§. 8. Wer straffen will, muß fundamenta mali haben, das be-Cautelen, wen viele pecciret. stehet in Rädelsführern. Hobbesius giebt ein schönes Gleichniß, und sa- get: multitudo cum peccat, ist wie ein Staub, Spreu, wenn der Wind darunter bläset, so gehet sie in die Höhe, und machet motum turbulen- tissimum, woran aber nicht die Spreu, sondern der Wind Ursach ist. Eben so ist es mit dem peuble, wenn da ein aeolus kommt, und hinein bläset, so macht er den peuble rasend. Ein Jurist kan freylich hier sa- gen, peccat, leges transiit, ex consequenti contemnit principem, und müs- sen alle gestrafft werden. Aber das ist severe raisonnirt. Man muß sehen, wer den peuple in motum gebracht, tolle hunc aeolum, alsdenn wird alles aufhören. Es muß einer hier seyn, wie ein kluger Medicus, qui fundamentum mali tollit. Wahr ist es, sine populo würde der tu- mult nicht entstanden seyn, deßwegen kan man doch nicht alle straffen, sondern nur die Rädelsführer. Strafft sie einer alle, so hat er keinen peuple mehr. Du hast auch keine Gefahr, wenn du nur die Rädelsfüh- rer straffest, die andern bekommen dadurch einen Schrecken, und werden nichts wieder anfangen. Wenn man nun aber die Rädelsführer nicht weiß, so siehet man darauf, ob sie alle peccirt, haben sie alle peccirt, so kan man sie lassen würffeln, wen die fatalite trifft, der muß sterben; Hergegen wenn sich ein jeder excusiret, er habe nicht peccirt, so kan man sie nicht lassen würffeln, indem es einen Unschuldigen treffen könnte. Besser aber ist es absolvere centum reos, als damnare unum innocen- tem. Boecler in Notis Polit. ad Tacitum hat schön hievon raisonniret, welche passage ich auch allegirt in meiner Dissertat. de Universitate delin- quente. Zum Exempel: In der Thornischen affaire ist freylich nicht recht, wenn Bürger in der Jesuiter ihr collegium eingefallen, und aller- hand Unfug darinnen angerichtet, weßwegen man solche können straffen, aber daß man den Magistrat culpam imputiret, sie hätten die canaille nicht recht in Zaum gehalten, und sie deßwegen so hart gestrafft, ist höchst un- recht. Man siehet, daß nur die Jesuiten wollen durch diese troublen pro- fitiren. Sie sagen, der Senatus habe peccirt, und er ist doch nicht über- führet, das machte eine affreuse Gestalt in gantz Europa. Der Kayser Maximilianus war hierinnen gescheuter, denn ehe er noch Kayser worden, aber schon Römischer König, und in Niederlanden als Souverain war, so entstund in Brugg ein tumult, sie setzten ihn in arrest, und schlugen seinen Leuten die Köpffe ab, brachten ihn, und tractirten ihn als einen Larron. Wie sein Vater nach denen Niederlanden kam, mit einer Ar- mee, so wollte er gantz Brugg umkehren, Maximilianus aber sagte, er sollte nur die Rädelsführer bestraffen, welches auch geschahe, und die andern
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D d 3
ſtatus circa pœnas & præmia.
§. 8. Wer ſtraffen will, muß fundamenta mali haben, das be-Cautelen, wen viele pecciret. ſtehet in Raͤdelsfuͤhrern. Hobbeſius giebt ein ſchoͤnes Gleichniß, und ſa- get: multitudo cum peccat, iſt wie ein Staub, Spreu, wenn der Wind darunter blaͤſet, ſo gehet ſie in die Hoͤhe, und machet motum turbulen- tisſimum, woran aber nicht die Spreu, ſondern der Wind Urſach iſt. Eben ſo iſt es mit dem peuble, wenn da ein æolus kommt, und hinein blaͤſet, ſo macht er den peuble raſend. Ein Juriſt kan freylich hier ſa- gen, peccat, leges tranſiit, ex conſequenti contemnit principem, und muͤſ- ſen alle geſtrafft werden. Aber das iſt ſevere raiſonnirt. Man muß ſehen, wer den peuple in motum gebracht, tolle hunc æolum, alsdenn wird alles aufhoͤren. Es muß einer hier ſeyn, wie ein kluger Medicus, qui fundamentum mali tollit. Wahr iſt es, ſine populo wuͤrde der tu- mult nicht entſtanden ſeyn, deßwegen kan man doch nicht alle ſtraffen, ſondern nur die Raͤdelsfuͤhrer. Strafft ſie einer alle, ſo hat er keinen peuple mehr. Du haſt auch keine Gefahr, wenn du nur die Raͤdelsfuͤh- rer ſtraffeſt, die andern bekommen dadurch einen Schrecken, und werden nichts wieder anfangen. Wenn man nun aber die Raͤdelsfuͤhrer nicht weiß, ſo ſiehet man darauf, ob ſie alle peccirt, haben ſie alle peccirt, ſo kan man ſie laſſen wuͤrffeln, wen die fatalité trifft, der muß ſterben; Hergegen wenn ſich ein jeder excuſiret, er habe nicht peccirt, ſo