="#aq">conver&#x017F;atione hominum.</hi></p><lb/>
        <note place="left">Daß &#x017F;ie allen<lb/>
und jeden no&#x0364;-<lb/>
thig &#x017F;ey:</note>
        <p>Ein anders aber i&#x017F;t <hi rendition="#aq">prudentiam cavendi</hi> haben, <hi rendition="#aq">i.e. ne<lb/>
quis me decipiat.</hi> Die&#x017F;e muß ein jeder haben, und geho&#x0364;ret &#x017F;ol-<lb/>
che mit zur politi&#x017F;chen Klugheit. Die <hi rendition="#aq">Politic</hi> i&#x017F;t nun nichts anders<lb/>
als eine Kun&#x017F;t, wodurch man lernet nicht allein klu&#x0364;glich zu regieren,<lb/>
&#x017F;ondern auch in andern Stu&#x0364;cken glu&#x0364;cklich, weislich und ordentlich<lb/>
zu leben. Denn wir haben unter&#x017F;chiedene Sta&#x0364;nde. Regieren ko&#x0364;n-<lb/>
nen i&#x017F;t das gro&#x0364;&#x017F;te Stu&#x0364;ck, weil aller Wohlfahrt darauf beruhet.</p><lb/>
        <note place="left">Regenten,</note>
        <p>Diejenigen Unterthanen &#x017F;ind unglu&#x0364;cklich, wenn &#x017F;olche Leute am<lb/>
Regiments-Ruder &#x017F;itzen, die nicht wohl regieren ko&#x0364;nnen; wenn es &#x017F;ol-<lb/>
che &#x017F;ind, wie der <hi rendition="#aq">Phaëton,</hi> der die Welt wollte anbrennen la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Regenten lachet man aus, &#x017F;o den Wagen nicht zu regieren wi&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Diejenigen, &#x017F;o von ferne ge&#x017F;tanden, da der Ko&#x0364;nig in Schweden,<lb/><hi rendition="#aq">Carolus XII.</hi> regieret, haben alle ge&#x017F;agt: Er &#x017F;ey zwar <hi rendition="#aq">rex fortis,</hi><lb/>
aber nicht <hi rendition="#aq">prudens.</hi> Mir hat <hi rendition="#aq">Buddeus</hi> &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;agt, der Ko&#x0364;nig<lb/>
in Schweden habe gar nicht nach der <hi rendition="#aq">Politic</hi> regiert. Er konnte<lb/>
&#x017F;ich nicht <hi rendition="#aq">con&#x017F;ervi</hi>ren, er war zu <hi rendition="#aq">juri&#x017F;t</hi>i&#x017F;ch, und meynete, er ha&#x0364;tte<lb/>
Recht, das wollte er <hi rendition="#aq">par force</hi> ausfu&#x0364;hren. Allein &#x017F;o wenig ein<lb/><hi rendition="#aq">privat-</hi>Men&#x017F;ch gleich <hi rendition="#aq">obtini</hi>ren kan, ob er &#x017F;chon eine gute Sache<lb/>
vor &#x017F;ich hat, &#x017F;o wenig kan es auch ein <hi rendition="#aq">Princeps</hi> thun. Ha&#x0364;tte der<lb/>
Ko&#x0364;nig in Schweden <hi rendition="#aq">lavi</hi>ren, &#x017F;ich gute Freunde machen, zu rechter<lb/>
Zeit abgehen ko&#x0364;nnen, &#x017F;o wu&#x0364;rde er viel be&#x017F;&#x017F;er <hi rendition="#aq">reu&#x017F;&#x017F;i</hi>ret haben.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Alle</fw><lb/>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[2/0022] PROLEGOMENA. Intriquen machen, keinen Verſtand haben. Mir hat wohl gefal- len von dem Mr. des Callieres, de la Fortune des gens de Cour, (welcher als Geſandter von Franckreich auf dem Frieden zu Ryswick geweſen) daß er ebenfalls ſaget: Derjenige habe keinen Verſtand, welcher Intriquen mache. Von ſeinem Buche kan man einen Ex- tract finden in meinen Gundlingianis. Und weil derſelbe wohl ſchoͤne Einfaͤlle hat, ſolche aber, wie alle Franzoſen thun, nicht wohl connectiret, ſo habe ich nicht allein in dem Extracte die Capita connectiret, ſondern auch dasjenige corrigiret, wo ich gemeynet, daß er die Graͤntzen uͤberſchritten. Die Intriquen dauren auch nur eine Zeitlang, und gehet derjenige, ſo Intriques macht, gar bald zu Grunde. Sie taugen nichts in der Republic; auch nicht in vita familiari, und converſatione hominum. Ein anders aber iſt prudentiam cavendi haben, i.e. ne quis me decipiat. Dieſe muß ein jeder haben, und gehoͤret ſol- che mit zur politiſchen Klugheit. Die Politic iſt nun nichts anders als eine Kunſt, wodurch man lernet nicht allein kluͤglich zu regieren, ſondern auch in andern Stuͤcken gluͤcklich, weislich und ordentlich zu leben. Denn wir haben unterſchiedene Staͤnde. Regieren koͤn- nen iſt das groͤſte Stuͤck, weil aller Wohlfahrt darauf beruhet. Diejenigen Unterthanen ſind ungluͤcklich, wenn ſolche Leute am Regiments-Ruder ſitzen, die nicht wohl regieren koͤnnen; wenn es ſol- che ſind, wie der Phaëton, der die Welt wollte anbrennen laſſen. Regenten lachet man aus, ſo den Wagen nicht zu regieren wiſſen. Diejenigen, ſo von ferne geſtanden, da der Koͤnig in Schweden, Carolus XII. regieret, haben alle geſagt: Er ſey zwar rex fortis, aber nicht prudens. Mir hat Buddeus ſelbſt geſagt, der Koͤnig in Schweden habe gar nicht nach der Politic regiert. Er konnte ſich nicht conſerviren, er war zu juriſtiſch, und meynete, er haͤtte Recht, das wollte er par force ausfuͤhren. Allein ſo wenig ein privat-Menſch gleich obtiniren kan, ob er ſchon eine gute Sache vor ſich hat, ſo wenig kan es auch ein Princeps thun. Haͤtte der Koͤnig in Schweden laviren, ſich gute Freunde machen, zu rechter Zeit abgehen koͤnnen, ſo wuͤrde er viel beſſer reuſſiret haben. Alle

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/22
Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/22>, abgerufen am 28.04.2024.