Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. V. De prudentia kamen die Spanier dazu, welche sie persuadiret Catholisch zu werden,darauf gieng sie nach Rom, und verzehrete ihr Geld daselbst, weil da viel delicia sind, und man commode leben kan. Weil nun die Christi- na so verschwenderisch gewesen, so hat man freylich müssen reductiones anstellen. Wenn der peuble consentiret, so können domainen weggege- ben werden. Also hat der Hertzog von Marlebourgh mit consens derer beyden Parlamenter VVoodstock bekommen, welches er hernach Blind- heim genennet. Die Königin aber konnte es vor sich nicht thun. Weil nun der princeps soll dahin bedacht seyn, ut aliquid demat, und zwar das abundans, so muß er auch ratione des aerarii suchen, daß er dasselbe con- servire und augire. Daher einige nicht ungereimt gesagt: Datur aera- rium conservativum & augmentativum. Will er es aber conserviren und augiren, so muß er wissen, was seine Unterthanen haben, sonst kan er ja nicht die bilance ziehen, ob die subditi ärmer oder reicher werden: wenn sie abnehmen, decrescunt principi. Er muß Leges sumtiarias, ve- stiarias verschreiben, welche vieles können helffen. Das Exempel ma- chet es allein nicht aus. Obgleich der König offt admirable menagiret, deßwegen machen doch die Unterthanen depensen. Etwas thut freylich das exemplum, aber nicht alles, sind aber Leges bey dem Exempel, so thut es viel. Ein Schuster hier trincket wohl jährlich mit seiner Frau vor 25. Thaler Coffee; Puff, Rastrum, gehöret vor ihn, und hernach klaget er, er könne nicht auskommen, was nutzt dem Kerl der Coffee? Wenn auch das Exempel was thäte, so thut es solches nur in praesentia, wo der Herr ist, wir wohnen hier zwantzig Meilen davon, da kan es nicht helffen, und wenn ein Narr kommt, der was anfängt, so thun sie es ihm alle nach. Also muß der princeps wissen, was daß Land hat. Viele meynen, es sey nicht möglich, solches zu erfahren. Nun kan er es wohl nicht auf einen punct wissen, und wer eine mathematische Ausrech- nung wollte haben, würde sich betriegen. Ich weiß zwar, daß einige gemeynet, ein princeps sollte anbefehlen, bey harter Straffe, daß ein je- der sein Vermögen angeben sollte. Allein wenn das consilium eclatiret, so lauffen die Leute weg. Dein Land ist ja kein Vogelbauer, ehe du sie dazu bringest, wenn es auch eingeführet worden, so lauffen die Leute nach der Zeit fort. Wenn man gleich an allen Orten Galgen aufbauet, so haben die Leute die Kunst, daß sie neben den Galgen vorbey gehen. Man will nicht gerne wissen lassen, was man im Vermögen hat, es hindert den credit. Wenn es auch der frömmste Regent ist, so glauben es doch die Unterthanen nicht, sie bilden sich die Regenten immer schlim- mer ein, als sie sind, weil sie so viel Exempel von bösen Regenten vor sich
Cap. V. De prudentia kamen die Spanier dazu, welche ſie perſuadiret Catholiſch zu werden,darauf gieng ſie nach Rom, und verzehrete ihr Geld daſelbſt, weil da viel delicia ſind, und man commode leben kan. Weil nun die Chriſti- na ſo verſchwenderiſch geweſen, ſo hat man freylich muͤſſen reductiones anſtellen. Wenn der peuble conſentiret, ſo koͤnnen domainen weggege- ben werden. Alſo hat der Hertzog von Marlebourgh mit conſens derer beyden Parlamenter VVoodſtock bekommen, welches er hernach Blind- heim genennet. Die Koͤnigin aber konnte es vor ſich nicht thun. Weil nun der princeps ſoll dahin bedacht ſeyn, ut aliquid demat, und zwar das abundans, ſo muß er auch ratione des ærarii ſuchen, daß er daſſelbe con- ſervire und augire. Daher einige nicht ungereimt geſagt: Datur æra- rium conſervativum & augmentativum. Will er es aber conſerviren und augiren, ſo muß er wiſſen, was ſeine Unterthanen haben, ſonſt kan er ja nicht die bilance ziehen, ob die ſubditi aͤrmer oder reicher werden: wenn ſie abnehmen, decreſcunt principi. Er muß Leges ſumtiarias, ve- ſtiarias verſchreiben, welche vieles koͤnnen helffen. Das Exempel ma- chet es allein nicht aus. Obgleich der Koͤnig offt admirable menagiret, deßwegen machen doch die Unterthanen depenſen. Etwas thut freylich das exemplum, aber nicht alles, ſind aber Leges bey dem Exempel, ſo thut es viel. Ein Schuſter hier trincket wohl jaͤhrlich