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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V. De prudentia
gut, daß sie das meiste selbst fabriciren. Weil nun fremde Sachen
nichts nütze, so muß man auch acht geben, daß die Leute nicht so häuffig
in fremde Länder reisen, welches ein grosser Fehler, und sagt VVahrmund
von Ehrenberg in einem besondern Buch hievon, daß sonst kein Bauers-
Sohn gewesen, der nicht nach Franckreich oder Italien gereiset. Man-
cher muß reisen, auch bey denen Handwerckern und Künstlern, weil sie
an fremden Orten vieles profitiren können. Also kan man nicht allen
Leuten das Reisen verbiethen. Der König in Franckreich hat sonst kei-
ne Blech-Schmiede gehabt, daher er viele deßwegen lassen nach Teutsch-
land reisen, auch gar Teutsche Blech-Schmiede lassen wegcapern, und
denselben religionis libertatem gegeben. Henricus IV. hat viele lassen
nach Italien gehen, daß sie daselbst lernen seidene Zeuge fabriciren. Es
müssen auch Leute von condition reisen. Man braucht ja Ambassadeurs,
welche die mores gentium kennen müssen. Aber das ist eben nicht nö-
thig, daß sie sechs Jahre allein in Paris bleiben, daselbst in Opern ge-
hen, und die Huren-Häuser kennen lernen. Daher ist ein löbliches
Verfahren, daß man keinen läßt reisen, er muß eine Ursache anzeigen,
warum er dahin reisen will. Denn die meisten verthun nur ihr Geld,
und gewöhnen sich nur an Sottisen, wodurch sie sich nur bey andern ver-
hast machen. Andere nationes depensiren auch im Reisen nicht so viel,
wie die Teutschen. Man findet, daß wenig Frantzosen, Italiäner und
Engeländer reisen, wir aber dencken, wir wären nicht vollkommen, wenn
wir nicht die Welt durchstrichen, und denen Fremden gezeiget, daß wir
Geld zu verzehren hätten. Da machen wir erst einen rechten Staat,
und depensiren, da wir sonst mit sechs hundert Thaler in Teutschland
jährlich auskommen, so verthun wir in Paris wohl tausend Thaler,
wodurch viele Millionen aus Teutschland gehen. Man hat auf dem
Reichs-Tag auch einmahl deliberiret, ob nicht ein general-reglement
dieserwegen könne gemacht werden, aber weil es auf dem Reichs-Tag
nicht können ausgemacht werden, so soll ein jedweder vor sich drüber re-
flecti
ren, und nachdencken, was vor Summen aus dem Lande gehen,
worüber einer erschrecken wird. Wenn man nur die Universitäten con-
sideri
ret, so muß man sich wundern, was vor Geld dahin gebracht wird,
und auf denen Teutschen Universitäten verthut man doch nicht so viel,
als in Franckreich und andern Orten. Hier gehet man zu Fuß, in
Paris aber fahren sie in carossen, und machen einen Staat, damit sie
nur einmahl zu einer redoute gelassen werden. Wenn ein Herr ja ei-
nen reisen läßt, so muß man denselben vorher seines Standes erinnern.
Denn was ist das vor eine Thorheit, wenn ein Bauers-Sohn sich vor

einen

Cap. V. De prudentia
gut, daß ſie das meiſte ſelbſt fabriciren. Weil nun fremde Sachen
nichts nuͤtze, ſo muß man auch acht geben, daß die Leute nicht ſo haͤuffig
in fremde Laͤnder reiſen, welches ein groſſer Fehler, und ſagt VVahrmund
von Ehrenberg in einem beſondern Buch hievon, daß ſonſt kein Bauers-
Sohn geweſen, der nicht nach Franckreich oder Italien gereiſet. Man-
cher muß reiſen, auch bey denen Handwerckern und Kuͤnſtlern, weil ſie
an fremden Orten vieles profitiren koͤnnen. Alſo kan man nicht allen
Leuten das Reiſen verbiethen. Der Koͤnig in Franckreich hat ſonſt kei-
ne Blech-Schmiede gehabt, daher er viele deßwegen laſſen nach Teutſch-
land reiſen, auch gar Teutſche Blech-Schmiede laſſen wegcapern, und
denſelben religionis libertatem gegeben. Henricus IV. hat viele laſſen
nach Italien gehen, daß ſie daſelbſt lernen ſeidene Zeuge fabriciren. Es
muͤſſen auch Leute von condition reiſen. Man braucht ja Ambaſſadeurs,
welche die mores gentium kennen muͤſſen. Aber das iſt eben nicht noͤ-
thig, daß ſie ſechs Jahre allein in Paris bleiben, daſelbſt in Opern ge-
hen, und die Huren-Haͤuſer kennen lernen. Daher iſt ein loͤbliches
Verfahren, daß man keinen laͤßt reiſen, er muß eine Urſache anzeigen,
warum er dahin reiſen will. Denn die meiſten verthun nur ihr Geld,
und gewoͤhnen ſich nur an Sottiſen, wodurch ſie ſich nur bey andern ver-
haſt machen. Andere nationes depenſiren auch im Reiſen nicht ſo viel,
wie die Teutſchen. Man findet, daß wenig Frantzoſen, Italiaͤner und
Engelaͤnder reiſen, wir aber dencken, wir waͤren nicht vollkommen, wenn
wir nicht die Welt durchſtrichen, und denen Fremden gezeiget, daß wir
Geld zu verzehren haͤtten. Da machen wir erſt einen rechten Staat,
und depenſiren, da wir ſonſt mit ſechs hundert Thaler in Teutſchland
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wodurch viele Millionen aus Teutſchland gehen. Man hat auf dem
Reichs-Tag auch einmahl deliberiret, ob nicht ein general-reglement
dieſerwegen koͤnne gemacht werden, aber weil es auf dem Reichs-Tag
nicht koͤnnen ausgemacht werden, ſo ſoll ein jedweder vor ſich druͤber re-
flecti
ren, und nachdencken, was vor Summen aus dem Lande gehen,
woruͤber einer erſchrecken wird. Wenn man nur die Univerſitaͤten con-
ſideri
ret, ſo muß man ſich wundern, was vor Geld dahin gebracht wird,
und auf denen Teutſchen Univerſitaͤten verthut man doch nicht ſo viel,
als in Franckreich und andern Orten. Hier gehet man zu Fuß, in
Paris aber fahren ſie in caroſſen, und machen einen Staat, damit ſie
nur einmahl zu einer redoute gelaſſen werden. Wenn ein Herr ja ei-
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Denn was iſt das vor eine Thorheit, wenn ein Bauers-Sohn ſich vor