kan man ſie nicht laſſen wuͤrffeln, indem es einen Unſchuldigen treffen koͤnnte. Beſſer aber iſt es abſolvere centum reos, als damnare unum innocen- tem. Bœcler in Notis Polit. ad Tacitum hat ſchoͤn hievon raiſonniret, welche paſſage ich auch allegirt in meiner Diſſertat. de Univerſitate delin- quente. Zum Exempel: In der Thorniſchen affaire iſt freylich nicht recht, wenn Buͤrger in der Jeſuiter ihr collegium eingefallen, und aller- hand Unfug darinnen angerichtet, weßwegen man ſolche koͤnnen ſtraffen, aber daß man den Magiſtrat culpam imputiret, ſie haͤtten die canaille nicht recht in Zaum gehalten, und ſie deßwegen ſo hart geſtrafft, iſt hoͤchſt un- recht. Man ſiehet, daß nur die Jeſuiten wollen durch dieſe troublen pro- fitiren. Sie ſagen, der Senatus habe peccirt, und er iſt doch nicht uͤber- fuͤhret, das machte eine affreuſe Geſtalt in gantz Europa. Der Kayſer Maximilianus war hierinnen geſcheuter, denn ehe er noch Kayſer worden, aber ſchon Roͤmiſcher Koͤnig, und in Niederlanden als Souverain war, ſo entſtund in Brugg ein tumult, ſie ſetzten ihn in arreſt, und ſchlugen ſeinen Leuten die Koͤpffe ab, brachten ihn, und tractirten ihn als einen Larron. Wie ſein Vater nach denen Niederlanden kam, mit einer Ar- mée, ſo wollte er gantz Brugg umkehren, Maximilianus aber ſagte, er ſollte nur die Raͤdelsfuͤhrer beſtraffen, welches auch geſchahe, und die andern
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ſtatus circa pœnas & præmia.
§. 8. Wer ſtraffen will, muß fundamenta mali haben, das be-
ſtehet in Raͤdelsfuͤhrern. Hobbeſius giebt ein ſchoͤnes Gleichniß, und ſa-
get: multitudo cum peccat, iſt wie ein Staub, Spreu, wenn der Wind
darunter blaͤſet, ſo gehet ſie in die Hoͤhe, und machet motum turbulen-
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Eben ſo iſt es mit dem peuble, wenn da ein æolus kommt, und hinein
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ſehen, wer den peuple in motum gebracht, tolle hunc æolum, alsdenn
wird alles aufhoͤren. Es muß einer hier ſeyn, wie ein kluger Medicus,
qui fundamentum mali tollit. Wahr iſt es, ſine populo wuͤrde der tu-
mult nicht entſtanden ſeyn, deßwegen kan man doch nicht alle ſtraffen,
ſondern nur die Raͤdelsfuͤhrer. Strafft ſie einer alle, ſo hat er keinen
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rer ſtraffeſt, die andern bekommen dadurch einen Schrecken, und werden
nichts wieder anfangen. Wenn man nun aber die Raͤdelsfuͤhrer nicht
weiß, ſo ſiehet man darauf, ob ſie alle peccirt, haben ſie alle peccirt, ſo
kan man ſie laſſen wuͤrffeln, wen die fatalité trifft, der muß ſterben;
Hergegen wenn ſich ein jeder excuſiret, er habe nicht peccirt, ſo kan man
ſie nicht laſſen wuͤrffeln, indem es einen Unſchuldigen treffen koͤnnte.
Beſſer aber iſt es abſolvere centum reos, als damnare unum innocen-
tem. Bœcler in Notis Polit. ad Tacitum hat ſchoͤn hievon raiſonniret,
welche paſſage ich auch allegirt in meiner Diſſertat. de Univerſitate delin-
quente. Zum Exempel: In der Thorniſchen affaire iſt freylich nicht
recht, wenn Buͤrger in der Jeſuiter ihr collegium eingefallen, und aller-
hand Unfug darinnen angerichtet, weßwegen man ſolche koͤnnen ſtraffen,
aber daß man den Magiſtrat culpam imputiret, ſie haͤtten die canaille nicht
recht in Zaum gehalten, und ſie deßwegen ſo hart geſtrafft, iſt hoͤchſt un-
recht. Man ſiehet, daß nur die Jeſuiten wollen durch dieſe troublen pro-
fitiren. Sie ſagen, der Senatus habe peccirt, und er iſt doch nicht uͤber-
fuͤhret, das machte eine affreuſe Geſtalt in gantz Europa. Der Kayſer
Maximilianus war hierinnen geſcheuter, denn ehe er noch Kayſer worden,
aber ſchon Roͤmiſcher Koͤnig, und in Niederlanden als Souverain war,
ſo entſtund in Brugg ein tumult, ſie ſetzten ihn in arreſt, und ſchlugen
ſeinen Leuten die Koͤpffe ab, brachten ihn, und tractirten ihn als einen
Larron. Wie ſein Vater nach denen Niederlanden kam, mit einer Ar-
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ſollte nur die Raͤdelsfuͤhrer beſtraffen, welches auch geſchahe, und die andern
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Cautelen, wen
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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/233>, abgerufen am 25.11.2024.
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