mit ſeiner Frau vor 25. Thaler Coffée; Puff, Raſtrum, gehoͤret vor ihn, und hernach klaget er, er koͤnne nicht auskommen, was nutzt dem Kerl der Coffée? Wenn auch das Exempel was thaͤte, ſo thut es ſolches nur in præſentia, wo der Herr iſt, wir wohnen hier zwantzig Meilen davon, da kan es nicht helffen, und wenn ein Narr kommt, der was anfaͤngt, ſo thun ſie es ihm alle nach. Alſo muß der princeps wiſſen, was daß Land hat. Viele meynen, es ſey nicht moͤglich, ſolches zu erfahren. Nun kan er es wohl nicht auf einen punct wiſſen, und wer eine mathematiſche Ausrech- nung wollte haben, wuͤrde ſich betriegen. Ich weiß zwar, daß einige gemeynet, ein princeps ſollte anbefehlen, bey harter Straffe, daß ein je- der ſein Vermoͤgen angeben ſollte. Allein wenn das conſilium eclatiret, ſo lauffen die Leute weg. Dein Land iſt ja kein Vogelbauer, ehe du ſie dazu bringeſt, wenn es auch eingefuͤhret worden, ſo lauffen die Leute nach der Zeit fort. Wenn man gleich an allen Orten Galgen aufbauet, ſo haben die Leute die Kunſt, daß ſie neben den Galgen vorbey gehen. Man will nicht gerne wiſſen laſſen, was man im Vermoͤgen hat, es hindert den credit. Wenn es auch der froͤmmſte Regent iſt, ſo glauben es doch die Unterthanen nicht, ſie bilden ſich die Regenten immer ſchlim- mer ein, als ſie ſind, weil ſie ſo viel Exempel von boͤſen Regenten vor ſich
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Cap. V. De prudentia
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darauf gieng ſie nach Rom, und verzehrete ihr Geld daſelbſt, weil da
viel delicia ſind, und man commode leben kan. Weil nun die Chriſti-
na ſo verſchwenderiſch geweſen, ſo hat man freylich muͤſſen reductiones
anſtellen. Wenn der peuble conſentiret, ſo koͤnnen domainen weggege-
ben werden. Alſo hat der Hertzog von Marlebourgh mit conſens derer
beyden Parlamenter VVoodſtock bekommen, welches er hernach Blind-
heim genennet. Die Koͤnigin aber konnte es vor ſich nicht thun. Weil
nun der princeps ſoll dahin bedacht ſeyn, ut aliquid demat, und zwar das
abundans, ſo muß er auch ratione des ærarii ſuchen, daß er daſſelbe con-
ſervire und augire. Daher einige nicht ungereimt geſagt: Datur æra-
rium conſervativum & augmentativum. Will er es aber conſerviren und
augiren, ſo muß er wiſſen, was ſeine Unterthanen haben, ſonſt kan er
ja nicht die bilance ziehen, ob die ſubditi aͤrmer oder reicher werden:
wenn ſie abnehmen, decreſcunt principi. Er muß Leges ſumtiarias, ve-
ſtiarias verſchreiben, welche vieles koͤnnen helffen. Das Exempel ma-
chet es allein nicht aus. Obgleich der Koͤnig offt admirable menagiret,
deßwegen machen doch die Unterthanen depenſen. Etwas thut freylich
das exemplum, aber nicht alles, ſind aber Leges bey dem Exempel, ſo
thut es viel. Ein Schuſter hier trincket wohl jaͤhrlich mit ſeiner Frau
vor 25. Thaler Coffée; Puff, Raſtrum, gehoͤret vor ihn, und hernach
klaget er, er koͤnne nicht auskommen, was nutzt dem Kerl der Coffée?
Wenn auch das Exempel was thaͤte, ſo thut es ſolches nur in præſentia,
wo der Herr iſt, wir wohnen hier zwantzig Meilen davon, da kan es
nicht helffen, und wenn ein Narr kommt, der was anfaͤngt, ſo thun ſie
es ihm alle nach. Alſo muß der princeps wiſſen, was daß Land hat.
Viele meynen, es ſey nicht moͤglich, ſolches zu erfahren. Nun kan er es
wohl nicht auf einen punct wiſſen, und wer eine mathematiſche Ausrech-
nung wollte haben, wuͤrde ſich betriegen. Ich weiß zwar, daß einige
gemeynet, ein princeps ſollte anbefehlen, bey harter Straffe, daß ein je-
der ſein Vermoͤgen angeben ſollte. Allein wenn das conſilium eclatiret,
ſo lauffen die Leute weg. Dein Land iſt ja kein Vogelbauer, ehe du
ſie dazu bringeſt, wenn es auch eingefuͤhret worden, ſo lauffen die Leute
nach der Zeit fort. Wenn man gleich an allen Orten Galgen aufbauet,
ſo haben die Leute die Kunſt, daß ſie neben den Galgen vorbey gehen.
Man will nicht gerne wiſſen laſſen, was man im Vermoͤgen hat, es
hindert den credit. Wenn es auch der froͤmmſte Regent iſt, ſo glauben
es doch die Unterthanen nicht, ſie bilden ſich die Regenten immer ſchlim-
mer ein, als ſie ſind, weil ſie ſo viel Exempel von boͤſen Regenten vor
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