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[266/0286] Cap. V. De prudentia gut, daß ſie das meiſte ſelbſt fabriciren. Weil nun fremde Sachen nichts nuͤtze, ſo muß man auch acht geben, daß die Leute nicht ſo haͤuffig in fremde Laͤnder reiſen, welches ein groſſer Fehler, und ſagt VVahrmund von Ehrenberg in einem beſondern Buch hievon, daß ſonſt kein Bauers- Sohn geweſen, der nicht nach Franckreich oder Italien gereiſet. Man- cher muß reiſen, auch bey denen Handwerckern und Kuͤnſtlern, weil ſie an fremden Orten vieles profitiren koͤnnen. Alſo kan man nicht allen Leuten das Reiſen verbiethen. Der Koͤnig in Franckreich hat ſonſt kei- ne Blech-Schmiede gehabt, daher er viele deßwegen laſſen nach Teutſch- land reiſen, auch gar Teutſche Blech-Schmiede laſſen wegcapern, und denſelben religionis libertatem gegeben. Henricus IV. hat viele laſſen nach Italien gehen, daß ſie daſelbſt lernen ſeidene Zeuge fabriciren. Es muͤſſen auch Leute von condition reiſen. Man braucht ja Ambaſſadeurs, welche die mores gentium kennen muͤſſen. Aber das iſt eben nicht noͤ- thig, daß ſie ſechs Jahre allein in Paris bleiben, daſelbſt in Opern ge- hen, und die Huren-Haͤuſer kennen lernen. Daher iſt ein loͤbliches Verfahren, daß man keinen laͤßt reiſen, er muß eine Urſache anzeigen, warum er dahin reiſen will. Denn die meiſten verthun nur ihr Geld, und gewoͤhnen ſich nur an Sottiſen, wodurch ſie ſich nur bey andern ver- haſt machen. Andere nationes depenſiren auch im Reiſen nicht ſo viel, wie die Teutſchen. Man findet, daß wenig Frantzoſen, Italiaͤner und Engelaͤnder reiſen, wir aber dencken, wir waͤren nicht vollkommen, wenn wir nicht die Welt durchſtrichen, und denen Fremden gezeiget, daß wir Geld zu verzehren haͤtten. Da machen wir erſt einen rechten Staat, und depenſiren, da wir ſonſt mit ſechs hundert Thaler in Teutſchland jaͤhrlich auskommen, ſo verthun wir in Paris wohl tauſend Thaler, wodurch viele Millionen aus Teutſchland gehen. Man hat auf dem Reichs-Tag auch einmahl deliberiret, ob nicht ein general-reglement dieſerwegen koͤnne gemacht werden, aber weil es auf dem Reichs-Tag nicht koͤnnen ausgemacht werden, ſo ſoll ein jedweder vor ſich druͤber re- flectiren, und nachdencken, was vor Summen aus dem Lande gehen, woruͤber einer erſchrecken wird. Wenn man nur die Univerſitaͤten con- ſideriret, ſo muß man ſich wundern, was vor Geld dahin gebracht wird, und auf denen Teutſchen Univerſitaͤten verthut man doch nicht ſo viel, als in Franckreich und andern Orten. Hier gehet man zu Fuß, in Paris aber fahren ſie in caroſſen, und machen einen Staat, damit ſie nur einmahl zu einer redoute gelaſſen werden. Wenn ein Herr ja ei- nen reiſen laͤßt, ſo muß man denſelben vorher ſeines Standes erinnern. Denn was iſt das vor eine Thorheit, wenn ein Bauers-Sohn ſich vor einen

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/286>, abgerufen am 24.11.2024.